Zufriedene Gesichter auf Malta: Bei ihrem informellen Treffen in Valletta haben sich die Finanzminister der Eurozone mit Griechenland grundsätzlich darüber verständigt, welche Voraussetzungen das Land erfüllen muss, damit die nächste Hilfstranche von sieben Milliarden Euro ausgezahlt werden kann.
Griechenland benötigt die Mittel, bevor im Juli Rückzahlungen an die Gläubiger anstehen. Vertreter der Troika werden nun in Kürze nach Griechenland zurückkehren und vor Ort die Umsetzung des Programms prüfen.
Den Sitzungsteilnehmern war anzumerken, dass sie das Treffen als Erfolg werteten. In den Tagen zuvor war in Athen die Nervosität gewachsen. Regierungschef Alexis Tsipras, der in Meinungsumfragen rund 20 Prozentpunkte hinter dem Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis liegt, hatte einen Sondergipfel gefordert, um eine Einigung zu erzielen. Erinnerungen an das Jahr 2015 mit seinen vielen Krisensitzungen kamen hoch.
Eine Eskalation wie damals konnte vermieden werden, aber um Griechenland steht es alles andere als gut. Das Land ist weit entfernt davon, zu einem andauernden Wirtschaftswachstum zurückzukehren. Das wird nun offensichtlich – nachdem die Geldgeber lange genug so getan haben, als ob sich Griechenlands Wirtschaft nachhaltig erhole.
Fünf Krisen, die die EU schon überlebt hat
Als Großbritannien 1963 der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft der sechs Gründerstaaten beitreten will, legt Frankreichs Präsident Charles de Gaulle sein Veto ein. Großbritannien sei weder politisch noch wirtschaftlich reif, argumentiert er. Erst sein Nachfolger Georges Pompidou bringt die Wende. Der Beitritt der Briten gelingt 1973 - zehn Jahre nach dem ersten Antrag.
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Von Mitte der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre schwächelt die Gemeinschaft wirtschaftlich und politisch. Von „Eurosklerose“ ist die Rede. Die Konkurrenz aus den USA und Japan macht dem europäischen Markt zu schaffen. Die Mitgliedsländer versuchen, ihre Märkte zu schützen und nationale Interessen durchzusetzen. Die Krise wird überwunden durch neuen Schwung nach den Beitritten von Spanien und Portugal und dem Plan eines gemeinsamen europäischen Binnenmarkts.
Es soll der Startschuss zur europäischen Wirtschafts- und Währungsunion sein. Doch die Dänen sagen in einem Referendum Nein zum Vertrag von Maastricht und setzen das politische Europa 1992 unter Schock. Elf Monate vergehen, bis ein Kompromiss mit Sonderrechten ausgehandelt wird, dem die Dänen zustimmen.
Mehrere Mitglieder der vom Luxemburger Jacques Santer geführten EU-Kommission müssen sich einem Misstrauensvotum im Europäischen Parlament wegen möglicher Betrugsaffären stellen. Ein von „fünf Weisen“ erstellter „Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft“ besiegelt kurz darauf das Schicksal der Santer-Kommission. Das gesamte Kollegium tritt im März 1999 zurück.
Mehr Demokratie und Transparenz - darum geht es 2005 in dem mühsam ausgehandelten „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ der damals 25 EU-Staaten. Doch die Franzosen und die Niederländer lehnen die EU-Verfassung bei Volksabstimmungen ab. An ihre Stelle tritt letztlich 2009 der Vertrag von Lissabon, der ähnliche Ziele verfolgt.
In einem Jahr, in dem in den beiden größten Ländern der Eurozone Wahlen anstehen, haben die Geldgeber das Publikum sichtbar in die Irre geführt. Offiziell geht die EU-Kommission immer noch davon aus, dass Griechenlands Wirtschaft in diesem Jahr um 2,7 Prozent wachsen wird.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte diese Zahl zuletzt im Februar noch bestätigt, obwohl IWF-Mitarbeiter hinter vorgehaltener Hand schon zu Jahresbeginn zugaben, dass die Prognose reichlich hoch gegriffen war.
Hilfloser Versuch von Schönfärberei
Die internationalen Geldgeber hatten die Vorhersage der griechischen Regierung übernommen, die im vergangenen Oktober als erste ein Plus von 2,7 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den Raum stellte. “Wir sind an einem Wendepunkt, an dem wir mit Sicherheit die Rezession hinter uns lassen”, sagte der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis damals.
Wie optimistisch die Einschätzung war, zeigt kurz darauf die Vorhersage der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Im vergangenen November gingen die Ökonomen in Paris nur von einem halb so hohen Wachstum aus. Sie notierten einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt von 1,3 Prozent. Private Analysten in Griechenland zeigten sich ähnlich vorsichtig.
Das Athener Institut IOBE rechnete im Januar mit einem Plus von 1,5 Prozent bis 1,8 Prozent. Als die griechische Nationalbank ihre Prognose im März auf ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent revidierte, wurde der Optimismus der internationalen Geldgeber enttarnt.
Die argumentieren nun, dass die Unsicherheit um die Auszahlung der nächsten Hilfstranche das Wachstum in Griechenland bremse. Doch auch dies ist ein recht hilfloser Versuch, die Situation schön zu reden. Die Verhandlungen haben sich noch bei jeder Tranche verzögert, die Verantwortlichen konnten schon zu Jahresbeginn wissen, dass Griechenland das Geld so schnell nicht bekommen wird.
Wenn das Wachstum nun deutlich geringer ausfällt als angekündigt, ist das aus zwei Gründen eine schlechte Nachricht. Zunächst einmal wird fraglich, ob das Land in absehbarer Zeit ohne Rettungspakete auskommen wird. ESM-Chef Klaus Regling wird nicht müde, anzukündigen, dass Griechenland 2018, wenn das Programm ausläuft, an die Märkte wird zurückkehren können. Doch diese Prognose steht auf wackeligen Füßen – zumal Regling im vergangenen Jahr die Rückkehr für dieses Jahr ankündigte und sich korrigieren musste.
Hinzu kommt: Je geringer Griechenland wächst, desto schwerer wird es für das Land, seinen Schuldenberg abzubauen.
Mit beiden Aspekten werden sich die Griechenland-Retter in den kommenden Monaten eingehend beschäftigen müssen. Im Wahljahr könnten noch richtig schlechte Nachrichten aus Griechenland kommen.