EU-Wettbewerbsverfahren gegen Apple Durch Amazon genutzte Sonderregel im App Store wirft Fragen auf

Mit seinem App Store hat der Computerbauer Apple die Welt verändert, sich aber auch große Macht über den Softwaremarkt auf Mobiltelefonen gesichert.  Quelle: dpa

Die App des US-Streaminganbieters Amazon Prime Video darf seit dem Frühjahr Umsätze an Apples App Store vorbei abrechnen. Steckt dahinter ein Deal, der problematisch ist? Apple verweist auf eine allgemein gültige Regelung.

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Seit die EU-Kommission vergangene Woche ein offizielles Ermittlungsverfahren gegen den App Store von Apple eröffnet hat, haben sich eine Reihe von Unternehmen zu Wort gemeldet. David Heinemeyer, Mitgründer des Software-Unternehmens Basecamp, betitelte die Manager des iPhone-Konzerns gar als „Mafiosi“ und „Gangster“.

Auch andere erheben schwere Vorwürfe gegen das wertvollste Unternehmen der Welt. Sie alle werfen Apple vor, die eigene Marktmacht zu missbrauchen, indem der Konzern den Zugang zu seinem App-Store – für digitale Anwendungen neben Googles Play Store der zentrale Vertriebsweg – erschwert oder an harte Bedingungen knüpft. So haben die Apple-Prüfer beispielsweise eine Spiele-App von Facebook fünf Mal abgelehnt, weil sie gegen die Regeln des App Stores verstoße. Diese Regeln stellt Apple selbst auf, wie sie zustande kommen, ist nicht transparent.

Ein Beispiel, dass sich die EU-Kommission in den nächsten Monaten genauer anschauen dürfte, ist die Prime-Video-App des US-Konzerns Amazon. Praktisch alle App-Anbieter, die nichtphysische Güter in Apples App Store verkaufen, sind verpflichtet, das Apple-eigene Bezahl- und Abosystem zu benutzen. Hierbei fallen 30 Prozent Provision an, die Apple einstreicht. Bei Abos, die bereits länger als ein Jahr laufen, sind es 15 Prozent. Nicht so bei Amazon: Hier benutzt die Streaming-App das Amazon-eigene Abrechnungssystem, Filme und Serien werden mit dem Amazon-Konto des Nutzers bezahlt. Das haben auch Test-Käufe der WirtschaftsWoche belegt. Dabei führt Amazon laut dem US-Branchendienst „The Verge“ keine Provision an Apple ab.

Der Fall gewinnt noch durch das zumindest erstaunliche Timing der Anwendung der Sonderregelung durch Amazon an Brisanz. Denn von Amazon erstmals genutzt wurde diese im Frühjahr dieses Jahres, also kurz nachdem Apple mit seinem eigenen Streaming-Angebot Apple TV+ auf den Markt kam. Verfügbar war das Angebot gleich auch auf den Fire-TV-Geräten von Amazon, die sich an Fernseher anschließen lassen und mit denen Nutzer nun auch das Apple-Angebot empfangen können.

Es liegt nahe, hinter dieser zeitlichen Koinzidenz mehr zu vermuten als einen Zufall. Von Apple jedoch heißt es auf Nachfrage, dass es spezielle Regeln für solche Videodienste im App-Store gebe, die Amazon einen solchen Bezahlweg erlauben. Diese würden seit einer Weile existieren, nicht für den Einzelfall entwickelt und auch ein Anbieter in Frankreich nutze sie. Apple hält das deshalb für unproblematisch.

Die Frage ist allerdings: Unter welchen Umständen sind diese Regeln entstanden? Hierzu gab Apple bisher keine Auskunft und auch Amazon hüllt sich auf Nachfrage in Schweigen. Zweifelsfrei klären kann es wahrscheinlich am Ende nur die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager in ihrer Untersuchung. „Es scheint, als habe Apple beim Vertrieb von Apps und Inhalten an Nutzer der beliebten Apple-Geräte die Rolle eines ,Torwächters‘ eingenommen“, sagte sie vergangene Woche bei Eröffnung des Verfahrens.

Sollte es tatsächlich einen Deal zwischen Apple und Amazon gegeben haben, könnte die EU-Kommission darin einen Beleg sehen, dass Apple seine Marktmacht im App Store genutzt hat, um indirekt eigene Dienste zu bevorzugen. Apple könnte Anbieter im App Store ungleich behandelt haben, um Apple TV+ einen Vorteil am Markt zu verschaffen. Denn Streaming-Dienste wie Netflix und Spotify versuchen seit Jahren, eine Lösung mit dem Konzern in der Frage zu finden, wie Nutzer über ihre Apps kaufen können, ohne dass eine Provision für Apple anfällt. Apple hatte Spotify nach einer Beschwerde bei der EU vorgeworfen, das Unternehmen wolle „alle Vorteile des App-Store-Ökosystems - einschließlich der beträchtlichen Einnahmen, die es mit Kunden des App Store erzielt - einbehalten, ohne einen Beitrag zu diesem Marktplatz zu leisten“.

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