Medizin-Apps So funktioniert der Gesundheits-Check per Smartphone

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Drei wichtige Fragen

Solange diese Digi-Docs vor allem Informationen zusammentragen und aufbereiten, können sie relativ wenig Schaden anrichten. Aber wenn sie bei ernsten Leiden Ratschläge erteilen, müssen die medizinischen Grundlagen für die Empfehlungen stimmen. Um sich im verwirrenden Angebot zurechtzufinden, helfen drei Fragen:

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1. Wie gut ist das medizinische Konzept?

Manches auf den ersten Blick einleuchtend klingende Angebot kann schlimmstenfalls lebensgefährlich sein, etwa wenn eine App Krebs aufspüren will – und dann Tumore übersieht. Was eine Forschergruppe aus Pittsburgh 2013 herausfand. Sie hatte Apps analysiert, die mit der Handykamera erkennen soll, ob sich hinter einer verdächtigen Stelle auf der Haut ein bösartiger Tumor verbirgt. Doch drei der vier untersuchten Anwendungen lieferten inakzeptable Ergebnisse. In über 30 Prozent der Fälle gaben sie Entwarnung, obwohl es sich um Krebs handelte. „Vertraut ein Patient auf so eine App und sucht erst mit Verspätung ärztliche Hilfe, kann das die Chancen auf Heilung deutlich verringern“, warnt Urs-Vito Albrecht, stellvertretender Direktor des Peter L. Reichertz Instituts für Medizinische Informatik in Hannover.

„Die Idee scheint ja sinnvoll“, sagt Albrecht. Fast alle Smartphones haben eine hochauflösende Kamera. Doch je nach Beleuchtung und Handhabung des Handys lassen sich die Bilder mal besser, mal schlechter auswerten.

Immerhin gibt es im Netz einige Anleitungen für einen Qualitäts-Check. Eine der wenigen Webseiten, die Apps testet, ist das von Ursula Kramer initiierte Portal HealthOn. Die Bloggerin finanziert das Angebot allein, um frei zu sein vom Einfluss Dritter, macht aber so auch auf ihre Kommunikationsagentur Sanawork aufmerksam. Die Datenbank führt knapp 400 getestete Medi-Apps.

Sie hat unter anderem deutschsprachige Diabetes-Apps analysiert und dabei wenig Zielgruppenorientiertes entdeckt: Obwohl gerade Zuckerkranke wegen ihres Alters und ihrer Erkrankung häufig schlecht sehen, arbeiten einige der Apps mit kleinen, schwer lesbaren Schriften, wie etwa das Diabetes-Tagebuch von Menarini, einem Hersteller von Blutzucker-Messgeräten. Mit dessen sonst passablem Programm dokumentieren Patienten, was sie gegessen haben und ihren Blutzuckerspiegel.

Dabei könnten Apps wichtige Dienste leisten, um Wissenslücken zu schließen oder zu motivieren, meint Kramer, wozu Ärzten oft die Zeit fehlt. Die Anwendungen könnten etwa nach einer Diagnose Diabetes klarmachen, warum der Betroffene daran nicht sterben werde. Diese Ängste beschäftigten die Menschen. Und die Apps können Diabetiker anspornen, Ernährung oder Verhalten anzupassen, wenn die Blutzuckerwerte zu hoch sind, indem sie Menüvorschläge machen oder zum Joggen motivieren.

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2. Wer ist der Anbieter?

Viele Angebote wirken auf den ersten Blick seriös. Doch wer mit welchen Interessen hinter ihnen steckt, ist oft schwer zu erkennen. Bei den von Kramer 2014 untersuchten Diabetes-Apps in Googles Play-Store fehlte bei drei Vierteln ein Impressum. Ebenso gab es oft keine Infos zur Finanzierung der kostenlosen Apps. Nur vier Prozent gaben die Quellen und Autoren preis, auf die sich ihre Methodik oder Ratschläge beziehen.

Nachfragen sei Pflicht, rät daher der Berliner Jurist und Mediziner Christian Dierks, weil viele App-Entwickler nun einmal Softwarespezialisten, medizinisch aber Laien seien. Er empfiehlt transparente Angebote wie die Herzüberwachungs-App Smartheart des israelischen Anbieters SHL Telemedicine. Die sei „datensicher, leistungsstark, vom Patienten einsehbar“, schwärmt er. Sie überwacht mit einem tragbaren EKG-Gerät die Herzfunktion. Nicht nur Algorithmen werten die Daten aus, sondern rund um die Uhr auch Fachärzte, die kontrollieren, ob das Herz aus dem Takt gerät.

Auch Testerin Kramer wünscht sich: „Die Anbieter sollten möglichst unabhängig sein – oder ihre Interessen wenigstens offen kommunizieren.“ Wo etwa Pharmaunternehmen Apps finanzieren, sollte der Nutzer das zumindest wissen.

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