All die Jahre hatten sich liberale Marktwirtschaft und autoritäre Herrschaft ausgeschlossen – jetzt stellt uns der Erfolg Chinas vor die intellektuelle Herausforderung, dass Marktwirtschaft auch ohne Demokratie funktioniert, wenn die Marktmacht nur groß genug ist und eine Regierung langfristig denkt und strategisch handelt. Der Aufstieg Asiens konfrontiert Unternehmen mit einer zweischneidigen Herausforderung: Sie haben es mit autoritären Regimes zu tun, die flexibler, schneller und effizienter sein können, denen aber Rechtssicherheit fehlt. Demokratien besitzen zwar mehr Legitimität, deren Kehrseite ist aber ein Mangel an Effizienz und politischer Handlungsfähigkeit. Europas Vorliebe für Inklusivität, Vertragstreue und Menschenrechtspolitik ist rührend – aber oft auch hinderlich und wenig zielführend.
Mehr Pragmatismus wagen
Das Gebot der Stunde heißt Pragmatismus. Was das bedeutet, machen deutsche Mittelständler vor. „Wir klagen in China bei jedem Plagiat“, erzählt Christian Wolf, Geschäftsführer des Anlagenbauers Turck aus Mülheim. „Das kostet viel Geld, schreckt aber ab.“ Ähnlich sollte die Politik vor der WTO oder internationalen Schiedsgerichten vorgehen, um Druck bei Wettbewerbsverzerrungen oder Zollvergehen vonseiten Russlands, Chinas oder anderer Aufsteiger aufzubauen.
Im Einzelfall lohnt der Blick nach Frankreich. Die Diplomaten vom Quai d’Orsay reisen wie jeher als Firmen-Lobbyisten für ihr Land durch die Welt – und fädeln zuweilen große Geschäfte für ihre heimischen Konzerne ein. Eine derart aktive Außenwirtschaftspolitik ist in Teilen des deutschen Diplomaten-Korps verpönt. Zwar hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) jüngst im Interview mit der WirtschaftsWoche mehr Präsenz in der Außenwirtschaftsförderung angekündigt. Doch als Türöffner und Dienstleister für Unternehmen wird das Außenamt in der Wirtschaft zumindest bisher nicht wahrgenommen.
Wer jenseits der EU nach einer respektierten Figur der deutschen Außenpolitik fragt, hört meist nur einen Namen: Angela Merkel. Die Bundeskanzlerin habe das heiße Eisen der China-Diplomatie zur Chefsache erklärt und, so heißt es in Industriekreisen, treffe den richtigen Ton bei der Ansprache des heiklen Themas Menschenrechte – lautlos, aber deutlich, ohne erhobenen Zeigefinger. „Das macht sie richtig gut“, sagt ein deutscher Lobbyist.