Polen Der Partner, der kein Partner sein möchte

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Bizarrer Nationalismus wird gesellschaftsfähig

So weit muss es natürlich nicht kommen. Die Partei PiS hat schon einmal Polen regiert. Damals konnten die Westeuropäer immer wieder nach langen Verhandlungen Kompromisse mit Warschau zurechtzimmern – inzwischen aber hat sich die PiS radikalisiert. Der alternde Parteichef Jarosław Kaczynski, der die bisherige Parlaments-Hinterbänklerin Szydło im Sommer überraschend zur Spitzenkandidatin kreierte, unterstellt den Politikern in Brüssel mindestens so böse Absichten gegenüber Polen wie Wladimir Putin. Und den hält er nach wie vor für den Mörder seines Zwillingsbruders Lech, der 2010 als polnischer Präsident nach Russland flog und beim Absturz seiner Maschine ums Leben kam.

Der russische Krieg in der Ukraine hat den bizarr wirkenden Nationalismus Kaczynskis und Szydłos in Polen mehrheitsfähig gemacht. Vor allem zeigt sich das in den Regionen im Osten, wo die Angst vor Moskau umgeht und die Enttäuschung über Westeuropa, weil der EU-Beitritt hier im Gegensatz zu Warschau und den Regionen im Westen Polens kaum wirtschaftlichen Aufschwung gebracht hat. Ostpolen ist arm, die Arbeitslosigkeit liegt weit über dem Landesdurchschnitt von acht Prozent – und die Umfrageergebnisse versprechen hier der PiS absolute Mehrheiten. Da hat die heutige Ministerpräsidentin Kopacz keine Chance, wenn sie im Fernsehen mit guten ökonomischen Argumenten Szydłos Forderung nach einem Mindestlohn von umgerechnet drei Euro pro Stunde zurückweist.

Polen wird also demnächst unter einer rechtskonservativen Regierung eine früher wohl als linkspopulistisch zu bezeichnende Arbeitsmarktpolitik betreiben. Das wird die meisten Westeuropäer kaum stören. Anders wird es aber in der Energiepolitik. „Wer von CO2 redet, ist ein Widersacher Polens“, verkündet Szydło. Eine überraschende Erkenntnis: Polen ist zwar mit Abstand der größte Kohleproduzent in Europa, aber die Produktion ist international nicht wettbewerbsfähig und macht Riesenverluste. Das aber ist den Polen egal, solange die Alternative Gas aus Russland ist.

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