Windkraftausbau in Bayern „Man denkt anders über Windräder, wenn man in weiter Ferne wohnt“

Viele Bayern wollen keine Windkraft-Romantik in ihrem Bundesland. Quelle: dpa

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck möchte mehr Windenergie in Bayern und sucht den Showdown mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Was sagen Windkraftskeptiker dazu?

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Gerhard Penger (45) wohnt im bayerischen Haslach im Landkreis Freising und kämpft seit mehreren Jahren als Mitglied der Bürgerinitiative „WindWahnsinn“ gegen den Bau von zwei Windrädern in der Nähe seines Heimatorts.

WirtschaftsWoche: Herr Penger, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will sich diese Woche mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder treffen, um mehr Windkraft in Bayern durchzuboxen. Söder möchte das verhindern. Konfliktpunkt dürfte die bayrische 10H-Regel sein. Sie besagt, dass ein Windrad nur im Abstand des Zehnfachen seiner Höhe von Wohnbebauung aufgestellt werden darf. Da stehen Sie sicherlich auf Söders Seite?
Gerhard Penger: Ja, und das hat ganz praktische Gründe. Nur mit der 10H-Regel können wir die Klage gegen den Bau zweier Windräder in meinem Ort vor Gericht begründen.

Das geplante Windrad vor Ihrer Tür ist etwa 200 Meter hoch und steht knapp 600 Meter vom nächsten Haus entfernt – gemäß der Regel also unzulässig. Wenn Habeck das aber aufweicht, dann könnte man im Umfeld ihres Wohnorts noch viel mehr Windräder bauen.
Ich finde das bedenklich, aber man muss den Einzelfall betrachten. Schauen wir einmal mein Heimatdorf an. Der Ort, an dem die Windräder gebaut werden sollen, ist einfach sehr ungünstig. Sie würden unseren Ort, unsere Heimat einfach erdrücken. Es ist natürlich nicht toll, wenn in einer schönen Landschaft wie bei uns Windräder stehen, allerdings ist mir auch bewusst, dass man Kompromisse schließen muss.

Wenn Robert Habeck Ihnen einen Kompromiss bei der Abstandsregelung anbieten würde, welche Regel wäre für Sie akzeptabel? 8H? 5H?
Es ist schwer, da eine genaue Grenze zu ziehen. Wenn ich es machen muss, würde ich sagen: 5H als Mindestabstand wäre schonmal ein guter Einstieg zur Verhandlung. Wobei man immer den Einzelfall betrachten muss. Ist das Windrad weit oben am Berg und der Ort liegt dann im Tal, dann ist die Wirkung noch viel gewaltiger für die Menschen.

Sie würden mit Habeck also eher verhandeln anstatt ihn wieder direkt zurück nach Berlin zu schicken?
Natürlich wäre eine Verhandlungsbasis da. Man muss ja immer einen Kompromiss finden. Deshalb muss man aufeinander zugehen. Wir haben das ja bei unseren Veranstaltungen von WindWahnsinn gesehen. Wir haben Vertreter der Politik dagehabt, die sich zuvor eindeutig für die Windräder bei uns vor Ort ausgesprochen haben. Als wir Ihnen dann gezeigt haben, was die Windräder für die Anwohner bedeuten, waren sich alle Politiker mit Ausnahme des Vertreters der Grünen einig, dass eine Umsetzung an diesem Standort nicht möglich ist.

Bayern liegt im Vergleich zu allen Bundesländern bei dem Ausbau der Windkraft ziemlich am Schluss und besitzt zudem die strengsten Abstandsregeln. Was stört die Bayern an Windrädern?
Schwierig. Oberbayern ist für den Ausbau von Windkraft meiner Meinung nach zu dicht besiedelt. Natürlich tut man sich irgendwo im Osten leichter, wenn über viele Kilometer fast niemand in der Nähe der Windräder wohnt. Windräder verschandeln halt schon optisch die Umwelt. Schlimmer ist aber die massive, erdrückende Wirkung auf die Anwohner, wenn sie zu nahe an die Bebauung heranrücken wie in unserem Fall. Krank macht Windkraft aber meiner Meinung nach nicht, von solchen Aussagen distanziere ich mich.

