Europäische Investitionsbank Olaf Scholz lässt die EIB nicht zur grünen Bank werden

Olaf Scholz Quelle: dpa

Die Europäische Investitionsbank möchte grün werden und aus dem Gasgeschäft aussteigen. Ein unterstützenswertes Projekt. Doch der deutsche Finanzminister blockiert es, um Hintertüren für Gasfinanzierungen offenzuhalten. Ein Gastbeitrag.

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Seine Rolle in Europa muss Olaf Scholz dieser Tage mehr als unangenehm sein. So sehr versucht er kurz vor der Wahl um die SPD-Spitze, sein Spiel als Blockierer von echtem klimapolitischen Fortschritt in Europa zu kaschieren. Und, tatsächlich, bisher scheint es zu funktionieren, so erschreckend unbeachtet bleibt die anstehende Entscheidung in der Europäischen Investitionsbank (EIB). Die größte multilaterale Bank der Welt möchte nämlich zur Klimabank werden. Und die Chancen stehen gar nicht so schlecht – wäre es nicht um ein paar Stimmen, die auf dem besten Wege sind, diesen historischen Aufschlag zu ersticken. Allen voran Finanzminister Scholz, der noch im September die Klimapolitik zur Koalitionsfrage erklärte.

Im Sommer überraschte die europäische Hausbank EIB mit einem Vorschlag für eine neue Energierichtlinie. Die Bank will Europa beim Umbau der Wirtschaft und Energieversorgung entsprechend den Pariser Klimazielen helfen. Sie hat erkannt, dass sie dazu keine Kredite mehr für fossile Energieträger vergeben darf und stattdessen ihre begrenzten öffentlichen Gelder einsetzen muss, um erneuerbare Energien auszubauen und für mehr Energieeffizienz zu sorgen. An diesem Donnerstag, dem 14. November, könnte die Entscheidung fallen.

Dass eine öffentliche Bank tatsächlich den Hochsprung wagt, ist bemerkenswert – bisher gingen die multilateralen Banken der Welt beim Klimaschutz, trotz aller schönen Worte, nur tänzelnd voran. So auch die EIB: In den letzten sechs Jahren hat sie über 14 Milliarden Euro allein für Gasprojekte vergeben, darunter für so umstrittene Gaspipelines wie den Südlichen Gaskorridor, eine „CO2-Bombe“ wie aus dem fossilen Bilderbuch, und, ganz nebenbei, ein Projekt, das das autoritäre Regime des aserbaidschanischen Präsidenten stärkt und schon jetzt in Italien zu breiten Protesten führt.

Die öffentliche Debatte geht zum Glück in die entgegengesetzte Richtung. Von „Klimaneutralität“ spricht man immer selbstverständlicher. Dass das bedeuten muss, neben Kohle auch aus der Finanzierung von Öl und Gas auszusteigen, versteht sich von selbst. Es ist zwar richtig, dass die Verbrennung von Gas im besten Falle nur halb so viele CO2-Emissionen freisetzt wie bei der Verbrennung von Kohle. Doch entstehen die Probleme bei der Gasverbrennung auch an anderen Stellen – etwa bei der Förderung und im Transport, wobei Methan freigesetzt wird. CO2 bleibt CO2 und Methan bleibt Methan – beides produzieren Erdgasfelder, Pipelines, LNG-Anlagen und Gaskraftwerke in gewaltigen Mengen. Je nach Standort sind die Methan-Lecks so groß, dass Gas in der Klimabilanz auf das Niveau von Kohle zurückfällt. Auch ich fände es großartig, könnte Gas bedenkenlos als „Übergangs-Energiequelle“ gehandelt werden. Aber so leicht ist es nicht. Und schummeln funktioniert in der Klimaphysik eben nicht – auch wenn die Gas-Lobby diese unbequemen Wahrheiten gerne verschleiert.

Schade nur, dass die Mitgliedsstaaten der EU, denen die EIB gehört, diese physikalischen Fakten ignorieren. Seit der Entwurf für die Energierichtlinie auf dem Tisch liegt, streiten sie sich. Einigen geht der Vorschlag zu weit. Neben osteuropäischen Ländern und EU-Kommission ist das auch Deutschland. Leider geht es der Bundesregierung nicht um Nachhaltigkeit bei der Kritik an der Energierichtlinie. Sie stellt sich gegen den Ausstieg der Bank aus der milliardenschweren Gas-Finanzierung, der laut Entwurf ohnehin erst ab 2021 gelten soll. In den vergangenen Wochen hat sich die Bundesregierung dafür stark gemacht, dass Gasprojekte weiter finanzierbar bleiben. Eingeschränkt zwar, aber eben doch weiter möglich. Hauptverantwortung aus deutscher Sicht trägt Olaf Scholz, dessen Finanzministerium für Deutschland in der EIB mitentscheidet.

