Der Jubel ist groß. Das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten haben sich auf den Chips Act geeinigt: ein Gesetz, mit dem Europa seinen Rückstand in der Halbleiterproduktion aufholen will. „Dies erlaubt uns, unsere Lieferketten zu sichern und unsere gemeinsame Abhängigkeit von Asien zu reduzieren“, feierte EU-Digitalkommissar Thierry Breton den Durchbruch bei den Verhandlungen.
Doch wie gut ist der Chips Act wirklich? Es ist unwahrscheinlich, dass Europa mit diesem Instrument sein erklärtes Ziel erreichen wird. Die EU soll damit, so hatte es EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) erklärt, ihren Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion auf 20 Prozent verdoppeln. Solche numerischen Vorgaben lassen sich nur schwer durch staatliche Eingriffe erreichen.
Zumal das zentrale Versprechen des Chips Act ein leeres ist. 43 Milliarden Euro soll das Gesetz mobilisieren, so wurde es in Brüssel verkündet. Diese beeindruckende Summe rechnet aber nationale Subventionen und private Investitionen hoch. Aus dem EU-Haushalt werden lediglich 3,3 Milliarden Euro kommen, und auch dabei handelt es sich nicht um frisches Geld. Die Mittel werden an anderer Stelle fehlen. Der Chips Act ist eine Mogelpackung.
Sicherlich, das Gesetz erlaubt nationalen Regierungen, großzügige Subventionen auszuzahlen für innovative Fabriken („first of a kind“). EU-Länder bekommen somit mehr Beinfreiheit. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck habe sich dafür bei von der Leyen starkgemacht, heißt es in Brüssel. Gerade in Ostdeutschland hat das die Hoffnung genährt, die ganz großen Player der Branche in die Region zu holen. Intel hat den Bau einer Fertigungsstätte in Magdeburg angekündigt. Der taiwanesische Branchenprimus TSMC verhandelt über eine Ansiedlung in Dresden.
Die langwierigen Verhandlungen mit Intel zeigen zudem, dass die Ansiedlung von Halbleiterproduktion kein Selbstläufer ist. Intel hat zunächst sechs Milliarden Euro an Subventionen von der Bundesregierung gefordert, hält nun aber noch stärker die Hand auf. Von Forderungen nach zehn Milliarden Euro ist die Rede.
Somit würden in Magdeburg extrem teure Arbeitsplätze entstehen. Bei bis zu 3000 neuen Jobs, die Intel in Magdeburg schaffen will, bedeutet das eine Förderung von über drei Millionen Euro pro Arbeitsplatz. Ein hoher Preis, den nicht jeder in der Bundesregierung für angemessen hält. Kritiker weisen zudem darauf hin, dass die Chips, die in Magdeburg entstehen, gar nicht in Deutschland verwendet würden, weil sie etwa in die Handyproduktion gehen. Deutsche Automobilhersteller, die während der Pandemie unter der Chipknappheit litten, brauchen größere, weniger moderne Chips.
In kleineren europäischen Ländern wächst die Sorge, dass die Ungleichheit in Europa zunimmt, wenn Regierungen mehr Freiheit beim Verteilen von Subventionen bekommen. Große Staaten haben größere Budgets.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Europa überhaupt in das weltweite Subventionswettrennen um die Chipfertigung einsteigen soll. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) argumentiert, dass Europa ohnehin schon sehr spät dran ist. Die USA haben bereits 53 Milliarden Dollar an Subventionen für die Chipherstellung angekündigt und haben zusätzlich 200 Milliarden Dollar an öffentlichen Geldern für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich bereitgestellt. Es ist ein Wettlauf, den Europa nicht gewinnen kann. Frisierte Zahlen können darüber nicht hinwegtäuschen.
Lesen Sie auch: Intels Milliardeninvestition: Wer bietet mehr?