Daniel Stelter „Italien ist ein reiches Land. Warum sollten wir dafür zahlen?“

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Gelten wir nicht zu Recht als reicher Exportweltmeister?

Wir haben zwar die höchsten Außenhandelsüberschüsse, legen das Geld aber schlecht an. Wir haben auch keinen Staatsfonds wie Norwegen, die Schweiz oder Singapur. Unsere Notenbank kauft auch keine vernünftigen Vermögenswerte wie die Schweizer Nationalbank, die etwa Apple-Aktien kauft. Die Italiener aber wissen, dass wenn sie aus dem Euro austreten, es erhebliche negative Effekte für alle Eurostaaten gäbe. Für Italien ist es also optimal, uns zu erpressen. Und die Chancen auf Erfolg stehen für das Land gut. Am Ende wird es einen Formelkompromiss geben, den wieder nur die Ökonomen verstehen. Aber damit sind die Probleme nicht gelöst, sondern werden weiter verschleppt. Damit unterminieren wir unseren Wohlstand massiv, und das ohne richtige Gegenleistung.

Wir sind also schon längst in einer Transferunion für Staatsschulden?
Im Grunde sind in Brüssel alle froh, dass die EZB über die Hintertür die Sozialisierung in Europa über billige Zinsen oder den Aufkauf der Wertpapiere herbeiführt. Und logischerweise wird die EZB den Euro immer erhalten wollen und daher zu Maßnahmen greifen, die erst hinterher von Gerichten für legal erklärt werden. So gesehen halten sich die Italiener mit ihrem Defizit im Grunde sogar zurück, die könnten noch viel höhere Schulden planen. Ich glaube deshalb, dass die EZB wie Japan in immer größeren Stil Staatsanleihen und Wertpapiere aufkaufen wird, bevor es zum Schuldenschnitt oder dem Erlass von Target-Schulden kommt. Davon werden die Krisenländer natürlich überproportional profitieren, unser Anteil wird da eher schrumpfen. Damit wäre der Euro nur trotzdem noch nicht gerettet, weil Gelddrucken allein noch keine Produktivität schafft. Das dient nur der Illusion, dass die Schulden noch bedienbar sind.

Ist der Euro denn noch zu retten?
Die Spannungen in Europa werden zunehmen, weil das grundlegende Versprechen der EU, dass wir alle unseren Wohlstand mehren, nicht erfüllbar ist. Italien ist nur der Anfang. Lösen lässt sich das theoretisch nur durch einen Schuldenerlass – zum Beispiel über Abschreibungen in der EZB-Bilanz – in Kombination mit einer verkleinerten Eurozone. Das wäre rational. Aber es ist politisch nicht mehr darstellbar, dafür gibt es mit Salvini und anderen Staatschefs keine Mehrheit. Auch wird keiner zugeben, dass der Euro ein Konstrukt ist, dem die ökonomischen Grundlagen fehlen und Probleme verschleppt wurden. Also setzen alle auf das Prinzip Hoffnung bis zum Ende ihrer Amtszeit. Insbesondere solange die Bevölkerung weiter zum Euro steht, wird der Euro nicht fallengelassen.

Ziehen für Anleger also wieder dunklere Wolken herauf? Etwa durch einen Schuldenerlass für Italien?
Die meisten italienischen Staatsanleihen gehören den Italienern, die würden dann massiv verlieren. Rom will deshalb keinen direkten Schuldenerlass, sondern - darauf wird es hinauslaufen – lieber mit irgendwelchen Buchhaltungstricks seine Schulden auf die EZB verschieben. Dort können sie bis in alle Ewigkeit bleiben. Schon die Spanier haben ihre Banken mit einer EZB-finanzierten Bad Bank gerettet. Die Iren haben sich mit Staatsanleihen refinanziert, die komplett von der irischen Notenbank mit frischem EZB-Geld gekauft wurden. Zudem sind das ewige Anleihen, die nie fällig werden, damit war das Problem gelöst. Warum also soll Italien das nicht dürfen? Wir müssen uns allerdings fragen, warum sich die Deutschen dann mit der schwarzen Null kasteien? Wir haben kaputte Brücken und müssten dringend in Bildung investieren. Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten auch Schulden machen, um unseren Anteil zu bekommen. Das könnte natürlich auch den Wert des Euro drücken, aber dann zahlen über die Geldentwertung alle Euro-Staaten den Preis dafür.

Sollten Anleger dann nicht auch Schulden machen?
Erstens: Sparer und Anleger sollten natürlich ihr Geld international diversifiziert anlegen und nicht nur in Europa oder gar nur Deutschland. Das ist ganz entscheidend. Zweitens wissen wir nicht, welchen Abgaben uns noch drohen. Es gibt auf der Welt meines Erachtens keinen sicheren Platz. Sparen in Geldvermögen ist jedenfalls eine ziemlich dumme Idee, insbesondere heute. Also sollte man in Aktien, Unternehmensbeteiligungen sowie Immobilien investiert sein, und nicht in Anleihen und Geld. Schulden machen wäre aber nur dann richtig, wenn sicher wäre, dass morgen eine hohe Inflation – ich meine deutlich mehr als fünf Prozent – kommen würde. Kommen aber eher neue Steuern und Abgaben, kann einem eine zu hohe Verschuldung auch das Genick brechen. Wenn Schulden, dann nur im moderaten Rahmen. Ansonsten ist Gold immer eine Versicherung, um großen Wertverlusten vorzubeugen. Gerade jetzt, denn ich sehe für Anleger hochriskante Zeiten heraufziehen.

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