1. Wie wirkt sich der Wahlsieg von Syriza auf die griechische Wirtschaft und die Staatsfinanzen aus?
2014 war für Griechenland ein gutes Jahr. Zwar lag die Wirtschaftsleistung noch um 26 Prozent unter dem Niveau vor der Krise. Doch immerhin legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach sechs Jahren Dauerschrumpfung wieder zu. Auch wenn das Plus mit 0,7 Prozent recht mager ausfiel, so kann es doch als Beweis dienen, dass die harten Reformen, die die wechselnden Regierungen in Athen ihren Bürgern unter dem Druck der Geldgeber verordnet haben, Erfolge zeitigen.
Die Lohnkürzungen und Entlassungen – die Arbeitslosenquote kletterte von rund acht Prozent im Jahr 2007 auf zuletzt rund 26 Prozent – haben den Unternehmen einen Teil ihrer Wettbewerbsfähigkeit zurückgegeben, die sie in den Jahren zuvor verloren hatten. Das hat dazu geführt, dass die Exporte von Waren und Dienstleistungen im vergangenen Jahr nahezu zweistellig gewachsen sind. Dazu trug auch bei, dass Griechenland bei ausländischen Touristen wieder hoch im Kurs stand. So verzeichnete die Leistungsbilanz im vergangenen Jahr einen Überschuss von 1,6 Prozent in Relation zum BIP. Zum Vergleich: 2007 klaffte dort noch ein Loch von 14 Prozent vom BIP.
Was droht Griechenland und seinen Banken?
Die EZB verleiht Geld nur an Geschäftsbanken, die als Sicherheiten Wertpapiere hinterlegen, denen Ratingagenturen gute Noten geben. Das ist bei Griechenland-Anleihen nicht der Fall. Bislang machten die Währungshüter eine Ausnahme, weil Athen ein EU-Sanierungsprogramm mit harten Reformauflagen durchlief. Diese Grundlage ist nun weggefallen: Die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras lehnt das EU-Rettungsprogramm ab. Die EZB begründete ihre Entscheidung damit, dass man im Moment nicht davon ausgehen könne, dass Hellas sein Reformprogramm erfolgreich abschließen wird.
Ende Dezember 2014 hatten sich die griechischen Banken rund 56 Milliarden Euro bei der EZB beschafft. Davon entfielen nach Angaben der Commerzbank 47 Milliarden Euro auf kurzfristige Geschäfte, die inzwischen ausgelaufen sein dürften - und die nur wiederholt werden können, wenn die Institute andere Sicherheiten haben als griechische Staatsanleihen. Die übrigen neun Milliarden Euro steckten in Langfristgeschäften. „Das Geld muss zurückbezahlt werden, wenn es in diesem Umfang keine anderen Sicherheiten gibt“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Nein. Die Institute können vorerst bei der griechischen Zentralbank ELA-Notkredite nachfragen. Der EZB-Rat hat dafür ein Volumen von bis zu rund 60 Milliarden Euro bewilligt. Damit könnte das Refinanzierungsvolumen griechischer Banken bei der EZB vollständig in eine ELA-Finanzierung überführt werden, schreiben Ökonomen der BayernLB: „Es wäre aber nur wenig Raum vorhanden, um einen weiteren Abfluss von Einlagen zu kompensieren.“ Ein weiterer Haken für die Banken: EZB-Kredite kosten aktuell 0,05 Prozent, ELA-Notkredite 1,55 Prozent. Der Vorteil für die EZB und Europas Steuerzahler: Sie müssen nicht geradestehen, wenn die Kredite ausfallen. Das Risiko liegt bei der Zentralbank in Athen und damit beim Steuerzahler Griechenlands.
