Inflation und Niedrigzins Liebe Notenbanker, bitte macht unser Geld wieder heile!

Die Inflation steigt, die Zinsen bleiben niedrig. Unser Geld verliert dadurch eine seiner wichtigsten Funktionen.

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Nahaufnahme eines schmutzigen Geldscheinstücks Quelle: dpa

Wenn wir über Geld reden, weiß jeder etwas mit dem Begriff anzufangen. Schwierig wird es aber schon, wenn Kinder von Mama oder Papa wissen wollen, was Geld überhaupt ist. Dann drucksen die Erwachsenen ganz schön herum.

Schämen muss sich dafür keiner, schließlich streiten selbst Gelehrte immer wieder über das Wesen des Geldes, obwohl dieses aus dem Alltag schon seit Ewigkeiten nicht wegzudenken ist.

Ökonomen definieren Geld kurzerhand über dessen Funktionen, also über die Aufgaben, die es für eine Volkswirtschaft erledigt. Es gibt kein Land und kein Wirtschaftssystem, das ohne Geld auskäme. Geld erleichtert unser aller Leben aus drei wichtigen Gründen: Wir nutzen es als Tauschmittel für Waren und Dienste und sparen uns dadurch die lästige Suche nach einem Tauschpartner, der zufällig gerade mal genau das übrig hat, was wir brauchen und gleichzeitig selber noch benötigt, was wir ihm anbieten können.

Außerdem hilft uns das Geld beim Rechnen. Wir erkennen mit einem einzigen Blick auf unser Konto, was wir uns leisten können und wie lange unser Geld noch reicht. Dass wir trotzdem manchmal über unsere Verhältnisse leben, ist an der Stelle nicht Schuld des Geldes.

Schließlich dient Geld als Wertspeicher. Alltägliche Waren wie Lebensmittel sind verderblich, Dienstleistungen wie der neue Haarschnitt werden an Ort und Stelle konsumiert, doch ein Bündel Scheine können wir uns jahrelang unters Kopfkissen legen (oder aufs Konto) und irgendwann viel später ausgeben oder sogar vererben. Man weiß ja heute nicht, was man in der Zukunft mal braucht und wie viel davon.

Warum der Exkurs in das erste Semester Volkswirtschaftslehre? Weil die dritte Funktion des Geldes, die des Wertspeichers, gerade verloren geht. Denn die Notenbanker haben ihren wichtigsten Auftrag aus den Augen verloren, den Schutz unseres Geldes. Die Notenbanken des Eurosystems müssen sich auf ihre Kernaufgabe zurückbesinnen. Die besteht darin, unser Geld zu schützen.

Stattdessen sorgen die niedrigen Zinsen gepaart mit steigender Inflation dafür, dass wir uns von 1000 Euro, die wir heute für später zurücklegen, zukünftig nur noch viel weniger kaufen können. Wer spart, verliert. Also lässt man das Sparen und gibt das Geld lieber sofort aus. Ein anderer Ausweg ist die Flucht in Sachwerte: Immobilien, Gold, Aktien. Wer clever investiert hat, kann sich über Wertzuwächse freuen, wenn jetzt auch der Rest der Welt kapiert hat, dass er sein Geld in greifbares Vermögen stecken muss.

Was Sachwertbesitzer jubeln lässt, ist eine schlechte Nachricht für die Volkswirtschaft. Denn das Vertrauen in das Geld leidet, wenn es seine Funktionen einbüßt. Das sollte unseren Notenbankern im Eurosystem Anlass für einen Kurswechsel geben. Sie müssen unser Geld reparieren. Stattdessen beharrt die Europäische Zentralbank auf ihrem Inflationsziel von zwei Prozent, was auch durch die stark anziehende Teuerung noch nicht erreicht sei. Und dann soll das billige Geld ja noch das Auseinanderbrechen der Eurozone verhindern, sprich klamme Staaten und Banken vor der Pleite retten.

Das ist keine Geldpolitik mehr. Mit der faktischen Abschaffung der Zinsen untergräbt die Notenbank die Wertspeicherfunktion des Geldes. Das mag die Währungsunion kurzfristig über Wasser halten. Langfristig entzieht es ihr die Grundlage.

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