Die Brexitiers fürchten, die Backstop-Klausel könne Großbritannien dauerhaft an die EU binden und die nordirische Protestantenpartei DUP, die Mays Minderheitsregierung stützt, will einen Sonderstatus für Nordirland verhindern. Den Backstop zeitlich zu befristen, so wie sich das viele Briten wünschen, lehnte die EU mit dem nachvollziehbaren Argument ab, ein temporäres Sicherheitsnetz sei nutzlos.
Nur durch den dauerhaften Verbleib im Binnenmarkt oder in der Zollunion ließe sich eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland vermeiden, doch May will weder das eine noch das andere. Technische Lösungen, wo die Grenzen unauffällig durch elektronische Sensoren oder Kameras überwacht und Zollerklärungen nur per Computer möglich wären, sind in der Praxis bisher noch nicht realisierbar.
Mit den Backstop-Nachverhandlungen in Brüssel will May den Widerstand einiger Tories und der DUP gegen ihr Scheidungsabkommen überwinden. Kritiker von der Opposition warfen ihr allerdings vor, auf diese Weise das Karfreitagsabkommen von 1998 zu sabotieren, das in den letzten zwanzig Jahren ein friedliches Zusammenleben von Protestanten und Katholiken in Nordirland ermöglichte. Manche Beobachter spekulieren nun, dass der Brexit mittelfristig die Vereinigung von Nordirland mit der katholischen Republik im Süden der Insel begünstigen könnte. Für die Katholiken in Nordirland war das schon immer das Ziel und die protestantischen, pro-britischen Loyalisten könnten aus wirtschaftlichen Gründen umdenken.
Nachdem Mays Scheidungsvertrag am 15. Januar mit Pauken und Trompeten im Unterhaus gescheitert war, versprach sie Zugeständnisse und eine Lösung, die auch die Oppositionsparteien einbinden würde. Das weckte bei den Pro-Europäern die Hoffnung auf einen Verbleib in der Zollunion oder eine weitere Mitgliedschaft im Binnenmarkt, vielleicht sogar auf eine zweite Volksabstimmung.
Doch am Wochenende begannen Gerüchte zu zirkulieren, wonach die Premierministerin sich unter dem Einfluss ihres Mannes stattdessen entschlossen habe, vor allem die Tory-Hardliner und Euroskeptiker der European Research Group (ERG) um Jacob Rees-Mogg sowie die DUP umzustimmen, um eine Spaltung der Konservativen Partei zu verhindern. Sie habe sich deswegen wider besseren Wissens am Montagabend entschlossen, den Antrag von Graham Brady zu unterstützen. „Ich bin verzweifelt, verzweifelt, verzweifelt“, kommentiert die proeuropäische Tory-Abgeordnete Anna Soubry: „Die Interessen der Partei sollten sekundär sein, wenn es um das Wohl des ganzen Landes geht“.