Nein. Der EZB-Rat kann diesen Geldhahn mit Zwei-Drittel-Mehrheit zudrehen. ELA darf nur an Institute vergeben werden, die zwar vorübergehende Liquiditätsengpässe haben, aber solvent sind. Das wird ohne ein Hilfsprogramm oder zumindest die begründete Erwartung, dass ein neues Programm schnell in Kraft tritt, unwahrscheinlicher. Die Experten der BayernLB sind daher überzeugt: „Sollte sich Griechenland mit seinen Gläubigern bis Ende Februar nicht zumindest auf eine Brückenfinanzierung einigen, ist damit zu rechnen, dass die EZB griechische Banken von der ELA-Finanzierung ausschließt.“
Dann dürfte den Banken sehr schnell das Geld ausgehen. „Wenn die EZB ELA abklemmt, haben die Institute keinen Zugriff mehr aus EZB-Liquidität. Das wäre der Rausschmiss, Griechenland würde die Währungsunion faktisch verlassen“, sagt Commerzbank-Experte Krämer. Daher sei die Entscheidung auch eine politische. Experten der UBS sehen das ähnlich: „In dem Moment, in dem die EZB das ELA-Fenster schließt, müssen die Verhandlungspartner entweder sofort Kompromisse finden, oder Griechenlands Banken kommen nicht mehr an Geld.“ Um einen Bankenkollaps zu verhindern, müsse Athen dann umgehend eine eigene Währung einführen: „Das wäre das Ende Griechenlands im Euroraum und könnte eine gefährliche Kettenreaktion in Gang setzen.“
Denkbar wäre, die Laufzeit der Hilfskredite zu verlängern oder den Schuldendienst vorrübergehend auszusetzen. Krämer erwartet, dass am Ende auch die Bundesregierung einem „faulen Kompromiss“ zustimmen würde: „Denn bei einem Austritt Griechenlands schlitterte das Land ins Chaos und die Bundesregierung müsste ihren Wählern erklären, dass die direkt und indirekt auf Deutschland entfallenen Hilfskredite an Griechenland in Höhe von 61 Milliarden Euro verloren wären.“
Auch die Lage im Staatshaushalt besserte sich, 2014 lag das Defizit nur noch bei einem Prozent des BIPs. Doch nun ist es mit den positiven Nachrichten vorerst einmal vorbei. Ende vergangenen Jahres, als sich der Wahlsieg von Syriza abzeichnete, ging die Wirtschaft bereits wieder auf Talfahrt. Nach drei Wachstumsquartalen in Folge schrumpfte die gesamtwirtschaftliche Leistung im vierten Quartal 2014 um 0,4 Prozent.
Die Talfahrt dürfte sich im ersten Quartal dieses Jahres fortgesetzt haben. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie, ein viel beachteter Frühindikator für die Konjunktur, lag im Februar bei 48,4 Punkten. Damit unterschritt er die neutrale Marke von 50 deutlich. Die Unsicherheit über den Ausgang des Kräftemessens zwischen der Regierung von Alexis Tsipras und den europäischen Geldgebern hat sich wie Mehltau auf die Stimmung der Unternehmen und Investoren gelegt.
Die Folge zeigt sich bei den Steuereinnahmen: Im Januar kamen statt erwarteter 4,5 Milliarden Euro nur knapp 3,5 Milliarden in die Kassen, im Februar lag das Aufkommen 1,5 Milliarden Euro unter Plan. Dazu trug bei, dass Tsipras den Bürgern im Wahlkampf versprochen hatte, die Steuern zu senken. Viele Griechen nahmen das zum Anlass, ihre Zahlungen an den Fiskus gleich ganz einzustellen. So blieben die Einnahmen aus den direkten Steuern im Januar um 36 Prozent hinter den Planungen zurück. „Selten hat eine neue Regierung in so kurzer Zeit so viel Schaden angerichtet“, urteilt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. „Binnen weniger Wochen nach der Machtergreifung haben die Populisten in Athen das Land an den Rand der Abgrunds getrieben“, so Schmieding.
Von Grexit bis Graccident - die wichtigsten Begriffe zur Schuldenkrise
Der Kunstbegriff wurde aus den englischen Worten für „Griechenland“ (Greece) und „Ausstieg“ (Exit) gebildet - gemeint ist ein Ausstieg oder Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone. So etwas ist in den EU-Verträgen allerdings gar nicht vorgesehen. Die Idee: Würde Griechenland statt des „harten“ Euro wieder eine „weiche“ Drachme einführen, könnte die griechische Wirtschaft mit einer billigen eigenen Währung ihre Produkte viel günstiger anbieten.
Neuerdings wird auch vor einem unbeabsichtigten Euro-Aus der Griechen gewarnt. Das Kunstwort dafür besteht aus Greece und dem englischen Wort für „Unfall“ (Accident) - wobei das Wort im Englischen auch für „Zufall“ stehen kann. Gemeint ist ein eher versehentliches Schlittern in den Euro-Ausstieg, den eigentlich niemand will - der aber unvermeidbar ist, weil Athen das Geld ausgeht. Mittlerweile taucht die Wortschöpfung auch als „Grexident“ auf.
