
Frau Marcegaglia, Sie wirken schon lange im internationalen Manager-Zirkus mit, waren lange oberste Industriepräsidentin Italiens – haben Sie so eine Unsicherheit wie dieses Jahr beim Weltwirtschaftsforum in Davos schon einmal erlebt?
Es ist wirklich erstaunlich. Donald Trump ist nicht hier, aber er ist überall. Das größte Problem daran scheint mir: Alle haben Angst, aber keiner weiß, was er möchte. Die einen sagen, er wird schon wie ein Geschäftsmann handeln. Die anderen sagen: Er ist genauso, wie er twittert.
Und was sagen Sie?
Ich glaube nicht, dass er alles machen wird, was er sagt. Das wäre ja in der Tat ein Desaster. Aber eben nicht nur für uns in Europa, sondern auch für die USA. Starker Protektionismus schadet doch allen. Und wenn Europa und die USA sich abschotten, dann sagen doch die anderen Länder nicht: Wir wehren uns nicht. Dann stehen wir vor einem Handelskrieg. Wenn einer der größten Spieler in der Welt den Freihandel beendet, werden alle anderen gezwungen, nachzuziehen.
Zur Person
Emma Marcegaglia ist die Aufsichtsratsvorsitzende des umsatzstärksten italienischen Unternehmens, dem Erdöl- und Energiekonzern ENI.
Also haben die Schwarzmaler recht?
Das würde ich nicht sagen. Nehmen wir mal an, Trumps Sympathien für Wladimir Putin sorgen dafür, dass sich das Verhältnis des Westens zu Russland entspannt und die Russlandsanktionen fallen: Das wäre für italienische Firmen, aber auch für deutsche, sehr hilfreich. Und auch die Investitionen in Infrastruktur könnten uns nutzen. Dazu kommt: Steigt der Dollar als Reaktion auf Trumps Politik, ist das für europäische und vor allem für italienische Exporte sehr gut. Es ist eben sowohl weiß wie auch schwarz. Man darf da auch nicht nur Bedenken haben.





Bei manchen Manager-Kollegen scheinen die Bedenken aber recht ausgeprägt zu sein. Sie richteten hier in Davos ihre Hoffnungen schon auf den chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping.
Es ist schon verrückt zu sehen, dass der chinesische Präsident dieses Loch nun füllt, das Trump offensichtlich gerissen hat, und auf einmal für freien Handel und für multilaterale Verträge ist.
Sie nehmen ihm das nicht ab?
Die chinesische Wirtschaft bekommt natürlich immer mehr Regeln und öffnet sich Stück für Stück. Aber seien wir ehrlich: Eine reine Marktwirtschaft ist das nicht. Deswegen ist es schon bemerkenswert, wie Chinas Präsident sich hier inszeniert. Aber wo eine Lücke ist, gibt es auch jemanden, der sie füllen möchte. Das ist ja ganz natürlich.
Wer in Davos ebenfalls um die Gunst der Wirtschaft warb, war Großbritanniens Regierungschefin Theresa May. Wie gefährlich ist ihr harter Brexit-Kurs für Europas Unternehmen?
Der US-Markt ist sehr wichtig. Deswegen ist alles, was Trump machen wird, deutlich wichtiger als diese Brexit-Geschichte.