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30 bis 2030 | Friederike Otto„Wir sehen das letzte heftige Zappeln einer Branche, die nicht mehr bestehen kann“

Friederike Otto zeigt, welche Schäden der Klimawandel verursacht. Von der Physikerin kann man lernen, worauf sich die Wirtschaft einstellen muss, wenn die Welt wärmer wird.Henrike Adamsen 08.12.2024 - 14:41 Uhr

Friederike Otto

Foto: Laif

WirtschaftsWoche: Frau Otto, Sie haben ein neues Forschungsfeld mitbegründet. Was ist das Neue an Ihrer Arbeit?
Friederike Otto: Durch unsere Methoden können wir die Frage beantworten, ob, und wenn ja wie sehr, der menschengemachte Klimawandel Extremwetter wie Starkregenfälle und Hitzewellen beeinflusst. Und das wirklich Neue war, dass wir diese Analysen innerhalb von ein, zwei Wochen veröffentlichen, womit wir plötzlich für die öffentliche Diskussion über den Klimawandel relevant geworden sind.

Für jemanden, der keine Ahnung von Physik hat – wie funktioniert die Attributionsforschung, die Sie betreiben?
Wir verwenden Modelle, mit denen Meteorologen das Wetter vorhersagen, und vergleichen die Welt, in der wir heute leben und die bereits 1,3 Grad wärmer ist, mit einer simulierten Welt ohne Klimawandel. Das geht, weil wir genau messen können, wie viele Treibhausgase seit der industriellen Revolution in die Atmosphäre gelangt sind.

Wie entwickelt sich Extremwetter, welche Veränderungen beobachten Sie?
In den letzten drei Jahren hat sich der Klimawandel noch deutlicher als zuvor bemerkbar gemacht: Dürren in Ostafrika, Waldbrände dort, wo es vorher noch nie gebrannt hat. Hitzewellen werden heißer, Starkregenfälle nehmen zu, auch in Deutschland.

Zur Person
Friederike Otto

Wie groß sind sie wirtschaftlichen Schäden, die dabei entstehen?
Nehmen wir die Starkregenfälle und Überflutungen in Spanien vor einigen Wochen. Unsere Analyse zeigt, dass der Klimawandel die Intensität der Niederschläge um etwa 12 Prozent erhöht hat. Das hört sich relativ wenig an, aber man muss bedenken: 10 Prozent intensivere Niederschläge führen zu um 50 Prozent höhere Schäden. Durch den Klimawandel entstehen Wetterereignisse, die so noch niemand erlebt hat. Deswegen kann man sich darauf kaum vorbereiten.

Was sollten Unternehmer und Managerinnen aus den Ergebnissen Ihrer Forschung mitnehmen?
Extremwetter zerstört Straßen und Gebäude. Für die betroffenen Regionen können die Schäden gigantisch sein, betroffene Unternehmen können weggehen und sich woanders ansiedeln. Das Problem sind versiegelte Böden. Bei Starkregen kann das Wasser nicht abfließen, während einer Hitzewelle macht es mehrere Grad Celsius Unterschied, ob eine Straße mit Bäumen bepflanzt ist oder nicht. Je grüner die Städte, desto geringer die Schäden bei Extremwetter. Das ist ein Standortvorteil für alle Kommunen, die sich damit beschäftigen.

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Wir erleben dieses Jahr laut der Weltorganisation für Meteorologie zum ersten Mal Temperaturen, die um 1,5 Grad höher liegen – was bedeutet das für die Wirtschaft? 
Wir haben in diesem Jahr schonmal einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie ein Durchschnittsjahr unter 1,5 Grad globaler Erderwärmung aussehen könnte: Viele Starkregenereignisse, Überschwemmungen auf der ganzen Welt und unglaublich große Schäden. Selbst aus ökonomischer Sicht ist es vollkommen idiotisch weiter auf fossile Brennstoffe zu setzen, weil die Schäden einfach jedes Jahr größer werden, und schon lange viel größer sind als ihr Nutzen.

China hat die Europäische Union mittlerweile überholt, wenn man alle Emissionen zusammen rechnet. Was bringt es, Vorreiter im Klimaschutz zu sein, wenn die Maßnahmen auf Kosten der Industrie gehen?
Die deutsche Industrie hat ja jetzt schon keine Chance mehr, deswegen müssen wir in anderen Industriezweige investieren. China hat zwar neue Kohlekraftwerke gebaut, die laufen aber nicht auf Kapazität, sondern dienen der Energiesicherheit. Gleichzeitig hat das Land massiv in erneuerbare Energien investiert, ist weltweit führend bei Elektroautos, während Deutschland das verschlafen hat. Das macht China doch eher zum Beispiel, wie man aus der Transformation einen wirtschaftlichen Gewinn machen kann.

Auf China zu zeigen, ist Ihrer Meinung nach also nur eine Ausrede?
Immer weiter zu Klimaschäden beizutragen und gleichzeitig Autokonzerne staatlich zu retten, als lebten wir noch in den 60er Jahren, wird jedenfalls nicht gutgehen. Die Gewinneinbrüche der deutschen Autobauer zeigen das.

Auf der Klimakonferenz in Aserbaidschan haben sich die Industrieländer auf ein neues Finanzierungsziel für internationalen Klimaschutz geeinigt. 300 Milliarden Euro sollen fließen – ist das genug?
Auf diese Zahl hat man sich nur geeinigt, damit die COP29 zu Ende gehen kann. Eine Billion Euro standen als Forderung im Raum. Die internationalen Verhandlungen sind sehr von den kurzfristigen Einzelinteressen der fossilen Industrie beeinflusst. Der Mehrheit der Menschen würde es besser gehen, wenn wir jetzt aufhören, fossile Brennstoffe zu nutzen. Die Idee, dass ein gutes Leben an fossile Brennstoffe gebunden ist, bleibt ein mächtiges Narrativ, auch wenn es eine Lüge ist. Aber das Ende dieser Idee ist nur eine Frage der Zeit. Was wir sehen, ist das letzte heftige Zappeln einer Branche, die nicht mehr bestehen kann.

Erstmals kürt die WirtschaftsWoche 30 Köpfe aus Deutschland, die unser Land bis Ende dieses Jahrzehnts prägen, verändern und nach vorn bringen werden. Denn es gibt viele Menschen und Projekte, die Mut machen. Eine Übersicht aller Preisträger finden Sie hier

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