Staaten brauchen Geld. Weil Steuereinnahmen meist nicht ausreichen, leihen sie sich zusätzlich etwas. Das geschieht am Kapitalmarkt, wo Staaten sogenannte Anleihen an Investoren verkaufen. Eine Anleihe ist also eine Art Schuldschein. Darauf steht, wann der Staat das Geld zurückzahlt und wie viel Zinsen er zahlen muss.
Im Grunde handelt es sich ebenfalls um Anleihen - allerdings mit deutlich kürzerer Laufzeit. Während Anleihen für Zeiträume von fünf oder zehn oder noch mehr Jahren ausgegeben werden, geht es bei T-Bills um kurzfristige Finanzierungen. Die Laufzeit solcher Papiere beträgt in der Regel nur einige Monate.
Manchmal hat ein Staat so viel Schulden, dass er sie nicht zurückzahlen kann und auch das Geld für Zinszahlungen fehlt. Dann versucht er zu erreichen, dass seine Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Das nennt man Schuldenschnitt. Dieser schafft finanzielle Spielräume. Allerdings wächst auch das Misstrauen, dem Staat künftig noch einmal Geld zu leihen.
Seit 2010 hatten immer mehr Staaten wegen hoher Schulden das Vertrauen bei Geldgebern verloren. Für sie spannten die Europartner einen Rettungsschirm auf. Er hieß zuerst EFSF, wurde später vom ESM abgelöst. Faktisch handelt es sich um einen Fonds, aus dem klamme Staaten Kredithilfen zu geringen Zinsen bekommen können.
In der Euro-Schuldenkrise wurde der Begriff für das Trio aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission gebraucht. Sie kontrollieren die verlangten Reformfortschritte. Im Euro-Krisenland Griechenland ist die Troika deswegen zum Feindbild geworden. In seinem Schreiben an die Eurogruppe spricht Athen nun von „Institutionen“. Auch die Europartner wollen das Wort „Troika“ nicht mehr verwenden. In offiziellen Dokumenten war ohnehin nie die Rede von der „Troika“.
Die Unsicherheit über die Zukunft des Landes bremst die Investitionen, den wichtigsten Motor für das Wachstum der Wirtschaft. Schrumpft die Wirtschaftsleistung, steigt die Schuldenquote, und der Staatsbankrott rückt näher. Das wiederum dürfte noch mehr Unternehmen abschrecken, in Griechenland zu investieren. Die Ökonomen des Finanzdienstleisters IHS warnen daher: „Bleiben die nötigen Reformen und damit die Hilfszahlungen aus, wird die griechische Wirtschaft 2015 erneut schrumpfen.“
Große Kredite müssen zurückgezahlt werden
2. Wie viel Geld muss Griechenland in den nächsten Monaten an seine Gläubiger zahlen?
Allein im März muss Athen 2,4 Milliarden Euro für Zins- und Tilgungszahlungen lockermachen. Dickster Brocken sind die Rückzahlungen von Krediten des Internationalen Währungsfonds (IWF) von 1,5 Milliarden Euro. Für die Zinsen auf bilaterale Hilfskredite und auf Staatsanleihen fallen weitere 0,75 Milliarden Euro an. Im April und Mai entspannt sich die Situation etwas, dann werden Zins- und Tilgungszahlungen von jeweils 0,8 beziehungsweise 0,9 Milliarden Euro fällig. Im Juni steigen die Zahlungen an die Gläubiger auf 2,1 Milliarden Euro. Knüppeldick kommt es im Juli und August. Dann muss Athen Staatsanleihen im Wert von 3,5 Milliarden beziehungsweise 3,2 Milliarden Euro tilgen, die sich im Besitz der EZB befinden. Einschließlich der Zinsverpflichtungen schnellen die Auszahlungen in den beiden Sommermonaten auf 4,5 beziehungsweise 3,7 Milliarden Euro in die Höhe. Insgesamt muss die griechische Regierung von März bis Dezember dieses Jahres 19 Milliarden Euro an ihre Gläubiger überweisen, das entspricht etwa zehn Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts.
