Wenn dagegen eine Techniker Krankenkasse (TK) Apps anbietet, will sie sich damit sicher bei ihren Mitgliedern als moderner Anbieter präsentieren. Aber ihr ist auch das Interesse zu unterstellen, den Nutzern helfen zu wollen – schließlich kosten gesunde Versicherte weniger. So gibt es etwa von der TK die Allergie-App Husteblume, die Pollenwarndienst und Tagebuch verbindet. Andere erklären die Diagnosen, die der behandelnde Arzt nur als Ziffernschlüssel notiert.
Medizinprodukt Tinnitracks
Die Idee der Tinnitracks-Therapie ist es, dass Betroffene täglich eine gewisse Zeit tontechnisch bearbeitete Musik hören, die auf ihre eigene Tinnitusfrequenz abgestimmt ist, um so mit der Zeit den Tinnitus leiser werden zu lassen. Die Idee basiert auf dem Ergebnis entsprechender Studien an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Bislang war das Programm nur als Paket mit Jahreslizenz erhältlich. Kostenpunkt: 539 Euro. Die neuentwickelte Tinnitracks-App bietet Sonormed seit April im Monatsabo für 19 Euro an. Als Behandlungsdauer werden in der Regel sechs bis zwölf Monate empfohlen.
Fachärzte wie etwa Prof. Dr. Birgit Mazurek von der Berliner Charité oder Prof. Dr. Gerhard Hesse von der Deutschen Tinnitus-Liga bezweifeln den Erfolg der Tinnitracks-Therapie. Kernpunkt der Kritik: Wie viele Medizinprodukte gegen Tinnitus fehlen großangelegte Studien, um den Erfolg der Therapie zu belegen.
Selbst an die Behandlung von Krankheiten wagt sich die TK mit der gerade gestarteten App Tinnitracks: Sie hilft Menschen mit Tinnitus, das nervtötende Piepen im Ohr auszublenden. Zuerst ermittelt der Arzt die Tonfrequenz des Martertons. Dann filtert die App sie aus der Lieblingsmusik des Patienten heraus, der er via Handy lauscht. Der Trick: Das regelmäßige Hören gefilterter Musik beruhigt die Nervenzellen und lindert die Tinnitus-Qual.
3. Was passiert mit den Daten?
Weitere Tücken lauern bei der Datensicherheit, wenn intime Infos durchs Datennetz gejagt und bei App-Anbietern ausgewertet werden, sagt Informatiker Albrecht: „Die Entwickler müssen Sorge tragen, dass die Daten verschlüsselt sind.“ Fragwürdig sei, wenn ein Digi-Doc Daten für Werbezwecke sammelt, ohne darüber zu informieren. Gerade einmal vier Prozent der von Kramer untersuchten Diabetes-Apps verfügten aber über eine Datenschutzerklärung.
Der praktische Rat von Karen Walkenhorst, zuständig für Versorgungsinnovation der TK, lautet daher: „Stutzig werden sollte jeder, wenn eine Blutdruck-App den Familienstand oder das Einkommen wissen will.“ Und der Medizinjurist Dierks empfiehlt: „Immer wenn eine App nichts kostet, sollten Sie sich fragen, ob Sie eigentlich der Kunde – oder die Ware sind.“
Wer im App-Dschungel übrigens auf Hilfe der Politiker hofft, wird lange warten müssen. Zwar hat der Bundestag nach fast 20 Jahren Debatte über Telemedizin und elektronische Gesundheitskarte nun endlich ein E-Health-Gesetz beschlossen. Doch das regelt nur den sicheren Austausch von Patientendaten innerhalb des klassischen Gesundheitssystems. Der freie digitale Markt bleibt weiter völlig unreguliert. Die Patienten würden alleingelassen, schimpft Markus Müschenich, Vorstandsmitglied des Bundesverbands Internetmedizin: „Die Vorlagen stammen wohl noch aus einer Zeit, als es keine Smartphones gab.“
Wo Sie die besten Tipps zu Medizin-Apps finden
Tests: Die umfangreichste deutsche Datenbank bietet die Plattform HealthOn
Fragenkataloge: Um sich selbst über Nutzen und Risiken von Apps klar zu werden, können Interessierte die Fragebögen von HealthOn sowie der Techniker Krankenkasse nutzen.
Checklisten: Welche Angaben App-Produzenten liefern sollten, haben das Aktionsforum Gesundheitsinformationssysteme sowie das Peter L. Reichertz Institut zusammengestellt.