Werner knallhart
Quelle: Marcel Stahn

Schalten Sie endlich Ihre Mailbox ab!

Wann ist eine Telefon-Mailbox eigentlich sinnvoll? Fast immer macht dieses Relikt aus Anrufbeantworter-Zeiten alles nur komplizierter. Dabei existieren längst bessere Möglichkeiten.

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Es gibt feste Bestandteile unseres Lebens, die sind nur noch deshalb feste Bestandteile, weil wir nicht nachdenken, ob sie noch sinnvoll sind.

Ein Beispiel ist der Zigarettenanzünder im Auto. Eine Idee aus Zeiten, in denen Rauchen eher zum Alltag gehörte als Zähneputzen. Heute sind Raucher in der westlichen Welt in der Minderheit. In Deutschland gelten sie als überdurchschnittlich alt und unterdurchschnittlich gebildet. Aber Autohersteller bauen immer noch stur Zigarettenanzünder ein. Warum gibt es im Auto standardmäßig keine Kaugummispender oder integrierten Taschentuchboxen? Antwort: Weil man Kaugummis und Taschentücher auch ganz bequem in die Mittelkonsole legen kann. Wie ein Feuerzeug. Trotzdem gibt es immer noch diesen Zigarettenanzünder.

Und so ist es auch mit der Telefon-Mailbox. Früher hieß sie Anrufbeantworter. Aber das Wort hat sechs Silben, Mailbox beneidenswerte zwei, also Mailbox. Mailbox, Sprachbox, Voicemail, Anrufbeantworter. Nennen wir es, wie wir wollen. Aber denken wir einfach mal darüber nach!

Die Idee mit dem Anrufbeantworter stammt aus Zeiten, in denen der Angerufene noch nicht einmal einen entgangenen Anruf erkennen konnte. Denn - jüngere Leser werden das nicht wissen - früher konnte ein Telefon nur zwei Status melden:

a. Jemand ruft gerade an (Signal: Klingeln)

b. Es ruft gerade keiner an (Signal: kein Klingeln)

Ein Signal für „es hat jemand angerufen, aber du bist ja nicht dran gegangen“ gab es nicht. Geschweige denn den Hinweis, wer angerufen hatte. Wenn der Anrufer den Angerufenen unbedingt erreichen wollte, musste er immer und immer wieder anrufen. Denn auf einen Rückruf konnte er nicht hoffen.

Deshalb war der Anrufbeantworter die Rettung. So konnte man eine Nachricht beim Adressaten abladen, ohne dass der sie sofort zur Kenntnis nehmen konnte. Viele nutzten schon damals den Anrufbeantworter, um etwa den obligatorischen Geburtstagsanruf bei der ungeliebten Tante genau in dem Augenblick zu absolvieren, in dem diese bekanntermaßen wie immer gerade in der Volkshochschule war. Dann sprang eben der Anrufbeantworter an. Der Anrufbeantworter am Festnetz war die SMS der Vorzeit.

Damals klangen aufgesprochene Anrufbeantworter-Nachrichten noch so: „Ja, hallo ich bin´s, Chris, äh, ja, ich erreiche dich gerade nicht. Du kannst ja mal zurückrufen. Bis dann. Ciao!“ Alles klar.

Das Blöde ist: Heute klingen Mailbox-Nachrichten ganz oft immer noch so. Und das ergibt keinen Sinn!

Erstens: Es wird mittlerweile sehr wohl angezeigt, wer in Abwesenheit angerufen hat. Dann sieht der Angerufene den Hinweis in der Liste samt Nummer oder sogar samt Namen aus der Kontakteliste: Huch, Praxis Dr. Meyer hat angerufen, es wird wohl nichts Schlimmes sein mit den Ergebnissen der Darmkrebs-Vorsorgeuntersuchung?