3. Wie lange reicht das Geld der Regierung noch?
Niemand weiß genau, wie lange die griechische Regierung ohne neue Hilfsgelder auskommt. Auch die Regierung in Athen scheint im Nebel zu stochern. Experten schätzen, dass Finanzminister Yanis Varoufakis derzeit etwa 4,5 Milliarden Euro pro Monat benötigt, um die laufenden Ausgaben und den Schuldendienst zu finanzieren. Angesichts der wegbrechenden Steuereinnahmen wird dies jedoch zu einer Herkulesaufgabe. Im Januar und Februar sind die Steuereinnahmen Medienberichten zufolge um 1,5 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr geschrumpft. Das entspricht 0,8 Prozent des BIPs. In ihrer Not hat sich die Regierung zwei Milliarden Euro von der Rentenkasse geliehen. „Faktisch hat der Staat schon jetzt kein Geld mehr“, sagt Christoph Weil, Volkswirt bei der Commerzbank. Um einen Bankrott zu vermeiden, ist Athen daher dringend auf die ausstehenden Hilfsgelder des Euro-Rettungsfonds EFSF, der EZB und des IWF aus dem laufenden Hilfsprogramm von insgesamt 7,2 Milliarden Euro angewiesen. Diese werden jedoch frühestens im Mai ausgezahlt – wenn Athen bis dahin die von den Geberländern geforderten Reformen liefert.
Die wesentliche Beschlüsse der Eurogruppe zu Griechenland
Die Euro-Gruppe und Griechenland haben sich im Schuldenstreit geeinigt und die nächsten Schritte für weitere Finanzhilfen an Athen vereinbart: Konkret soll das aktuelle Hilfsprogramm um vier Monate bis Ende Juni verlängert werden. Etliche Details müssen allerdings noch geklärt werden.
Quelle:dpa
Bis diesen Montag (23.2) muss die griechische Regierung eine erste Liste mit Reformmaßnahmen präsentieren, die auf den aktuellen Vereinbarungen basieren. Die Reformen fußen also auf den Verpflichtungen des bisherigen Rettungsprogramms. Athen kann aber Maßnahmen austauschen, soweit Haushaltsziele nicht gefährdet sind. Die „Institutionen“ - gemeint sind die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) - werden die Liste bis Dienstag (24.2.) bewerten. Bis Ende April muss die griechische Regierung dann eine endgültige Aufstellung ihrer Reformpläne vorlegen.
Wenn die „Institutionen“ die Reformliste an diesem Dienstag billigen, kann eine viermonatige Verlängerung des aktuellen Hilfsprogrammes der Europäer offiziell beschlossen werden. Eigentlich wäre das - schon einmal verlängerte Programm - am 28. Februar ausgelaufen. Unter anderem in Deutschland muss der Bundestag dann noch bis Monatsende dieser Verlängerung zustimmen.
Athen hat sich verpflichtet, Reformen nicht ohne Absprache mit den „Institutionen“ zurückzunehmen. Außerdem darf die Regierung keine Maßnahmen ergreifen, die die finanzielle Stabilität des Landes gefährden. Ziel sei, die Wachstums- und Beschäftigungsaussichten dauerhaft zu verbessern, Stabilität sicherzustellen und den Finanzsektor widerstandsfähig zu machen und soziale Fairness zu steigern.
Nur, wenn das aktuelle Programm erfolgreich abgeschlossen wird, soll Athen die restlichen Finanzhilfen erhalten. Das sind 1,8 Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF, Gewinne der EZB aus dem Verkauf griechischer Staatsanleihen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro sowie die noch im hellenischen Bankenfonds geblockten Gelder in Höhe von 10,9 Milliarden Euro.
Die griechische Regierung verpflichtet sich, die Forderungen aller Gläubiger vollständig und zeitnah zu erfüllen.
Gemeint ist ein Haushaltsüberschuss, wobei die Zinsen auf die hohen Schulden der Griechen ausgeblendet werden. Die Verpflichtung geht weiter, aber hier kann Griechenland auf etwas Nachsicht hoffen. Starre Vorgaben für das Haushaltsplus vor Kredit- und Zinszahlungen gibt es in dem Papier nicht. In diesem Jahr soll die Wirtschaftsentwicklung berücksichtigt werden.
