Freihandelsabkommen Warum TTIP tot ist – fünf Gründe

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3. Der verpasste Neustart

Während in der Münchner Innenstadt 40.000 Menschen vor US-Chlorhühnchen, undemokratischen Geheimgerichten und Milliardenprofiten für US-Konzerne warnen, schweigen die mächtigsten Staats- und Regierungschefs. Im Juni 2015 kommen sie zum G7-Treffen auf Schloss Elmau zusammen. Über TTIP sprechen sie (nach außen) nicht. Kein Dialog – das ist die Botschaft, die bei den Gegnern ankommt. Sven Giegold bestärkt das in seinem Protest. „Wir fordern, dass unsere Demokratie umfassend frei bleibt, Regeln zu erlassen und zu ändern. Offene Märkte brauchen immer einen vernünftigen Ausgleich.“

Ein Jahr später, April 2016. Bei der Hannover-Messe leisten Angela Merkel und Barack Obama einen TTIP-Schwur. Deutschland, sagt die Kanzlerin bei der Eröffnungsparty, wolle mit TTIP die Industrie stärken: „Wir haben ein einzigartiges Zeitfenster, wenn es um TTIP geht.“ Wie sie die Deutschen davon zu überzeugen gedenkt freilich, sagt sie nicht.

4. Intransparenz statt Bürgerbeteiligung

Wenige Tage nach dem Auftritt von Obama und Merkel in Hannover veröffentlicht Greenpeace Geheimdokumente aus den Verhandlungen zwischen USA und EU, die sogenannten #ttipleaks. Interessierte Bürger konnten die online oder in einem Glaskasten vor dem Brandenburger Tor studieren. „Die Leute konnten zum ersten Mal schwarz auf weiß lesen, wer was fordert“, sagt Stefan Krug, der das Berliner Büro der Umweltorganisation leitet. „Jeder konnte selbst nachvollziehen, wie lächerlich die Geheimnistuerei der EU-Kommission ist.“

Die TTIP-Befürworter tappen in eben jene Falle, die Greenpeace ihnen stellt. Anstatt die Leaks als Chance zu begreifen, um in einem Dialog mit den Gegnern einzutreten, betonen sie, dass der Erkenntnisgewinn marginal sei. „Wenn das alles schon bekannt gewesen wäre, hätte die Kommission die Texte wohl kaum vor der Öffentlichkeit verborgen“, hält Krug dagegen „Die Unterlagen müssten auch künftig für jedermann öffentlich gemacht werden.“ Ein Punkt für die Gegner – wieder einmal.

5. Das Mega-Abkommen ist der falsche Ansatz

Nach Jahren des Verhandelns und Dealens stellt sich eine ganz grundsätzliche Frage. Die, ob derlei Großprojekte wie Ceta und TTIP in Zukunft überhaupt noch machbar sind. Ob es solche Blockbuster braucht, die alles auf einmal regeln. Oder ob man nicht über einen vollkommen neuen Prozess nachdenken sollte, der öffentlich, fair und transparent ist. Der die Menschen versucht, einzubeziehen, ohne der Politik ihr berechtigtes Gestaltungsmandat zu nehmen. Der erklärt und diskutiert wird – und am Ende tatsächlich einen „gerechteren Welthandel“ produziert, mit mehr Wohlstand auf beiden Seiten des Atlantiks.

Für Freihandelsexperte Rolf Langhammer ist die Antwort klar: „Rückblickend war der Ansatz, ein derart komplexes Abkommen in einem Zug verhandeln zu wollen, falsch. Das Prinzip – nichts ist entschieden bis nicht alles entschieden ist – führt in eine Sackgasse.“ Die Zeit der großen Abkommen ist für ihn vorbei. Sein Vorschlag: Kleine Häppchen. Wenn man sich bei einem Thema einig ist, wird dieser Teil bereits in Kraft gesetzt und die Verhandler gehen zum nächsten Thema.

Vielleicht wäre es tatsächlich die zeitgemäßere Variante. Auch in der Wirtschaft setzt sich ja mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass überkomplexe Mammutprojekte eher scheitert – und man mit kleinen, verständlichen Lösungen mitunter weiter kommt. Also: Kleinere Kapitel, mehr Öffentlichkeit, direktere Mitbestimmung der Mitgliedsstaaten. Allerdings bräuchte es dazu ein komplett neues Verhandlungsmandat. Es wäre ein Projekt für eine weitere Dekade. Ein Versuch. Nur eines scheint klar nach fast zehn Jahren Verhandlungen: weiter wie bisher geht es nicht.

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