Gaskrise Das ist der Vorschlag zur Gaspreisbremse

Zur Entlastung der Gaskunden hat die Expertenkommission zur Gaspreisbremse der Bundesregierung ein Stufenmodell vorgeschlagen. Quelle: dpa

Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen können im Dezember auf eine weitere Entlastung bei den Gaspreisen hoffen. Die Details der von einer Expertenkommission vorgeschlagenen Gaspreisbremse sind nun bekannt. Beschlossen ist sie damit aber noch nicht.

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Mit einem Zwei-Stufen-Plan will die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission Verbraucher und Wirtschaft bei den Gas- und Fernwärmepreisen um etwa 96 Milliarden Euro entlasten. In einem ersten Schritt soll der Staat im Dezember einmalig die monatliche Abschlagzahlung auf Gas oder Fernwärme übernehmen. Ab März 2023 bis Ende April 2024 soll dann eine Gaspreisbremse greifen, die für Industriekunden schon ab Januar einsetzt. „Wir wollen in der Entlastungswirkung schnell sein“, sagte der Co-Vorsitzende der Kommission, IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis. In welchem Umfang die Empfehlungen umgesetzt würden, liege nun in den Händen der Bundesregierung, sagte der Co-Vorsitzende, BDI-Präsident Siegfried Russwurm.

Die Bundesregierung will die Vorschläge zur Gaspreisbremse zügig prüfen und über die Umsetzung beraten. Das erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag. Er betonte, dass das Kanzleramt gemeinsam mit den Ministerien für Wirtschaft und Finanzen sehr zügig an der Umsetzung arbeiten werde. Die Kommission habe trotz des engen Zeitplans eine sehr gute Grundlage erarbeitet. „Unser Ziel ist klar: Die hohen Gaspreise zu senken und zugleich eine sichere Versorgung mit Gas zu gewährleisten“, erklärte Hebestreit. Dazu gehöre auch der sorgsame Umgang mit dem knappen Gas.

Welche Vorschläge die Regierung in die Tat umsetzen werde, sei offen. Es sei unter anderem eine europarechtliche Prüfung nötig, sagte der Regierungssprecher. Wichtig sei es, dass die beiden Energiepreisbremsen für Gas und Strom „zusammengedacht“ würden. Bis zu den Länderberatungen am Ende der kommenden Woche sollten die verantwortlichen Ministerien über den Stand der Umsetzung berichten.

Grünen-Chef Omid Nouripour deutete an, dass die Ampel-Koalition noch in dieser Woche Konsequenzen aus dem Vorschlag der Expertenkommission zur Gaspreisbremse ziehen will. „Ich gehe davon aus, dass die politische Auswertung dessen, was heute vorgestellt worden ist, diese Woche noch erfolgt“, sagte Nouripour am Montag. „Wir wissen, dass da Handlungsdruck ist.“ Auch nach drei Entlastungspaketen wollten die Menschen wissen, wie es mit den Gaspreisen weitergehe.

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kündigte an, die Koalition aus SPD, Grünen und FDP werde die Vorschläge sichten, dann aber „sehr rasch und weitgehend“ umsetzen. Die über 20 Mitglieder der Kommission unter Vorsitz von Vassiliadis, Russwurm und der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm hatten in einer Nachtsitzung bis zum Sonnenaufgang an ihrem Konzept gefeilt. Um 06.25 Uhr habe das Ergebnis vorgelegen, sagte Vassiliadis. „Wir haben gerungen, aber wir haben ein Ergebnis erreicht, das wir für belastbar halten“, sagte BDI-Präsident Russwurm. Deutschland drifte in eine Rezession. Daher sei das Anliegen der Regierung richtig, die Belastung der Industrie durch hohe Gaspreise zu dämpfen.

Stütze für die Konjunktur

Verbraucher sowie kleine und mittlere Unternehmen würden demnach im Dezember um etwa fünf Milliarden Euro entlastet, indem der Staat ihre monatliche Abschlagszahlung auf die Gas- und Fernwärmerechnung übernimmt. Für sie soll ab 1. März dann der Gaspreis für einen Grundbedarf von 80 Prozent des Verbrauchs bei zwölf Cent pro Kilowattstunde begrenzt werden, bei Fernwärme auf 9,5 Cent. „Man bekommt also jeden Monat einen staatlichen Zuschuss auf die Abschlagszahlung“, erläuterte Grimm die Preisbremse. Alle drei Vorsitzenden unterstrichen, dass gleichzeitig beim Gasverbrauch gespart werden müsse. Wenn im Vergleich zum Vorjahr der Gasverbrauch nicht um etwa 20 Prozent verringert werde, drohe im Winter eine Gasmangellage. Dann müsste das Gas für die Industrie womöglich rationiert werden.