Zur Fraktionsvorsitzenden der Grünen im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, haben Sie vor einigen Jahren bei einer Veranstaltung gesagt, Sie wollen in Ihrer Heimat kein „Windkraftruhrgebiet“. Ist das nicht ein bisschen übertrieben?
Dass ich kein Windkraftruhrgebiet will? Ja, das möchte ich natürlich nicht! Ich befürchte, wenn wir hier bei mir mal die Infrastruktur für Windkraft haben, dass dann neben den zwei geplanten Windrädern noch weitere Projekte dazukommen: Dass hier plötzlich Windparks mit – keine Ahnung – fünf, zehn oder 15 Windrädern entstehen, das möchte ich nicht.

Deutschland möchte die Klimawende, dazu braucht man grünen Strom. Kann man Ihnen und der Bürgerinitiative WindWahnsinn nicht vorwerfen, dass Sie grünen Strom wollen, aber die Produktion nicht hinter Ihrem Garten liegen soll?
Ja, mir kann man alles vorwerfen. Aber diese Vorstellung bedeutet ja andersherum, dass es dann möglich sein muss, ohne Rücksicht auf Verluste überall Windräder zu bauen. Ist das denn wünschenswert?

Robert Habeck würde vermutlich sagen: Ja.
Ja, ich weiß nicht, wie sich der Herr Habeck damit auseinandersetzen würde, wenn er in der Situation ist, dass 200 Meter neben seinem Haus ein Windrad gebaut wird. Ich kenne jetzt seine Wohnsituation nicht, aber ich habe an mir selbst festgestellt, dass man über Windräder etwas anders denkt, wenn man in weiter Ferne von einem wohnt.

Söder beharrt auf der 10H-Regel in Bayern. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft will sie aber abschaffen. Auch der bayerische Wirtschaftsminister, Hubert Aiwanger (Freie Wähler), gibt sich gegenüber der aktuellen Regel skeptisch. Wird Söder noch einknicken?
Wenn Söder zu seinem Wort steht, dann knickt er nicht ein.

Könnten Sie sich eigentlich mit einem Solarpark anstelle der Windräder bei Ihnen vor Ort anfreunden?
Ich schau grade zum Fenster raus und überlege, aber mir fällt kein Argument gegen einen Solarpark ein. Im Gegenteil: Das wäre vielleicht auch etwas, dass die Politik angehen könnte. Solarparks im Außenbereich ohne Orts- oder Autobahnanbindung werden kaum genehmigt. Das wäre eigentlich von der Wirkung auf die umliegenden Ortschaften, denke ich, problemloser umzusetzen als ein riesiges Windrad.

Einmal angenommen Robert Habeck würde mit einer Kanne Kaffee in der Hand bei Ihnen auf der Matte stehen und zum Plausch über Windräder bitten…
...den Kaffee kriegt er von mir.

Mit welchen Argumenten könnte Habeck Sie überzeugen?
Sie meinen: Baut die beiden Windräder in meinem Dorf dahin, wo sie geplant sind?



Genau.
Da fällt mir kein Argument ein, weil sich die Situation nicht ändert. Die Nähe zum Ort ändert sich nicht, die Position zum Ort ändert sich nicht. Was will er da argumentieren?

Und wenn Herr Habeck Sie überzeugen wollen würde, die 10H-Regel abzuschaffen? Könnte ihm das gelingen?
Ja, natürlich, darüber könnte man sprechen. Ich würde mir dann wünschen, nicht nur zu sagen, das muss abgeschafft werden, wie es halt in der Diskussion meistens ist, sondern ich würde mir auch wünschen, zu wissen: welche Rahmenbedingungen treten an die Stelle von 10H. Dann könnte Habeck die bayerischen Bürger auch mitnehmen. Auf jeden Fall würde ich auf einem Mindestabstand von mehr als nur wenigen 100 Metern und einer genauen Betrachtung der Gegebenheiten vor Ort bestehen.

Mehr zum Thema: Drei Windräder im Wald, zehn Jahre Planung, aber bis heute dreht sich im bayerischen Pfaffenhofen – nichts. Ein Sinnbild der krankenden deutschen Energiewende und eine Warnung an die neue Bundesregierung.

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