Beim geplanten 49-Euro-Monatsticket im Nahverkehr könnte es einen Rabatt auf Jobtickets geben. Nordrhein-Westfalens Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) als Vorsitzender der Verkehrsministerkonferenz der Länder sagte der Deutschen Presse-Agentur, Bund und Länder diskutierten für Jobtickets derzeit eine eigene Regelung. Firmen könnten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Ticket dann vergünstigt anbieten, wenn sie sich an den Kosten beteiligen.
„Das wäre hochattraktiv für Firmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter”, sagte Krischer. „Über weitere Rabatte etwa für Studierende und Azubis beim Deutschlandticket entscheiden allein die Länder, die die Kosten dann auch selbst übernehmen müssen.” Das Deutschlandticket startet laut Krischer wahrscheinlich am 1. Mai.
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) befürwortete einen Rabatt auf das 49-Euro-Ticket für Arbeitgeber beim Kauf bestimmter Kontingente. „Das Jobticket gehört im ÖPNV zu den am meisten verkauften Tickets, aktuell haben wir mehrere Millionen Abonnentinnen und Abonnenten in diesem Segment”, teilte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff auf Anfrage mit. „Aber es gibt noch großes Potenzial, um neue Fahrgäste beziehungsweise Arbeitgeber dafür zu gewinnen.” Alles, was das Deutschland-Ticket als Jobticket attraktiver mache, helfe.
Finanzierung ist noch unklar
Konkret könnte es einen Rabatt je nach Anzahl der bestellten Jobtickets für Arbeitgeber geben. Diese könnten den Rabatt dann an ihre Beschäftigten weitergeben. Die Hoffnung ist, dass durch die Vergünstigung die Nachfrage steigt und die Einnahmeausfälle dadurch zumindest zum Teil kompensiert werden. Offen ist, wer das finanziert. Bund und Länder wollen darüber am Freitag in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe beraten.
Einfach, aber teurer: Was kann das geplante Nahverkehrsticket?
Ob sich die Monatskarte für 49 Euro für Stammkunden rechnet, hängt von Ort und Fahrtstrecke ab. Wer nur innerhalb seiner eigenen Stadt unterwegs ist, den erwartet ein mehr oder weniger großer Rabatt. In Frankfurt kostet das Abo in der günstigsten Variante rund 77 Euro, in Berlin um die 63 Euro und in Paderborn nur etwa 55 Euro.
Klarer ist die Sache für Menschen, die aus dem Umland in Innenstädte pendeln. Für sie lohnt sich das geplante Angebot in den allermeisten Fällen. Denn bisher galt bei den Tarifen: Je weiter, desto teurer. Wer etwa die 50 Kilometer zwischen Lüneburg und Hamburg pendelt, zahlt im Abo mindestens rund 187 Euro im Monat. Kommt der Einheitspreis, dann gilt: Je weiter, desto größer die Ersparnis.
Viele haben sich daran gewöhnt: allmorgendlich Stau, Nervenprobe auf Einfallstraßen der Großstadt. Ein neues, dauerhaft günstiges Ticket für Busse und Bahnen könnte da manche ins Grübeln bringen - und vielleicht zum Umstieg bewegen. Jedoch: Bus- und Bahnfahren ist in den meisten Fällen schon jetzt günstiger als ein eigenes Auto. Denn dieses schlägt jeden Monat mit mehreren hundert Euro zu Buche. Viele fahren trotzdem Auto, der Preis ist für sie nicht das Hauptargument.
Das 9-Euro-Ticket hat sich vor allem an touristischen Zielen bemerkbar gemacht. Viele nutzten die Gelegenheit für günstige Ausflüge. Das dürfte sich bei einer Nachfolgelösung für 49 Euro ändern. Denn für gelegentliche Tagesausflüge, gerade mit mehreren Reisenden, sind häufig die bestehenden Länder-Tickets der Bahn oder das bundesweiten Quer-durchs-Land-Ticket günstiger.
Wenn in der Nähe selten Busse oder Züge halten, bringt auch die günstigste Fahrkarte nicht viel - so wie in vielen Dörfern. An mehr als jeder dritten Haltestelle in Deutschland kann man nach Berechnungen der Bahn-Tochter Ioki nicht mal einmal pro Stunde in die eine oder die andere Richtung fahren. Auch der Autofahrerclub ADAC mahnt an, weiterhin Lücken im öffentlichen Angebot zu schließen.
