Wohnungsgipfel „Mieten einzufrieren ist der Versuch, Mieter ruhig zu stellen“

Andreas Mattner ist Geschäftsführer des Hamburger Gewerbeimmobilienentwicklers ECE und Präsident des Branchenverbands Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA). Quelle: imago images

Andreas Mattner, ein Vertreter der Immobilienbranche, spricht über den heutigen Wohnungsgipfel im Kanzleramt, unsinnige Bauvorschriften und moderne Plattenbauten.

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WirtschaftsWoche: Herr Mattner, seit dem 18. September können Familien das Baukindergeld beantragen, auch auf befristete Steuervorteile für private Investoren beim Wohnungsbau hat sich die Bundesregierung geeinigt. Ist die Wohnungspolitik auf einem guten Weg?
Andreas Mattner: Man kann natürlich eine solche Sonderabschreibung verabschieden, mit der die Herstellungskosten einer vermieteten Immobilie steuerlich absetzbar werden. Für uns ist das aber alles andere als ein Heilsbringer. Eine Sonderabschreibung ist ein Instrument, das man eigentlich im konjunkturellen Abschwung einsetzt, um den Markt anzuheizen. Haben Sie den Eindruck, dass der Markt angeheizt werden muss?

Den Eindruck hat zumindest auch die SPD nicht, sie hat gerade einen Plan vorgestellt, wie die stark steigenden Mieten in den Groß- und kleineren beliebten Städten begrenzt werden könnten. Die Partei wirbt für einen Sozialpakt mit Eigentümern von Immobilien. Empfehlen Sie Ihren Mitgliedern, sich dem anzuschließen?
Ein Sozialpakt, der erst einmal einen dirigistischen Eingriff ankündigt, wie man ihn seit der DDR nicht mehr gesehen hat, verschlimmert die Situation für die Mieter. Das ist kein Angebot. Mieten einzufrieren, damit kommen wir nicht weiter. Das hört sich nett an, es ist der Versuch, Mieter ruhig zu stellen und vielleicht schlechte Wahlumfragen zu verändern. Aber wenn man etwas haben will, nämlich zusätzliche Wohnungen, und stattdessen viel Zeit damit verliert, sich neue Regulierungen auszudenken, ist man auf dem falschen Weg.

Es dauert ja, bis neue Wohnungen gebaut sind – und der Markt sich möglicherweise entspannen kann. Soll die Politik bis dahin einfach warten und hoffen? 
Mögliche Anpassungen im Mietrecht werden gerade so scharf diskutiert, dass es uns wirklich beunruhigen muss. Wenn solche Regelungen faktisch einen Mietenstopp bedeuten, wer soll denn dann noch auf die Idee kommen, neue Wohnungen zu bauen? Geschweige denn, wer Wohnungen hat, diese zu unterhalten? Ich weiß nicht, wie man das zusammenbringen soll.

Wie erklären Sie das Menschen, die keine Wohnung finden oder sich ihre nach einer Luxussanierung nicht mehr leisten können? 
Es gibt zugebenermaßen ein paar schwarze Schafe, die im Bereich der Wohnungsmodernisierung auffallen. Aber solche Einzelfälle führen dann zu reflexartigen Reaktionen in der Politik. Damit Menschen wieder leichter eine Wohnung finden, brauchen wir neue Wohnungen, wir müssen Bauen, Bauen, Bauen – und Bauen mit immer noch mehr Regulierungen, das schließt sich aus. 

Jetzt wollen Kanzlerin Angela Merkel und Bundesbauminister Horst Seehofer bei einem Wohnungsgipfel mit Verbänden wie Ihrem, Architekten, Gewerkschafts- und Mietervertretern Ideen finden, wie Bau- und Genehmigungsprozesse vereinfacht und beschleunigt werden können. Was würde dabei helfen? 
Das allerwichtigste ist die Vereinheitlichung der Landesbauordnungen. Die haben jetzt schon einen fachlich nahezu gleichen Teil – aber ein paar ideologische Ansätze, in denen sie sich unterscheiden. Was dazu führt, dass Bauunternehmen, die ja nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch in Hessen tätig sind, aufwendige Computerprogramme entwerfen müssen, weil sie 16 verschiedene Vorschriften einzuhalten haben.

