Cybersecurity
Eine Vielzahl von Rundumkameras überwacht bei Tesla-Limousinen das Verkehrsgeschehen rund ums Fahrzeug. Quelle: REUTERS

Der Spion fährt mit

Vernetzte Geräte – von der Überwachungskamera bis zum Roboterstaubsauger – sollen den Alltag bequemer und sicherer machen. Nun zeigt der Fall Tesla, wie sogar Autos zum Risiko für Firmen- und Privatgeheimnisse werden. 

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Es gibt gute Gründe, vernetzten Autos Verantwortung fürs sichere Fahren im Straßenverkehr zu übertragen. Selbst wenn die Technik noch nicht fürs vollautonome Reisen einsatzreif ist, sorgt doch eine wachsende Armada aus digitalen Helferlein in modernen Limousinen dafür, dass die Wagen riskante Fahrmanöver zumindest vermeiden. 

Was Radarsensoren, Abstandswarner, Spurhalteassistenten und Rundumkameras an Informationen erfassen, hilft immer zuverlässiger, Unfälle zu verhindern. Das ist der gute Teil der Entwicklung. Aber es gibt auch einen anderen, dem der US-Autohersteller Tesla gerade ein unrühmliches Kapitel hinzugefügt hat. 

Denn die zunehmende Vernetzung wird zum Problem für die Cybersicherheit, wenn all die erfassten Daten nicht mehr bloß im Fahrzeug selbst verarbeitet, sondern extern genutzt werden, um die Algorithmen der Autosoftware zu verbessern. Trotz aller Fortschritte beim maschinellen Lernen braucht es nämlich in aller Regel weiter menschliche Assistenten, die die künstliche Intelligenz bei ihren Analysen anleiten und die Software durch entsprechende Hinweise und Markierungen trainieren.

Wenn der Tesla zum Spitzel mutiert

Genau das macht vernetzte Alltagstechnik zunehmend zum Cyberrisiko für Datenschutz, Privatsphäre und kritisches Firmenwissen. Dass sogar Tesla-Limousinen zum Spion in Firmen- oder Privatgaragen, auf Parkplätzen oder an Straßenrändern mutieren können, wie die Nachrichtenagentur Reuters vergangene Woche enthüllte, sollte Sicherheitsverantwortliche in Unternehmen ebenso alarmieren wie Konsumenten mit Faible fürs Digitale.

Schließlich übermitteln die amerikanischen E-Limousinen in großem Umfang Videobilder in Teslas Rechnersysteme, die dort teils automatisch, vielfach aber auch von menschlichen Analysten ausgewertet werden, um die Zuverlässigkeit der Bild- und Videoerkennung zu verbessern. Die Algorithmen helfen unter anderem, die Autos beim (teil-)autonomen Fahren in der Spur zu halten. Sie sollen aber auch Alarm schlagen und die Fahrzeughalter warnen, wenn sich Verdächtiges im Umfeld tut.

Zwar versicherte Tesla nach den jüngsten Veröffentlichungen, die Aufnahmen würden nur anonymisiert und ohne Bezug zum Besitzer des Wagens erfasst. Das aber stimmt nicht wirklich, wie die Reuters-Recherchen belegen: Die Daten enthalten unter anderem einen Ortsbezug. Zudem erlauben die aus den Rundumkameras übertragenen Aufnahmen jede Menge Rückschlüsse auf die Orte der Aufzeichnungen.

Einblick in Garagen und geschützte Firmengelände

Der US-Hersteller beeilte sich, umgehend zu betonen, wie wichtig ihm der Schutz der Kundendaten sei. Mehr als ein Pflichtreflex zur Besänftigung der wütenden Kundschaft war das allerdings nicht. Und erste Klagen gegen die Praxis sind bei US-Gerichten bereits eingegangen

Auf Anfrage der WirtschaftsWoche erklärten Audi, Mercedes-Benz und VW, keine Daten aus Sensoren wie der Frontkamera oder den Kameras für die Parkassistenten zu speichern oder auf Server außerhalb der Fahrzeuge zu übertragen. Bei Mercedes' Sprachassistent MBUX werden Audiodateien von Mercedes-Kunden nur dann für die "Produktverbesserung Sprachbedienung" genutzt, wenn diese explizit per App oder im Kundenportal einer Speicherung und Verarbeitung ihrer Sprachdaten durch den Mercedes-Spracherkennungspartner Cerence zugestimmt haben. Weitere deutsche Hersteller äußerten sich noch nicht, ob und wie sie Bild- oder Audioaufnahmen aus ihren Fahrzeugen zum Training der Fahr- und Sprachassistenten auswerten.

