Italiens neuer Ministerpräsident Giuseppe Conte verspricht radikale Änderungen

Italien: Giuseppe Conte kündigt große Veränderungen an Quelle: REUTERS

Die Euro-Zone muss dazu da sein, den Bürgern zu helfen, meint der neue italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte. Er verspricht, viel in der Politik Italiens zu ändern. Die Mailänder Börse reagiert nervös.

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Italiens neuer Ministerpräsident Giuseppe Conte hat zum Auftakt seiner Amtszeit einen einwanderungs- und eurokritischen Regierungskurs ausgegeben. "Die Wahrheit ist, dass wir einen radikalen Wandel geschaffen haben. Und darauf sind wir stolz", sagte der 53-Jährige in seiner Antrittsrede vor dem Senat in Rom am Dienstag. Flankiert von den zwei Chefs der beiden Koalitionspartner bekräftigte er die wesentlichen Punkte des Programms der populistischen 5-Sterne-Bewegung und der rechtsgerichteten Lega. Die Asylpolitik soll verschärft werden, um die Einwanderung besonders aus afrikanischen Ländern zu drosseln. Die öffentlichen Ausgaben sollen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums steigen - trotz Italiens riesigen Schuldenstands.

Italiens Interessen stimmten mit denen Europas überein, sagte Conte. "Europa ist unsere Heimat." Auch stehe Italien zur Nato. Die westliche Diplomatie müsse sich aber für Russland öffnen.

Conte ist ein auf politischer Bühne bislang weitgehend unbeschriebenes Blatt. Der Juraprofessor der Universität Florenz ist parteilos, steht aber der 5-Sterne-Bewegung nahe. Deren Chef, Luigi Di Maio, und der Lega-Vorsitzende Matteo Salvini hatten sich auf ihn als Kompromisskandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten geeinigt. Manche Beobachter bezweifeln, dass Conte der Regierung seinen eigenen Stempel aufdrücken kann. Di Maio ist Arbeits- und Industrieminister, Salvini ist Innenminister.

Dieser Mann soll Italien führen
Der Juraprofessor und designierte italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte ist der Öffentlichkeit seines Landes bislang kaum bekannt. Dennoch fiel die Wahl der beiden rivalisierenden Chefs der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsgerichteten Lega auf den 53-jährigen Gelehrten, dem Bürokratie ein Graus ist. Nach dem Willen von Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio und Lega-Chef Matteo Salvini soll Conte die erste populistische Regierung Italiens führen. (Im Bild: Conte, rechts, mit dem Chef der Fünf-Sterne-Bewegung Luigi Di Maio) Quelle: AP
Öffentliche Äußerungen von Conte sind bislang rar Quelle: imago images
Wenige Tage vor der Parlamentswahl im März hatte die Fünf-Sterne-Bewegung Conte als ideale Besetzung für den Posten des Ministers für öffentliche Verwaltung präsentiert. Damals bezifferte der Professor die Zahl der Gesetze, die abgeschafft werden müssten, auf „viel mehr als die 400, auf die Luigi Di Maio hingewiesen hat“. Conte sei „ein Experte der Vereinfachung, Entbürokratisierung und Rationalisierung der Verwaltungsmaschinerie“, sagte Salvini am Montagabend. Genau das wollten viele Unternehmen. Conte setzt sich auch für schärfere Schutzvorkehrungen gegen Korruption ein. Diese fällt häufig bei jenen auf fruchtbaren Boden, die versuchen, die Bürokratie zu umgehen. Quelle: REUTERS
Der meist elegant gekleidete Conte ist kein Mitglied des Parlaments, das ist für das Amt des Regierungschefs aber auch keine Voraussetzung. Quelle: imago images
Giuseppe Conte Quelle: AP
Der Rechtsprofessor Giuseppe Conte Quelle: dpa

Vorwürfe, die Regierung sei populistisch und gegen das System, wies Conte zurück. Eine Priorität seiner Regierung sei es, die soziale Not zu lindern. Dazu will er auch Europa in die Pflicht nehmen. Die Regeln der Euro-Zone müssten darauf ausgerichtet sein, "den Bürgern zu helfen". Die Italiener hätten ein Recht auf ein Grundeinkommen und einen Mindestlohn. Die Schulden des Landes seien vollkommen tragbar. Sie müssten aber durch das Wirtschaftswachstum verringert werden. Dieses wiederum müsse nachhaltig über die Haushaltspolitik und öffentliche Ausgaben sichergestellt werden.

Das "Geschäft mit der Einwanderung" müsse beendet werden, forderte Conte. Er kritisierte eine falsche Solidarität, die die Einwanderung befördert habe. Italien dürfe bei dem Thema nicht alleingelassen werden. Das Dubliner Abkommen müsse geändert werden, Asylsuchende sollten automatisch auf die EU-Länder verteilt werden.

Am Abend nahm die neue Regierung die nächste Hürde, als sie eine Vertrauensabstimmung im Senat gewann. Am Mittwoch soll die Abstimmung in der Abgeordnetenkammer folgen. Auch hier wird mit einer Mehrheit gerechnet. Die neue Regierung war am Freitag nach monatelangem Tauziehen vereidigt worden. Die Finanzmärkte hatten nervös auf die Ankündigung reagiert, Investitionen zu erhöhen, Steuern zu senken und die Schuldenregeln der EU zu überarbeiten. Furcht vor einer neuen Euro-Krise machte die Runde. Italien ist in der Euro-Zone das Land mit der höchsten Staatsverschuldung nach Griechenland. Während Contes Rede rutschte die Mailänder Börse ins Minus. Es habe keine Signale gegeben, dass die Regierung ihre Ankündigungen abmildern werde, sagte Zinsstratege Antoine Bouvet von der japanischen Bank Mizuho.

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