Zivilschutzkonzept Wie durch das Bohei um die Hamsterkäufe Panik entsteht

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"Die Menschen können bei Gewalt nur schwer wegsehen"

Das heißt der Rezipient wird immun gegen solche Mittel?
Im Allgemeinen ja, bei bestimmten Themen trifft das allerdings nicht zu. Wann immer es heißt, es gibt Tote, hat der Rezipient die Tendenz, es anzuklicken. Es ist tragisch, dass drei Deutsche im Ijsselmeer von einem Mast erschlagen wurden. Obwohl kaum Menschen davon betroffen sind, weil die meisten kein Segelboot haben und nicht am Ijsselmeer leben, wird darüber berichtet und es wird gelesen. Die Menschen können bei Gewalt und Tod nur schwer wegsehen.

Große Terroranschläge in Europa

Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigt, Medienberichterstattung verzerrt den Blick hin zum Negativen - auf Themen wie etwa die Mordrate in einem Land, die Zahl der Muslime, die Höhe der Jugendarbeitslosigkeit. Warum ist das so?
Die tatsächlichen Mordzahlen gehen zurück, die Angst vor Mord in der Bevölkerung steigt aber. Das ist hochinteressant. Gerade in dieser zeitlichen Entwicklung wird die Schere deutlicher. Meine These ist: Wenn nur ein Mord in Deutschland geschähe, würden die Medien 14 Tage darüber schreiben und die Bevölkerung wäre deutlich ängstlicher als aktuell.

Welcher Mechanismus steckt dahinter?
Negative Nachrichten erhalten mehr Aufmerksamkeit. Sie werden ausführlicher rezipiert, besser behalten und beeinflussen stärker wie Menschen Sachverhalte bewerten als positive Nachrichten. Angenommen Sie leben im Urwald. Dort sehen Sie eine Orchidee, über die können Sie sich freuen. Dann sehen Sie einen Tiger und fliehen. Die Flucht vor dem Tiger sichert ihr Überleben. Negative Informationen sind von größerer Relevanz als positive für uns Menschen.

So schützen sich große Flughäfen vor Terror

Dieser Drang nach negativen Nachrichten kann im Extremfall dazu führen, dass Journalisten - aber auch Politiker - zu voreiligen Schlüssen neigen. Etwa bei dem Amoklauf in München, der lange für einen Terroranschlag gehalten wurde.
So etwas ist gefährlich, weil es die Arbeit der Behörden und der Polizei ganz konkret behindert. Das zeigt noch einmal, was ich meine: Es wäre nie als Terrorakt interpretiert worden, wenn wir nicht vorher Terrorakte in Deutschland erlebt hätten. Wir bringen alle Ereignisse mit diesem Thema in Verbindung. Tötet ein türkischstämmiger Mensch seine Freundin, wird das aktuell überall aufgegriffen, weil es durch die Islamistenbrille betrachtet wird. Ansonsten wäre das im lokalen Raum berichtet worden, aber sonst eben nicht.

Lernen die Medien dazu durch die Häufung solcher Ereignisse?
Ich habe nicht den Eindruck. Das ganze System, die Abläufe, das Wertschöpfungsmodell, das dahinter steckt kann nicht dazu führen, dass die Medien lernen. Die wenigsten Journalisten warten ab, bis Informationen gesichert sind. Sie können das nicht, weil sie persönlich betroffen sind. Wer schnell liefert, profitiert über Klickzahlen und Reputation.

Das trifft doch nur auf einen Teil der Journalisten zu.
Es gibt Ausnahmen, aber an ihnen gesundet das System nicht.

Terroristische Einzeltäter in Europa

Hat die Panikmache konkrete Folgen?
Das sehe ich nicht, weil das Interesse meist schnell wieder abflaut. Ein gutes Beispiel dafür ist Griechenland. Die Krise dort wird heute kaum noch thematisiert, obwohl die Probleme noch genauso groß sind wie vor zwei Jahren. Genauso wird nach jedem Amoklauf eine Verschärfung der Waffengesetze gefordert und ein Verbot von Killerspielen. Letztlich passiert meist wenig, was ja auch gut so ist. Eine Gesellschaft kann sich ja nicht von solchen Einzelereignissen treiben lassen.

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