
Der Mann macht aus seiner Meinung keinen Hehl: Ein Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union werde dem Land gut tun, sagte Peter Hargreaves, Gründer und Großaktionär des britischen Brokerhauses Hargreaves Lansdown, vor einigen Wochen in einem Interview mit der BBC. Wenn Großbritannien sich für diesen Schritt entscheide, dann werde das „ein absoluter Ansporn für jedermann sein zu beweisen, dass dies die richtige Entscheidung war.“
Bei diesem Plädoyer allein ist es nicht geblieben. Um die Chancen zu erhöhen, dass es wirklich zu diesem so genannten Brexit kommt, hat Hargreaves einer der EU-skeptischen Organisationen auf der Insel eine üppige Spende zukommen lassen: insgesamt 3,2 Millionen Pfund (umgerechnet vier Millionen Euro).
Das geht aus einer Liste hervor, die Großbritanniens unabhängige Wahlkommission am Mittwoch veröffentlicht hat. Darauf sind die größten Geldgeber der britischen Pro- und Anti-EU-Gruppen und Hargreaves führt dieses Ranking an.
Die schwierige Beziehung der Briten zu Europa
Die Beziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union waren nie einfach. Der konservative britische Premierminister David Cameron will bei einer Wiederwahl 2017 ein Referendum über den Verbleib in der EU ansetzen - und vorher das Verhältnis des Königreichs zu Brüssel neu verhandeln. Geprägt von tiefem Misstrauen gegenüber Europa setzte Großbritannien in der Vergangenheit wiederholt Sonderregeln durch - und steht traditionell mit einem Fuß außerhalb der EU.
Da Großbritannien zwar viel in den EU-Haushalt einzahlte, aber kaum von den milliardenschweren Agrarhilfen profitierte, forderte die britische Premierministerin Margaret Thatcher 1979: „I want my money back!“ („Ich will mein Geld zurück!“) Die „Eiserne Lady“ setzte dann 1984 eine Rabatt-Regelung für ihr Land durch, nach der Großbritannien 66 Prozent seines Nettobeitrags an die EU zurückerhält. Der Rabatt besteht bis heute, obwohl er immer wieder den Unmut anderer EU-Länder erregt, da sie nun den britischen Anteil mittragen müssen. Doch abgeschafft werden kann die Regel nur, wenn London zustimmt.
Wer von Deutschland nach Frankreich, Österreich oder in die Niederlande reist, muss dafür seinen Pass nicht vorzeigen. Großbritannien-Urlauber sollten den Pass jedoch dabei haben: Die Briten haben sich nicht dem Schengen-Abkommen angeschlossen, das den EU-Bürgern Reisefreiheit von Italien bis Norwegen und von Portugal bis Polen garantiert.
Seit der EU-Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 in Kraft getreten ist, kann Großbritannien wählen, an welchen Gesetzen im Bereich Inneres und Justiz es sich beteiligt. Zudem erwirkte die britische Regierung den Ausstieg aus 130 Gesetzen aus der Zeit vor dem Lissabon-Vertrag. Im Dezember 2014 stieg London dann bei rund 30 Regelungen wieder ein, darunter beim Europäischen Haftbefehl. Diese „Rosinenpickerei“ nervt im Rest der EU viele.
In der Verteidigungspolitik setzt Großbritannien auf die Nato. Als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im März für den Aufbau einer europäischen Armee warb, kam das „No“ aus London postwendend. „Verteidigung ist eine nationale, keine EU-Angelegenheit“, sagte ein Regierungssprecher. Obgleich Großbritannien Ende der 1990er Jahre den Widerstand gegen die Gründung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) aufgab, wacht es darüber, dass die Europäer hier nicht zu weit gehen. So hat London verhindert, dass es ein Militärhauptquartier in Brüssel gibt. EU-Einsätze wie etwa in Mali werden deshalb dezentral aus den Mitgliedstaaten geleitet.
Auch in der Euro-Krise ist die an ihrer Pfund-Währung festhaltende britische Insel ein gutes Stück weiter von der Kern-EU weggedriftet. Mit Sorge wurden in London die mühseligen Arbeiten zur Euro-Rettung beobachtet, zudem fürchtete die britische Regierung Folgen für den Finanzstandort London durch strengere Banken-Regulierung oder eine Finanztransaktionssteuer. Für Empörung in der EU sorgte, dass sich Großbritannien dem Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin nicht anschloss.
Der großzügigste Spender der Brexit-Gegner ist David Sainsbury, der ehemalige Verwaltungsratschef der britischen Supermarktkette Sainsbury, mit mehr als zwei Millionen Pfund. Diese Summe hat er auf verschiedene Pro-EU-Gruppen verteilt. Insgesamt haben beide Lager fast 16 Millionen Pfund (20 Millionen Euro) eingesammelt. Die Europa-Gegner kommen dabei auf etwas mehr als die Hälfte dieser Spendensumme – auf 8,2 Millionen Pfund.
Die Briten werden am 23. Juni über ihre künftigen Beziehungen zu EU abstimmen. In Umfragen liefern sich beide Seiten ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Warnungen wichtiger Staatschefs wie US-Präsident Barack Obama sowie umfangreiche ökonomische Studien, die massive Nachteile nach einem Brexit vorhersagen, haben den Austrittsgegnern nur kurzfristig etwas Rückenwind gegeben. In den vergangenen Tagen haben Politiker beider Lager den Ton verschärft und ihren Argumenten mehr Nachdruck zu geben versucht.