Merkwürdigerweise sagt die Bundesregierung ja auch, sie befürworte grundsätzlich eine fossilfreie EIB. Wie das mit weiterer Gasfinanzierung zusammengehen soll, das weiß wohl nur die Bundesregierung allein. Damit droht ein Sieg der europäischen Gas-Lobby. Die ist gerade sehr erfolgreich darin, der Öffentlichkeit weiszumachen, sie sei eine Klimaschutz-Industrie. Dabei wissen die Konzerne und ihre politischen Fürsprecher sehr genau: Dem Klima ist es egal, ob ein Kohlendioxid-Molekül aus dem Schlot eines Kohle- oder eines Gaskraftwerks gepumpt wird. Beides verschärft den Klimawandel. Wir brauchen also einen echten Fossil-Ausstieg, so schnell wie möglich. Was uns dabei nur im Wege stünde, wäre ein weiterer Ausbau fossiler Infrastruktur, mit denen uns die Betreiber in jahrzehntelanger fossiler Abhängigkeit halten könnten.

Beim genaueren Blick gibt es nur einen guten Grund, aus dem die Bundesregierung den Entwurf für die EIB-Energierichtlinie kritisiert. Denn Atomfinanzierung soll wie bisher möglich bleiben. Eine zurückhaltende Kreditvergabe der EIB im Atom-Bereich in der Vergangenheit ist keine Garantie dafür, dass die Bank in Zukunft genauso handelt. Hier muss der Entwurf also in der Tat besser werden. Kontraproduktive Spielräume für Gas kann es aber nicht geben.

Nachdem die Regierung mit dem Klimapaket das wohl schlechteste Klimaprogramm der Geschichte verabschiedet hat, droht sie nun damit die nächste Klimabaustelle zu versägen. Dabei hätte eine fossilfreie EIB Signalwirkung für das gesamte Finanzsystem – ein großer Schritt, der mit relativ wenig Aufwand erreichbar ist. Wenn die deutsche Regierung auch nur einen Funken klimapolitischen Verantwortungsbewusstseins übrig hat, darf sie an dieser Stelle nicht weiter blockieren. Die Bundesregierung könnte einen einzigartiger Erfolg für zukunftsweisende EU-Finanzpolitik ermöglichen – oder eine Chance vertun, in Zeiten, die keine weiteren vertanen Chancen mehr vertragen.

Wenn sich Scholz nur trauen würde, könnte er tatsächlich glänzen, und kurz vor der Stichwahl zum SPD Parteivorsitz ein beispielloses Signal senden, Zukunftsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein auch als Finanzpolitiker in der Klimakrise beweisen. Bisher sieht es so aus, als würde er das verpassen, und die massiven Widersprüche zwischen Ankündigungen von „großen klimapolitischen Würfen“ in Deutschland und Blockiererei mit Blick nach Europa aufrechterhalten. Auch er trägt dazu bei, dass die Klimabewegung in Deutschland immer leichter vor dem nächsten globalen Streik am 29.11. auch gegen das „weiter so“ einer offensichtlich dysfunktionale GroKo und unerträgliche Scheinheiligkeit im Klimaschutz mobilisiert.

Wir hatten keine Idee, worauf wir uns einlassen würden, als wir das erste mal zu „Fridays for Future"-Streiks in Deutschland aufriefen. Damals, am 14. Dezember 2018, als wir das erste mal streikend in 14 Städten in ganz Deutschland echte Klimapolitik einforderten, schien alles so leicht. Ich hätte niemals gedacht, dass wir heute immer noch auf den Straßen stehen würden und für die Einhaltung internationaler Abkommen protestieren, die die Bundesregierung selbst verabschiedet hat. Es ist bitter zu erleben, wie Woche für Woche und Monat für Monat mehr Menschen erreicht und inspiriert werden, sich für das Klima einzusetzen, und gleichzeitig, Stück für Stück, der Berg an Ausreden, Verdrängung und vertanen Chancen wächst.

Es wirkt beinahe schicksalhaft, dass sich exakt 11 Monate nach unserem ersten Streik, am 14. November, erneut ein historisches Fenster öffnet, eine Antwort zu formulieren -  auf all das, was wir und so viele andere in Europa und in der ganzen Welt losgelöst haben.

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