
Herr Professor Kritikos, Sie sind in Deutschland aufgewachsen, Ihr Vater stammt aus Griechenland. Wie sehr fühlen Sie sich dem Heimatland Ihres Vaters verbunden?
Alexander Kritikos: Ich bin halber Grieche und fühle mich Griechenland deshalb sehr verbunden. Ich bin oft dort, auch beruflich. Im Jahr 2000 habe ich etwa ein Jahr lang an der Universität in Athen gelehrt. Griechenland ist ein Teil meiner Heimat.

In Griechenland leben zehn Millionen Menschen. Zudem gibt es sieben Millionen griechische Auswanderer, die vor vielen Jahren oder Jahrzehnten ihr Land verlassen haben. Sie fordern, dass die griechische Diaspora den Transformationsprozess unterstützt. Wie soll das funktionieren?
Die griechische Diaspora kann zu einem zentralen Faktor werden, die massiven Probleme in Griechenland zu lösen. Im Kern ist hier die intellektuelle Elite gefragt, die im Ausland forscht oder unternehmerisch tätig ist. Laut einer Studie der Universität Stanford machen die Griechen 0,2 Prozent der Bevölkerung aus, aber drei Prozent der Top-Forscher sind griechisch-stämmig. Es gibt ein großes wissenschaftliches, aber auch ein ebenso großes unternehmerisches Potenzial.
Zur Person
Alexander Kritikos, Jahrgang 1965, ist seit 2011 Forschungsdirektor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Er hat eine Professur für Industrie- und Institutionenökonomie an der Universität Potsdam inne.
Was können die Exil-Griechen konkret tun?
Es gibt drei große Defizite. Griechenland leidet unter extremer Überregulierung, einem Mangel an Kapital und einer schlecht ausgeprägten Innovationskultur. In allen drei Bereichen könnte die Diaspora ansetzen.
Und wie?
Beispiel Innovation: In Griechenland durften Forschungsergebnisse lange Zeit nicht in Produkte und Dienstleistungen umgesetzt werden. Zwar wurden die Gesetze inzwischen geändert, so dass das möglich ist. Aber kein Mensch weiß davon. Das über Jahre verinnerlichte Tabu lebt in den Köpfen der Griechen weiter.
Griechische Forscher und Unternehmer im Ausland könnten hier Initiative ergreifen und versuchen, einen Innovationsprozess in Gang zu setzen. Sie haben in ihrer „zweiten“ Heimat erlebt und häufig auch aktiv bei solchen so genannten Wissenstransfers mitgewirkt und wissen, wie so etwas geht.





Das heißt, sie müssten dann auch nach Griechenland zurückkehren – und zwar dauerhaft!
Nicht unbedingt. Es gibt viele Möglichkeiten, sich einzubringen. Die griechischen Top-Wissenschaftler, die beispielweise in den USA, Australien und Europa forschen, könnten zeitlich befristete Lehr- und Forschungseinsätze von etwa drei Monaten absolvieren. So würden sie Know-how nach Griechenland bringen und Kontakt zur nachwachsenden Elite aufbauen.