Legaltech-Start-Up: Dieser Österreicher digitalisiert den Gang zum Notar – und drängt auf den deutschen Markt

Jakobus Schuster aus Wien glaubt, dass auch für Beglaubigungen aller Art die Zeit der Digitalisierung geommen ist
Den Hausarzt konsultieren, einen Kredit aufnehmen, eine Prüfung ablegen – all das und vieles mehr klappt inzwischen auch digital, etwa per Videoanruf. Eines ist allerdings in Deutschland immer noch weitgehend analog: ein Termin beim Notar. Wer Dokumente beglaubigen möchte, muss meist einen Bürotermin vereinbaren und sich Zeit für die Anreise nehmen.
Jakobus Schuster will das ändern. Der studierte Jurist aus Wien glaubt, dass auch für Beglaubigungen aller Art die Zeit der Digitalisierung gekommen ist. Mit dem Start-up Notarity, das er vor zwei Jahren gegründet hat, hat Schuster in Österreich eine digitale Plattform für Online-Notariatsdienste aufgebaut. „Wir ermöglichen es, jederzeit und überall mit Notaren zusammenzuarbeiten“, sagt Schuster.
Nun will der Legaltech-Gründer auch den deutschen Markt erobern: Kunden aus Deutschland sollen ab sofort über die Plattform von Notarity verschiedenste Online-Beglaubigungen durchführen können, von Handels- oder Vereinsregisteranmeldungen bis zu Vollmachten. Dabei vermittelt das Start-up seinen Kunden Notare in Österreich, die die Beglaubigungen via Internet durchführen.
Österreich ist mit solchen digitalen Notardiensten freizügiger als Deutschland. Während dort etwa seit dem Jahr 2019 digitale GmbH-Gründungen erlaubt sind, sind sie es in Deutschland erst seit August 2022. In den vergangenen zwei Jahren hat Schuster 140 Notariate für seine Plattform gewinnen können. „Das ist etwa ein Viertel der Notariate in Österreich“, sagt der Gründer.
Bis 22 Uhr geöffnet
Gegenüber dem persönlichen Besuch beim Notar spare die digitale Plattform Kunden erheblich Zeit, sagt Schuster. Bisher muss etwa, wer eine GmbH anmelden möchte, telefonisch einen Termin bei einem Notar machen, dann zu dessen Büro reisen, Ausweisdokumente vorzeigen, Dokumente unterschreiben. „Bis die beglaubigten Papiere per Post wieder zurück sind, können Wochen vergehen“, sagt Schuster.
Notarity verspricht mehr Tempo. Auf der Plattform können Nutzer mit wenigen Klicks einen Termin buchen. Das soll auch sehr kurzfristig möglich sein. „Sie können zehn Minuten vorher einen Termin buchen“, sagt Schuster. Das sei zeitlich flexibel von sieben Uhr morgens bis 22 Uhr abends möglich. Per Videoident-Verfahren oder elektronischem Personalausweis weisen die Nutzer ihre Identität nach und lassen eine elektronische Signatur erstellen.
In einem Videoanruf machen die Nutzer dann mit der Notarin die nötigen Absprachen, inklusive Belehrung und Verlesung – und digitaler Unterzeichnung der Dokumente. Statt genähtem Papierstapel mit Siegel und Unterschrift aus Tinte erhalten die Nutzer ein digitales Dokument mit einer elektronischen Signatur, die dann durch Verschlüsselung fälschungssicher sein soll.
Notarkammer kritisiert Identifizierungsverfahren
Deutsche Notare darf Notarity gemäß Gesetz allerdings nicht über seine Plattform vermitteln, das ist nur der Bundesnotarkammer und deren digitalen Diensten erlaubt. Die hat eine eigene App entwickelt, die die Daten des elektronischen Personalausweises zur Identifizierung nutzt. „Das in Deutschland zugelassene notarielle Videokommunikationssystem wird von der Bundesnotarkammer und damit in staatlicher Verwaltung betrieben, sodass die sensiblen Daten der Bevölkerung geschützt sind und das höchste Maß an Integrität gewährleistet ist“, sagt Milan Bayram, Pressesprecher der Bundesnotarkammer. Der Zugriff fremder Staaten oder privater Unternehmen sei ausgeschlossen.

„Wir wollen der führende Anbieter für Online-Beglaubigungen in Europa sein“, sagt Gründer Schuster.
Privatanbieter sieht die Bundesnotarkammer kritisch: „Digitale Lösungen im notariellen Bereich in anderen Staaten, wie etwa Österreich, erreichen dieses Maß an Rechtssicherheit nicht“, sagt Bayram. „Die Videoplattformen werden dort häufig von privaten Unternehmen betrieben, die nicht der staatlichen Aufsicht unterliegen.“ Für die Identifizierung ließen die Unternehmen es oft ausreichen, einen Ausweis lediglich in die Kamera zu halten. Die auf diesem Weg erstellten Urkunden würden in Deutschland zu Recht nicht anerkannt. „Verbraucherinnen und Verbraucher gehen ein hohes Risiko bei der Inanspruchnahme dieser Angebote ein.“
Wachsendes Geschäft mit digitalen Beglaubigungen
Notarity-Gründer Schuster sieht für seine Expansion auf den deutschen Markt keine Hürden. Möglich werde das Angebot durch ein Abkommen zwischen Deutschland und Österreich, demzufolge notariell beglaubigte Dokumente im jeweils anderen Land ohne zusätzliche Förmlichkeiten einsetzbar seien. Auch habe das Oberlandesgericht Celle in einem Beschluss entschieden, dass Dokumente, die in Österreich online beglaubigt wurden, gleichwertig zu deutschen Beglaubigungen seien.
Auch die Sicherheit seines Online-Verfahrens sieht Schuster gewährleistet. „Der österreichische Gesetzgeber hat das Beglaubigungsverfahren im Rahmen einer Videokonferenz streng geregelt“, sagt der Gründer. „Das Video-Identifikationsverfahren ist eine bewährte und sichere Methode zur Sicherstellung der Identität von Parteien, das auch in Deutschland etwa zur Eröffnung eines Bankkontos verwendet werden kann.“ Für die Identifizierung der Parteien sei außerdem in einem zweiten Schritt auch stets das Notariat verantwortlich.
Schuster will mit seiner Plattform eine breitere Palette an Diensten anbieten, als sie in Deutschland bisher digital angeboten werden. Und mit einer besonders nutzerfreundlichen Plattform punkten. Inzwischen seien über Notarity mehr als 10.000 Dokumente beglaubigt worden, täglich kämen 150 bis 200 weitere hinzu. „Wir wachsen monatlich um durchschnittlich 20 Prozent“, sagt Schuster. Pro Vorgang stellt Notarity den Notaren eine Abwicklungsgebühr in Rechnung.
Das Ziel stehe fest: „Wir wollen der führende Anbieter für Online-Beglaubigungen in Europa sein.“
5000 aktive Nutzerinnen aus mehr als 100 Staaten weltweit habe die Plattform derzeit, sagt Schuster. Mit einer Finanzierungsrunde in Millionenhöhe hat sich das Start-up im April Mittel für weiteres Wachstum besorgt – nun auch in Deutschland.