4. Welche versteckten Finanzierungsquellen kann die griechische Regierung nutzen?
Die Regierung hat die Sozialversicherungen weitestgehend geplündert, deren freie Mittel belaufen sich auf nur noch etwa 1,5 Milliarden Euro. Das Geld wird dringend benötigt, um fällige Renten zu zahlen. Daher übt die Regierung Druck auf die EZB aus, den Staatshaushalt mit der Notenpresse zu finanzieren. Der Plan: Die Frankfurter Währungshüter sollen Athen die Ausgabe zusätzlicher kurzlaufender Staatspapiere (T-Bills) über den bisherigen Rahmen von 15 Milliarden Euro hinaus genehmigen. Die griechischen Banken können die Papiere dann kaufen und als Sicherheiten für Notfallkredite bei der griechischen Zentralbank einreichen (siehe Frage 5). Mit dem frischen Zentralbankgeld können sie dann neue Staatsanleihen kaufen. Doch die EZB weigert sich bisher, bei dem Plan mitzuspielen. Denn ihr ist es rechtlich verboten, die Staaten mit der Notenpresse zu finanzieren. Daher steigt der Druck auf die Regierung, den Rotstift bei den Ausgaben anzusetzen. Das dürfte die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst ebenso treffen wie die Außenstände, die die Regierung bei Unternehmen hat. Das könnte die Unterstützung für die Syriza-Regierung in der Bevölkerung bröckeln lassen.
Griechenlands Target-Saldo deutlich im Minus
5. Welche Rolle spielt die EZB bei der Finanzierung Griechenlands?
Nach Angaben von EZB-Chef Mario Draghi hat sein Institut Griechenland bisher Kredite im Gesamtumfang von 68 Prozent des griechischen BIPs gewährt. Faktisch hängt das Mittelmeerland am Tropf der Frankfurter Währungshüter. Einen großen Teil der Kredite haben die Griechen benutzt, um die Kapitalflucht zu finanzieren. Das spiegelt sich in dem negativen Saldo der griechischen Notenbank im Target-Zahlungsverkehrssystem wider, über das die Notenbanken der Euro-Zone grenzüberschreitende Überweisungen abwickeln. Bei einem negativen Target-Saldo sind die Zahlungsabflüsse an das Ausland größer als die Zuflüsse von dort. Der Target-Saldo Griechenlands lag im Februar bei minus 91 Milliarden Euro. Um den Kapitalabfluss zu finanzieren, haben sich die Geschäftsbanken Zentralbankgeld von der griechischen Notenbank geliehen und dafür unter anderem die Fazilität für Notkredite (Emergency Liquidity Assistance, kurz ELA) in Anspruch genommen. Der EZB-Rat hat die ELA-Kredite bisher nicht gestoppt – obwohl diese nur an solvente Banken vergeben werden dürfen, die Banken in Griechenland hingegen faktisch pleite sind. Damit betreibt die EZB Konkursverschleppung.
Die Voten des Bundestags zu Griechenland-Hilfen
Die Regierungsfraktionen von Union und FDP sowie die oppositionellen Grünen stimmen mit wenigen Ausnahmen einer Bürgschaft für Notkredite von bis zu 22,4 Milliarden Euro bis 2012 zu. Die meisten SPD-Abgeordneten enthalten sich, die Linke stimmt dagegen.
Zweites Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro bis Ende 2014. Dabei verfehlt die schwarz-gelbe Koalition die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit (50 Prozent plus 1 Stimme). Bei Union und FDP gibt es einige Nein-Stimmen und Enthaltungen. SPD und Grüne stimmen mehrheitlich dafür, die Linke votiert mit Nein.
Der Bundestag stimmt mit großer Mehrheit für die Ausweitung des Rettungspakets. Schwarz-Gelb erreicht erneut nicht die symbolisch wichtige Kanzlermehrheit. Einige Abgeordnete von Union und FDP votieren mit Nein. Auch SPD und Grüne stimmen mehrheitlich zu, die Linke ist dagegen. Die EU-Finanzminister können weitere Hilfskredite an Athen in Höhe von 43,7 Milliarden Euro freigeben.
Der Bundestag stimmt mit überwältigender Mehrheit der Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland zu. Dafür votierten nach Angaben von Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth 542 Abgeordnete, 32 Parlamentarier lehnten den Antrag ab, 13 enthielten sich.
Quelle: dpa/rtr
Das dritte Hilfspaket wird auf den Weg gebracht. Widerstand kam vor allem aus den Kreisen von CDU/CSU: 66 Unions-Abgeordnete verweigerten sich dem Hilfspaket - 63 von ihnen stimmten mit "nein", drei weitere enthielten sich. Insgesamt votierten 453 Abgeordnete mit "ja", 113 mit "nein" und 18 enthielten sich.
