Dürfen Regierungen Sparer enteignen? Darf die nationale Notenbank Konten sperren?
Das Gespenst der Enteignung von Sparguthaben geht nun um. Dabei ist zunächst einmal die geplante Zwangsabgabe von einer vollständigen Enteignung zu unterscheiden. Die Zwangsabgabe auf Sparguthaben auf Zypern ist eher mit einer Sondersteuer gleichzusetzen – denn sie nimmt den Bürgern nicht alle Ersparnisse, sondern beansprucht eine staatliche Abgabe auf Vermögen. Selbstredend dürfen Staaten nach eigenem Ermessen und im Rahmen der verfassungsgemäßen Voraussetzungen alle Arten von Steuern erheben. Auch in Zypern muss erst das Parlament die Maßnahme billigen und ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Vor allem wird dort zu klären sein, welche Sparer wie viel zur Rettung Zyperns zahlen sollen. Diese Details müssen von Zyperns Parlament abgesegnet werden. Dann aber sind die Maßnahmen rechtens.
Auch andere europäische Regierungen dürfen auf die Vermögen und Ersparnisse ihrer Bürger zugreifen, solange sie die parlamentarischen Hürden und rechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Allerdings betrifft die Zwangsabgabe im Fall Zyperns nicht wie üblich Einnahmen, Gewinne und Ausgaben der Bürger, sondern ihre bestehenden Ersparnisse – und kann daher durchaus als ein Angriff auf die Eigentumsrechte der Sparer angesehen werden. Doch selbst Enteignungen sind im heutigen Europa durchaus üblich und legal – etwa beim Bau großer Infrastrukturprojekte. Der Eigentümer des alten Häuschens, das der Autobahn im Wege steht, kann vom Staat enteignet werden. Der Hauseigentümer hat jedoch einen Anspruch auf Entschädigung. Die Höhe der Entschädigung muss im Zweifel ein Gericht klären.
Wenn die Bank Pleite geht
Tages- oder Festgeld gilt als sichere Anlage. Doch was passiert, wenn eine Bank pleitegeht? In der gesamten Europäischen Union gilt ein gesetzlicher Entschädigungsanspruch von 100 000 Euro pro Anleger.
Deutschland gibt es darüber hinaus freiwillige Einlagenschutzsysteme, die noch größere Entschädigungssummen versprechen. Darauf gibt es aber keinen Rechtsanspruch.
Bankkunden sollten vorab prüfen, bei welchem Einlagensicherungssystem ein Institut überhaupt registriert ist. Denn es gibt einige Banken, die sich dem Einlagensicherungsfonds anderer Länder angeschlossen haben. Die Bigbank gehört zum Beispiel dem estnischen Einlagenschutzfonds an, die IW Bank, eine Tochter der Ubi Banca, ist dem italienischen Fonds angeschlossen. Die VTB Direktbank – nicht zu verwechseln mit der VTB Bank Deutschland – ist Österreichs Einlagensicherungssystem angegliedert.
Solche Aspekte sind wichtiger geworden, seit wegen der Staatsschuldenkrise die Zahlungsfähigkeit ganzer EU-Staaten angezweifelt wird. Denn es gibt kaum einen Einlagensicherungsfonds, der die Pleite einer großen Bank ohne Staatshilfe überstehen könnte. Selbst der Einlagensicherungsfonds der deutschen privaten Banken benötigte öffentliche Gelder, als die Deutschland-Tochter der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008 Insolvenz anmeldete. „Deshalb ist die Frage wichtig, ob der jeweilige Staat finanzkräftig genug ist, um notfalls für das Einlagensicherungssystem einzustehen“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Der Verbraucherschützer rät Anlegern deshalb, darauf zu achten, dass eine Bank den Schutz der deutschen Einlagensicherung anbietet: „Die implizite Staatsgarantie Deutschlands ist höher zu bewerten als die von vielen anderen europäischen Staaten.“ Ein weiterer Vorteil: Der Schriftverkehr mit den Behörden erfolgt im Entschädigungsfall auf Deutsch.
Zentralbanken sind es in aller Regel nicht, die Konten von Sparern sperren lassen. Vielmehr sind es die Regierungen, die das gegebenenfalls mit Hilfe der Zentralbanken durchsetzen. So sieht etwa im deutschen Recht § 47 Kreditwesengesetz vor, dass die Bundesregierung im Falle „schwerwiegender Gefahren für die Gesamtwirtschaft“ und insbesondere für den geordneten Zahlungsverkehr ein Moratorium im Bankensektor erlassen kann. Dazu genügt eine Rechtsverordnung der Regierung, ein parlamentarischer Beschluss ist also nicht nötig. Per Anordnung darf die Regierung die Kreditinstitute für den Kundenverkehr vorübergehend schließen, den Zahlungsverkehr untersagen und diese Maßnahme auch auf einzelne oder Gruppen von Banken sowie bestimmte Bankgeschäfte beschränken. Außerdem darf die Regierung die Börsen schließen. Gedacht ist dieses Moratorium zunächst als Erste-Hilfe-Maßnahme. Daher darf sie nach deutschem Recht auch nur vorrübergehend sein. Wie lange „vorübergehend“ dauern kann, ist im Gesetz nicht weiter spezifiziert.
Ist so etwas auch in Deutschland möglich?
Eine Zwangsabgabe gab es auch in Deutschland schon. 1952 erließ die Bundesregierung das Lastenausgleichsgesetz. Damit sollten Bürger, die im zweiten Weltkrieg Vermögensschäden oder besondere andere Nachteile erlitten hatten, eine finanzielle Entschädigung erhalten. Für die Finanzierung wurde im Lastenausgleichsgesetz festgelegt, dass jene, denen nach dem Krieg erhebliches Vermögen geblieben war – insbesondere durch Immobilienbesitz – die Hälfte des errechneten Vermögenswertes abgeben mussten. Die Zahlungen konnten aber auf 30 Jahre gestreckt werden, so dass die jährliche Rate in der Regel durch den jährlichen Kapitalertrag bestritten werden konnte. So litt die Vermögenssubstanz in der Regel nicht, dafür aber die Kapitalerträge.