Aber dann kommt auch noch der Hinweis, dass eine Nachricht auf der Mailbox wartet. Beim Abhören der Mailbox erfährt man: „Ja, guten Tag, Praxis Dr. Stefan Meyer. Kerstin Schneider mein Name. Ja, ich erreiche Sie gerade nicht. Bitte rufen Sie doch mal zurück.“ Das ist weder sonderlich erhellend noch sehr effizient. Im Gegenteil: Es macht einen wahnsinnig!

Dank der Rufnummernanzeige sind solche Nachrichten dabei völlig obsolet.

Wer von der Mailbox profitiert

Noch schlimmer ist zweitens: Der Angerufene liefert irgendwo mitten in seiner Ansage dezidierte Informationen ab, die man sich in der Eile aber nicht merken kann.

„Ja, guten Tag, Herr Siebler, Karola Steffens hier. Dings, äh, Sie hatten ja heute Morgen angerufen und hatten um einen Termin gebeten. Das klappt. Am Mittwoch, den 28.02. um 15 Uhr 45. Aber das wird diesmal nicht in der Dagobertstraße sein, sondern im Konferenzraum in der Kieler Allee 23a, das ist das Hinterhaus. Da klingeln Sie am besten beim Pförtner. Die Eingangstür geht zum Lützowwall raus. Das ist rechts rum, gegenüber von REWE, äh Quatsch, das ist ein Penny. Oder Sie geben so einen blöden Code ein an der Klingel, das ist die 35456. Ich wiederhole: 45356. Meine Kollegin holt sich dann am Eingang ab. Sie heißt Marlis Decker. So! Wenn Sie Fragen haben, erreichen Sie mich auf meinem Handy. Das ist die 0163…“

Toll! Da hat es sich jemand einfach gemacht. Alles einfach drauf auf den Server und Haken dran. Weil Herr Siebler so nett war, eine Mailbox einzurichten. Hätte der Mann aus unserem fiktiven Beispiel die Mailbox nicht eingerichtet, was wäre dann wohl passiert?

Nun, Frau Steffens hätte wohl eine E-Mail oder eine WhatsApp geschrieben. Mit allen Infos ordentlich sortiert. Und Herr Siebler hätte den Termin mit dem Finger direkt in seinen Handykalender übertragen können. Oder Herr Siebler hätte einen Anruf in Abwesenheit angezeigt bekommen und hätte dann zurückgerufen.

Ich persönlich hatte auch mal meine Mailbox eingeschaltet. Das müsste von Oktober bis November 1999 gewesen sein. Mit meinem allerersten Handy. Seitdem ist sie aus. Und ich habe noch nie etwas verpasst.

Wer eine Mailbox einschaltet, macht es vor allem den Anrufern leicht. Gut bei Dienstleistern. Aber auch deren Kunden sind ohne Rücksprache oft nicht zufrieden. Wer etwa einem Restaurant einen Reservierungswunsch auf die Mailbox spricht (zumindest bei denen es immer noch nicht online geht), erwartet dennoch einen Rückruf zur Bestätigung.

So fallen mir eigentlich nur zwei Konstellation ein, in denen man um die Mailbox nicht herum kommt:

1. Jemand ruft versehentlich mit unterdrückter Nummer an. Wenn man Glück hat, erkennt man ihn auf der Mailbox.

2. Ein verliebtes Pärchen, das obendrein romantisch veranlagt ist, verbringt einige Tage voneinander getrennt. Er in Dortmund, sie in Sydney. 10 Stunden Zeitversatz. Während er wach ist, schläft sie und umgekehrt. Damit sie zumindest ein paar Sekunden pro Tag gegenseitig ihre Stimmen hören, säuseln sie sich gegenseitig zum Aufwachen und Einschlafen zarte Sehnsuchtsbekundungen auf die Box. Dafür ist die super.

Wobei, Moment, das geht ja auch per Sprachnachricht auf WhatsApp. Ach, schalten wir einfach diese ollen Mailboxen ab.

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