Es müsse nicht nur Geld für günstigere Fahrkarten geben, sondern auch für mehr Busse und Bahnen, heißt es beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). „Andernfalls müssen im kommenden Jahr umfassend Leistungen abbestellt werden, da diese mit den vorhandenen Mitteln nicht mehr finanziert werden können“, ergänzt der Bundesverband Schienennahverkehr.
„Es fehlt die Familienkomponente“, kritisiert Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn. Denn eine kostenfreie Kindermitnahme wie beim Vorbild 9-Euro-Ticket ist bisher jedenfalls nicht angekündigt. Das werde manche davon abhalten, auf Bus und Bahn umzusteigen. „Für den Autofahrer macht es bei den Kosten aber keinen Unterschied, ob er seine Kinder mitnimmt.“
Eine gute Stunde fährt der ICE morgens von Berlin nach Wolfsburg, eine Verbindung, die auch Berufspendler nutzen. Wollten sie das neue Ticket nutzen, müssten sie mehr als drei Stunden in Nahverkehrszügen verbringen - keine gute Alternative. Das gleiche gilt für Fernreisen durch Deutschland, sofern man nicht sehr viel Zeit hat. Doch wer viel Zeit hat, kann sich auch rechtzeitig Sparpreis-Tickets für den Fernverkehr ab 17,90 Euro sichern und mit dem ICE fahren.
Im vergangenen Sommer hatten Millionen Fahrgäste während einer dreimonatigen Rabattaktion das 9-Euro-Ticket genutzt. Als dauerhafter Nachfolger ist ein bundesweit gültiges Ticket für 49 Euro im Monat für Busse und Bahnen im Nah- und Regionalverkehr geplant.
„Ich hätte mir einen Start des Deutschlandtickets zum 1. April gewünscht”, sagte Krischer. „Das wird aber nicht klappen, weil das Gesetzgebungsverfahren und die EU-Genehmigungsfrage Zeit brauchen.” Daher werde es nun wahrscheinlich der 1. Mai.
„Es deutet sich an, dass Fragen zur technischen Umsetzung in den kommenden Tagen geklärt werden können”, sagte der NRW-Minister weiter. „Ich nehme bei allen Beteiligten – Bund, Ländern und Verbänden – den Willen wahr, zu einem Ergebnis zu kommen. Wir sind in einem Marathon bei Kilometer 40.”
Flexibilität vom Bund gefordert
Krischer sagte weiter: „Wir sind alle einig, dass es ein digitales Ticket werden soll.” In einer kurzen Übergangszeit sei aber ein Papierticket nötig. „Die Systeme zur Kontrolle sind oft unterschiedlich, da muss die Technik noch synchronisiert werden. Ich kann mich auf ein Papierticket für den Übergang einlassen.” Er hoffe, dass dies Bundesminister Volker Wissing (FDP) auch könne.
Ein anderes Thema sei die Frage der Tarifgenehmigungen. Das Deutschlandticket müsste eigentlich in den Verkehrsverbünden von den Aufsichtsbehörden jeweils als neuer Tarif genehmigt werden. „Das wären Hunderte von Genehmigungen, so ist das geltende Recht”, so Krischer. „Ich erwarte da vom Bund Flexibilität, dass man die gesetzliche Möglichkeit schafft, dass das Deutschlandticket einmal oder mindestens auf Länderebene genehmigt wird und dann überall gilt.”
Krischer sagte mit Blick auf das 49-Euro-Ticket: „Die Zäsur wird absolut tief sein. Das Deutschlandticket ist eine kleine Revolution, es wird die kompletten Tarifstrukturen überall in Deutschland verändern. Das, was wir bisher gesehen haben, wird es in der Form nicht mehr geben. Der ÖPNV wird für viele Menschen attraktiver, die ihn bisher wegen zu komplexer Tarifstrukturen und hohen Preisen nicht nutzen. Eine zweistellige Millionenzahl verkaufter Deutschlandtickets wäre sicher ein Erfolg.”
Lesen Sie auch: Nieder mit den ÖPNV-Fürstentümern!