Doch egal, wie restriktiv der Umgang mit den erfassten Bildern, Videos oder Tonaufnahmen auch geregelt sein mag. Der jüngste Tesla-Skandal ist im Grunde nur ein weiterer Warnschuss für Fans des digitalen Alltags, wie leicht Bilder vernetzter Kameras, Sprachbefehle (oder andere Gesprächsschnipsel) von smarten Lautsprechern oder auch Assistenzsystemen in modernen Autos von unerwünschten Dritten unbemerkt mitgesehen, -gelesen oder -gehört werden können.

Schon 2019 hatten Amazon, Google und auch Apple einräumen müssen, dass zumindest ein Teil der von den Assistenten Alexa, Siri und Google Home erfassten Sprachbefehle von Firmenmitarbeitern mitgehört und analysiert wurden. Auch beim Unternehmen Ring, das unter anderem vernetzte Türklingeln und Sicherheitskameras verkauft und heute zu Amazon gehört, bekamen in der Vergangenheit Beschäftigte sowie Polizeibehörden zeitweise in großem Umfang Zugriff auf Videoaufnahmen. Und auch der Hersteller von Staubsaugerrobotern Roomba fiel kürzlich noch durch eine schwere Datenschutzlücke auf, als höchst private Aufnahmen in die Öffentlichkeit gelangten, die die Roboterkameras aufgenommen hatten. 

Sensible Formulierungen im Kleingedruckten

Inzwischen haben zwar alle die standardmäßige Verarbeitung der Aufnahmen gestoppt. Zuvor jedoch hatten sich die Techkonzerne die Zustimmung der Kunden zur Datenanalyse, gut versteckt im Kleingedruckten ihrer Geschäftsbedingungen, als pauschale Einwilligung zur „Qualitätsverbesserung der Dienste“ eingeholt. Tesla verwendete bisher eine ähnliche Formulierung, um sich die Bildauswertung genehmigen zu lassen.

Immobilienfinanzierung Das Haus jetzt kaufen oder warten? Diese Grafiken zeigen das Dilemma

Der Zinsdruck für Immobilienkäufer nimmt ab, Baugeld hat sich deutlich verbilligt. Doch nun stabilisieren sich die Immobilienpreise – und beenden die Zeit für Schnäppchenjäger. Was das jetzt für Käufer bedeutet.

Krankenversicherung Kann ich durch einen späten Wechsel in die KVdR Beiträge sparen?

Unsere Leserin hat festgestellt, dass sie mit Ende 80 womöglich ihren Krankenkassenbeitrag deutlich senken könnte – durch einen rückwirkenden Wechsel in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Stimmt das?

F-35-Bomber in Büchel Dieser Flieger braucht ein sehr spezielles Zuhause

Die Bundeswehr beschafft F-35-Bomber – und muss eilig einen Fliegerhorst umbauen. Die Zeit dafür ist irre knapp. Zu Besuch auf einer der wichtigsten Baustellen der Zeitenwende.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Die Konsequenz für jeden Nutzer muss klar sein: Wer bisher glaubte, die Fahrt in einem mit modernen Fahr- und Sprachassistenten gespickten Dienstwagen, sei eine gute Gelegenheit für vertrauliche Gespräche mit einem Beifahrer oder einer Geschäftspartnerin am Telefon, der sollte schleunigst umdenken.

Dass unter den bei Tesla zirkulierenden Aufnahmen offenbar auch solche waren, die aus der privaten Garage von Firmenchef Elon Musk stammten, mag da wie eine Form ausgleichender Gerechtigkeit scheinen. Sie zeigten einen seltenen Lotus-Sportwagen, den Musk einmal privat ersteigert hatte. Tatsächlich aber unterstreicht auch dieses Detail nur, wie brisant es ist, wenn das eigene vernetzte Auto unbemerkt zum Spion mutiert.

Lesen Sie auch: Deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen nehmen Risiken durch Spionage, Sabotage und die Gefahr zusammenbrechender Lieferketten noch immer nicht ernst genug, warnt der Verfassungsschutz.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%