Japan Warum die EZB der Fed nacheifern sollte

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Wie Deutschland die USA bei Laune halten sollte

„Wir brauchen keine gigantischen Zinssprünge, eine Absichtserklärung wäre aber sinnvoll“, sagt Dieter. Die Reaktion der Finanzmärkte lässt sich nur schwer abschätzen. „Wenn wir jetzt das Ende der Niedrigzinspolitik einleiten, könnten wir 2017 wieder bei zwei bis drei Prozent Zinsen stehen. Realistisch erscheint es mir aber erst für 2020 und später.“

Größtes Problem von Draghis Zinspolitik: Die Eurostaaten nutzen die Phase des billigen Geldes nicht oder nur ungenügend, um die vielfach angemahnten Strukturreformen umzusetzen. Das gesteht der EZB-Präsident zwar ein. Er könne als Notenbanker aber niemanden dazu zwingen. Natürlich ist Draghi europäischen Regierungschefs gegenüber nicht weisungsbefugt. Würde er den Leitzins anheben, stiege zugleich aber auch der Druck, Reformen durchzuführen. Geld würde wieder teurer werden, Refinanzierungen und weitere Verschuldungen müssten gut überlegt werden.

Für Heribert Dieter gibt es noch einen weiteren Grund, warum Deutschland die Zinswende forcieren sollte – einen, der sich vor allem aus deutscher Sicht auszahlen würde. Die Vereinigten Staaten, die derzeit eine Re-Industrialisierung ihrer Wirtschaft erleben, haben Frankreich im letzten Jahr als wichtigsten Handelspartner der Bundesrepublik abgelöst. „Im Moment steht der Euro niedrig, was schlecht für die USA ist“, sagt Dieter.

Für die Europäer ist es daher verhältnismäßig teuer US-Produkte zu importieren. Höhere Zinsen würden wohl dazu führen, dass der Euro aufwertet. Deutschland und Europa könnten dann US-Waren günstiger importieren, was dem gegenseitigen Handel Auftrieb gäbe. „Es liegt in unserem eigenen Interesse, die Zinsen anzuheben und unseren wichtigsten Handelspartner bei Laune zu halten“, sagt Ökonom Dieter.

So wichtig die Debatte über eine internationale Zinswende wäre, so wenig wahrscheinlich ist sie. Vielmehr ist die Chance hoch, dass es jedes Land letztlich mit eigenen Rezepten probiert: Die Japaner mit mehr Schulden, die USA mit höheren Zinsen und die Europäer mit dem billigen Geld. Beim G7-Gipfel werden sich die Staats- und Regierungschefs wohl sagen, was sie ohnehin schon wissen: Dass sie schlichtweg nicht einer Meinung sind.

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