„Wohnungsmangel besteht nur in den Städten“

Was ja durchaus aufgrund der regionalen Beschaffenheit Sinn ergeben kann, oder? 
Nun ja, um es mal so auszudrücken: Da müssen dann am Ende zum Beispiel irgendwelche Toiletten nicht 30 Zentimeter, sondern 40 Zentimeter von der Wand entfernt sein. Das ist natürlich absurd und sollte vereinheitlicht werden. 

Bauen, das betonen Sie, sei das Gebot der Stunde. Müsste statt einfach mehr nicht vielmehr schlauer gebaut werden, also zum Beispiel so, dass sich Wohnraum je nach Lebenssituation anpassen ließe?
Wohnungsmangel besteht ja nur in den Städten – das sind wahrscheinlich zwei, drei Prozent der Fläche in Deutschland. Wenn Sie aus den Ballungsräumen rausfahren, haben Sie eher ein anderes Problem: Leerstände in den Wohnungen. In den Städten jedenfalls haben wir nur zwei Möglichkeiten: verdichten, oder Stadterweiterung betreiben. Verdichten ist natürlich immer ökologisch wertvoller, weil man da nicht neues Land angreift. Damit beispielsweise Wohnraum auch da entstehen kann, wo sich schon Gewerbe angesiedelt hat, müssen aber endlich die Lärmvorschriften modernisiert werden…

…die eingeführt worden sind, um Menschen vor Krach zu schützen…
…ja, aber die Regeln stammen aus einer Zeit, als es noch Hochöfen in den Städten gab und sind bis heute unverändert. Antagonistisch ist, dass Straßenlärm privilegiert ist. Hätten wir die gleichen Vorgaben wie beim Straßenlärm für Gewerbe, hätten wir überhaupt keine Probleme für gemischte Siedlungen. Ein zweiter Punkt ist, seriell zu bauen. Es gibt Unternehmen, die könnten bis zu 700 Euro pro Quadratmeter weniger Kosten verursachen, weil sie immer wieder die gleichen Gebäude beziehungsweise Gebäudeteile bauen. Aber die dürfen das nicht.

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Warum nicht? 
Weil Beteiligte im Genehmigungsverfahren dann doch „Nein“ sagen und individuelle Änderungen wünschen, bevor eine Genehmigung erteilt wird – aus Angst um die Baukultur. Dabei hat modernes serielles Bauen eine gute Qualität und ist nicht zu vergleichen mit Plattenbauten aus den 60er oder 70er Jahren.

Herr Mattner, bei all Ihren Forderungen an die Politik: Was tun Sie als Immobilienwirtschaft, um die Lage auf den angespannten Mietmärkten zu verbessern? 
Viele Behörden, die Baugenehmigungen erteilen, verfügen nicht über ausreichend Personal, vor allem ausreichend qualifiziertes. Das sind dann Ingenieure und Architekten, aber ihnen fehlt die Kenntnis der Immobilienwirtschaft – und Genehmigungsprozesse dauern lange oder bleiben liegen. Daher sind wir bereit, bei Großprojekten höhere Gebühren zu zahlen, damit die entsprechende Kommune sich Spitzenleute leisten kann und Genehmigungsverfahren schneller zu bewältigen sind.

Sie könnten unter Verdacht geraten, sich die Baugenehmigungen erkaufen zu wollen. 
Das ist natürlich nicht so. Diese Leute stünden nicht auf unserer Lohnliste, sondern auf der der Kommune. Wenn sie über mehr Geld verfügen, könnten die Kommunen mit den Gehältern mithalten, die wir in unserer Branche den besten Leuten bezahlen. Und diese Spitzenleute würden dann Großprojekte begleiten. Aber damit eines klar ist: Es gibt keine Baugenehmigungen gegen Geld.

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