Quelle: rtr
6. Was passiert, wenn die Griechen ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können?
Stellt die Regierung ihre Zahlungen an die Beamten und heimischen Lieferanten des Staates ein, bleiben die Folgen auf Griechenland beschränkt. Anders sieht es jedoch aus, wenn Athen die Bedienung seiner Schulden gegenüber ausländischen Gläubigern verweigert. Schon das Ausbleiben von Zinszahlungen wird als Staatsbankrott gewertet. Dann müssen die Halter von griechischen Staatsanleihen ihre Forderungen abschreiben. Das träfe in erster Linie die griechischen Banken. Deren Eigenkapital aber reichte kaum, um die Verluste auszugleichen, zumal es in erheblichem Maße auf Steuerforderungen gegenüber dem Staat beruht. Geht dieser pleite, sind auch die Steuerforderungen nichts mehr wert (siehe WirtschaftsWoche 9/2015). In diesem Fall müssten die Banken rekapitalisiert werden. Ob die dafür bisher vorgesehenen knapp elf Milliarden Euro reichen, ist fraglich. Notfalls müssten wohl die Steuerzahler der Geberländer – beispielsweise durch Anleihen des Euro-Rettungsschirms ESM – einspringen. Vor allem deutsche Steuerzahler würden bei einer Staatspleite Griechenlands kräftig zur Ader gelassen. Durch Abschreibungen auf bilaterale und multilaterale Kredite entstünden ihnen nach Berechnungen von Hans-Werner Sinn, Chef des Münchner ifo Instituts, Kosten von bis zu 86 Milliarden Euro.
7. Welche Möglichkeiten hat die Euro-Gruppe, einen Staatsbankrott Griechenlands zu verhindern?
7,2 Milliarden Euro umfasst die letzte noch nicht ausgezahlte Tranche aus dem laufenden Hilfsprogramm für Griechenland – Geld, das die griechische Regierung so schnell wie möglich erhalten möchte. Allerdings wollen die Finanzminister den Betrag erst freigeben, wenn Griechenland Reformen umsetzt. Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hat angedeutet, dass er sich eine Auszahlung in Raten vorstellen kann, wenn die griechische Regierung glaubwürdig nachweist, dass sie die Vorgaben erfüllt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich allerdings schon dagegen ausgesprochen. Auch aus Finnland kommt ein deutliches Nein zur Teilung der Tranche. Dort wird am 19. April gewählt. Eine Teilauszahlung vorher ist politisch völlig undenkbar.
Die Vorhaben der Syriza-Partei
8. Wird die Syriza-Partei ihre unrealistischen Wahlversprechen brechen?
In dieser wichtigen Frage, die nicht nur über die Zukunft der Regierung, sondern auch über das Schicksal des ganzen Landes entscheidet, ist Syriza tief gespalten. Man darf nicht vergessen: Es handelt sich nicht um eine organisch gewachsene politische Partei, die auf der Basis eines gemeinsam erarbeiteten Programms steht. Das „Bündnis der radikalen Linken“, so der offizielle Name, ist Sammelbecken für ein Dutzend ideologisch ganz unterschiedlicher Gruppen und Grüppchen. Das Spektrum reicht von ehemaligen moskautreuen Kommunisten über Neomarxisten, Trotzkisten und Maoisten bis hin zu Linkssozialisten. Alexis Tsipras, der Syriza seit 2008 führt, scheute bisher die programmatische Klärung. Das wird nun zu einem Problem. Denn der linksextreme, europafeindliche Flügel, der etwa ein Drittel der Partei ausmacht, pocht darauf, dass die Regierung ihre Wahlversprechen eins zu eins umsetzt. Dass dies zum Staatsbankrott führen und Griechenland aus dem Euro und letztlich auch aus der EU katapultieren würde, stört die Linksextremisten nicht – es ist sogar ihr Ziel.
Die schrägsten Varoufakis-Zitate
"Die monumentale Aufgabe, vor der wir stehen, liegt darin, den Geist der Troika zu vertreiben, ihre Mentalität auszulöschen und ihre Macht in Europa, nicht nur in Griechenland, zu beenden."
"Heute zu sagen, dass die Griechen zahlen müssen, was mir vernünftig erscheint, heißt, dass die üblichen Opfer noch mehr leiden müssen. Das ist eine Einstellung Auge um Auge, Zahn um Zahn, eine Art biblische Wirtschaft, die jeden in Europa hilflos macht."