Für etwa 25.000 industrielle Kunden soll der Beschaffungspreis beim Gas bereits ab Januar bei sieben Cent gedeckelt werden. Dies sei der Nettopreis, der laut Russwurm etwa den zwölf Cent brutto für Privathaushalte entspricht. Auch hier soll es einen Sparanreiz geben indem nur für 70 Prozent des Verbrauchs der Preis gedeckelt wird. Die Entlastungen summieren sich nach Angaben der Kommission auf etwa 96 Milliarden Euro bis Ende April 2024. Die genaue Höhe hänge letztlich von der Entwicklung des Gaspreises ab. Davon entfallen laut Vassiliadis etwa fünf Milliarden auf die Dezember-Entlastung, danach etwa 60 Milliarden Euro für Haushalte und Kleingebewerbe sowie etwa 25 Milliarden Euro für die Industrie.

Dem Vergleichsportal Verivox zufolge könnte die Gaspreisbremse die Gaskosten um rund 41 Prozent senken. Bei einem Einfamilienhaus mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden müssten ohne Gaspreisbremse derzeit im Jahr rund 4108 Euro bezahlt werden. Mit der geplanten Deckelung auf zwölf Cent je Kilowattstunde für 80 Prozent des Verbrauchs würde die Rechnung nach aktuellen Preisen um 1366 Euro auf 2742 Euro sinken - eine Ersparnis von 33 Prozent. Wenn der Staat eine Abschlagszahlung von rund 342 Euro im Monat übernehme, sinke die Rechnung von 4108 Euro auf 3766 Euro - eine Ersparnis von acht Prozent.

Gaspreis: Was der Großhandel mit dem Endkundenpreis zu tun hat

Kritik an dem Modell kam von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Es sei nicht ausreichend sozial ausgewogen, sagte Gewerkschaftschef und Kommissionsmitglied Frank Werneke am Montag laut Mitteilung. „Durch das Modell wird eine Zweizimmerwohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool.“

Um Haushalte mit geringen bis durchschnittlichen Einkommen nicht zu überfordern, müsste es eine Grundmenge pro Haushalt, zum Beispiel mit 4000 Kilowattstunden, zu einem Preis aus der Zeit vor der Krise geben, forderte Werneke. Trotzdem stimme er dem Bericht der Kommission zu, weil er konkrete Verbesserungsvorschläge enthalte. Die Politik sei gefordert, „soziale Haltelinien“ umzusetzen.

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Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagte, die Übernahme einer Abschlagsrechnung durch den Staat lasse sich schnell umsetzen, komme aber gleichzeitig auch vielen Menschen zugute, die über ausreichend Einkommen verfügen. Zudem sieht Krämer das Risiko, dass viele Bürger auf die durchschnittlichen Kosten schauen und wegen der Gaspreisbremse weniger sparen könnten.

Ökonom warnt vor hohem Bürokratieaufwand

Jens Südekum vom Institut für Wettbewerbsökonomie in Düsseldorf kritisierte, die Umsetzung werfe viele Fragen auf: „Über welchen Kanal will der Staat diese Erstattung der Energiekosten gewährleisten? Geplant ist offenbar, dass die Energieversorger ihre Abschlagsrechnungen für einen Monat nicht an die Kunden, sondern stattdessen direkt an den Bund richten. Das hört sich zwar einfach an, aber dürfte in der Praxis zu einem riesigen bürokratischen Aufwand führen, denn es geht ja um Millionen von Fällen. Das kann die Auszahlung verzögern.“

DIW-Präsident Marcel Fratzscher sagte, die Kommission habe versucht das Beste aus einer „schwierigen Situation zu machen und die Versäumnisse der Bundesregierung zu überbrücken“. Es zeige sich, „dass jegliche Preisbremsen nur sinnvoll zusammen mit direkten Transferzahlungen an Menschen mit geringen Einkommen und exponierten Unternehmen sein können“.

Die Aufgaben der Kommission mit Vertretern aus Verbänden, Gewerkschaften, Wissenschaft und Bundestag reichen über die Gaspreisbremse hinaus. Die Mitglieder sollen auch das Ausmaß der Preisanstiege durch den Wegfall russischer Gaslieferungen bis zum Frühjahr 2024 bewerten.

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Neben nationalen Entlastungsmöglichkeiten sollen sie auch „Optionen zur Abfederung der Preisentwicklung auf europäischer Ebene unter Berücksichtigung der Preisbildung an den Weltmärkten“ prüfen. Für den 17. und den 24. Oktober sind weitere Sitzungen geplant. Die endgültigen Arbeitsergebnisse sollen bis Ende des Monats vorliegen.

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