"Zu jedem verantwortungslosen Kreditnehmer gehört ein verantwortungsloser Kreditgeber. Vor 2010 hat das im Überfluss vorhandene Kapital in Griechenland einen Tsunami an Schmarotzer-Krediten ausgelöst."
"Im Mittelalter haben „Ärzte“ Aderlässe verschrieben, die oft eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten auslösten, auf die der „Arzt“ mit weiteren Aderlässen reagiert. Das ist die Art von Gedankengang, die perfekt die Einstellung Europas zeigt: Je mehr die Austerität scheitert, desto mehr wird von ihr verschrieben."
"Wenn wir in Europa unter einem Defizit leiden, dann ist es ein Defizit an Demokratie. Davon profitieren schwarze Mächte, die Demokratie und Menschenrechte aushöhlen wollen."
"Europas heutige Haltung ist eine Bedrohung für die Zivilisation, wie wir sie kennen."
"Merkel ist die mit Abstand scharfsinnigste Politikerin in Europa. Da gibt es keinen Zweifel. Und Wolfgang Schäuble ist vermutlich der einzige europäische Politiker mit intellektueller Substanz."
9. Steht die griechische Bevölkerung hinter dem Konfrontationskurs der Syriza-Regierung gegenüber den Geldgebern?
Obwohl es in der Athener Regierung bisher alles andere als rundläuft und die Beziehungen zu den europäischen Partnern äußerst gespannt sind, steht die große Mehrheit der Griechen hinter Alexis Tsipras. In einer repräsentativen Meinungsumfrage, die eine Woche nach der Wahl durchgeführt wurde, erklärten 70 Prozent der Befragten, Tsipras mache seine Sache gut. In einer weiteren Erhebung Mitte Februar kam der Links-Premier sogar auf eine Zustimmungsquote von fast 80 Prozent – der höchste Wert, der in Griechenland jemals für einen amtierenden Regierungschef gemessen wurde. Auf die Frage, welche Gefühle sie mit der neuen Regierung verbinden, nennen 52 Prozent „Hoffnung“ und 25 Prozent „Stolz“. Nur zwölf Prozent der Befragten schämen sich für die Tsipras-Regierung. Auch für seine Entscheidung, eine Koalition mit der ultranationalen, rechtspopulistischen Partei Unabhängige Griechen zu bilden, bekommt Tsipras viel Applaus: sechs von zehn Befragten billigen das Bündnis. Die Meinungsumfragen geben aber zugleich ein widersprüchliches Bild: So befürworten etwa sieben von zehn Griechen den harten Kurs der Regierung gegenüber den Geldgebern. Andererseits wollen ebenso viele am Euro festhalten – und zwar „um jeden Preis“. Immerhin jeder zweite Grieche hält, den Demoskopen zufolge, den Staatsbankrott für eine „reale Gefahr“.
10. Wie ernst ist die Drohung mit Neuwahlen, und was wäre das wahrscheinliche Ergebnis?
Syriza hat einen beispiellosen Aufstieg hinter sich: von 4,6 Prozent bei den Wahlen von 2009 über fast 27 Prozent im Jahr 2012 auf mehr als 36 Prozent bei dem Urnengang Ende Januar. Die Krise bescherte Syriza einen gewaltigen Zulauf, vor allem von enttäuschten Wählern der sozialistischen Pasok. Auch wenn die Regierung jetzt öffentlich mit dem Gedanken an Neuwahlen spielt: Ein weiterer Wahlkampf würde das Land politisch und ökonomisch auf Wochen hinaus lähmen und mit großer Sicherheit zu einem Zahlungsausfall führen. Die Versuchung, die Wähler zu den Urnen zu rufen, wenn die Gläubiger hart bleiben und keine neuen Kredite herausrücken, ist für Tsipras dennoch groß. Denn aktuelle Umfragen lassen erwarten, dass er seinen Vorsprung ausbauen könnte: Nach 36,3 Prozent bei der Wahl Ende Januar liegt Syriza in einer Anfang März veröffentlichten Umfrage bei 41,3 Prozent. Damit könnte er ohne Koalitionspartner regieren. Selbst wenn es zu einem Bruch mit der EU kommen sollte, würden viele Griechen das nicht ihrer Regierung anlasten – sondern den Europäern.