




Bei Gentechnik in Nahrungsmitteln scheiden sich die Geister: Während in USA und Asien die Technologien weitgehend akzeptiert werden, wollen in Europa und vor allem in Deutschland viele Verbraucher die neuen Technologien nicht auf dem Teller haben. Vor allem für den Nachwuchs greifen viele Eltern deshalb zur relativ teuren Bio-Kost – etwa der Bio-Babynahrung von Herstellern wie Hipp oder Demeter.
Doch gerade in diesen Gläschen fanden die Tester des ZDF-Magazins „WISO“ nach ZDF-Angaben gentechnisch verändertes Gemüse (Sendung am Montag, 7.10.2013, um 19.25). Betroffen war gut ein Viertel aller untersuchten Proben der Hipp-Gläschen und sämtliche Proben der Demeter-Holle Babynahrung "Brokkoli mit Vollkornreis“, meldete der Sender vorab.
Die Hersteller der betroffen Baby-Kost wollen nach „WISO“-Angaben nun den Hinweisen nachgehen und die Ware gegebenenfalls vom Markt nehmen. Denn beide Hersteller lehnen Gentechnik in ihren Produkten ausdrücklich ab – auch die jetzt gefundenen sogenannten CMS-Hybride. Dabei steht die Abkürzung CMS für „Cytoplasmatische Männliche Sterilität“: Mit Hilfe eines technischen Tricks werden die männlichen Pflanzen steril gemacht, was die Ernteerträge zum Teil drastisch erhöht.
Gentechnik – ja oder nein?
Das Problem an der Sache ist: Bei der CMS-Technik sind sich selbst Biobauern nicht einig, ob sie zur Gentechnik zu rechnen ist oder nicht. Denn hier werden natürlich vorkommende Gene, die zu einer Verkümmerung der männlichen Geschlechtsorgane bei Pflanzern führen, in Zuchtpflanzen transferiert. Dazu verschmelzen Pflanzentechnologen Zellen miteinander – solche mit dem Kümmer-Gen aus der einen Pflanzenart mit jenen ohne Kümmer-Gen der Kulturpflanzenart – und lassen daraus männlich sterile Pflanzen im Labor wachsen. Die betroffenen Gene sind allerdings nicht im Zellkern angesiedelt, sondern in den Mitochondrien, den sogenannten Kraftwerken der Zellen, die ihr eigens Set an Genen besitzen.
Weil eine Übertragung der entsprechenden Eigenschaften nicht nur durch die Zellfusion im Labor, sondern auch auf natürlichem Wege stattfinden könnte, seien das gar keine gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO), argumentiert der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW): Werde die Zellfusionstechnik bei nahe verwandten Pflanzen eingesetzt, sei sie nicht der Gentechnik zuzurechnen, so der Ökolandbau-Verband.
Als „WISO“ vor zwei Monaten bei Bio-Gemüse CMS-Varianten fand und sie als Gentechnik brandmarkte, entgegnete der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein: „Die Behauptung des ZDF, CMS-Sorten seien Gentechnik, ist falsch. Die getesteten Waren aus CMS-Sorten fallen eindeutig nicht unter das Gentechnikrecht.“
Auch laut EU-Freisetzungsrichtlinie dürfen Bio-Bauern so genannte CMS-Hybride anbauen. Und sogar die sonst gentechnikfeindliche Umweltschutzorganisation Greenpeace widersprach damals: CMS-Hybride seien keine GVO-Pflanzen.
Für Hersteller wie Demeter oder Hipp, die die CMS-Technik aber als Gentechnik einstufen und ablehnen, wird es allerdings immer schwerer, noch Rohware zu finden, die frei von CMS-Hybriden ist. Nach Angaben des Forum Bio- und Gentechnologie betrage laut Bundessortenliste der Anteil der mit CMS-Technik erzeugten Sorten bei Tomaten 90 Prozent, bei Paprika 87, bei Möhren und Kohlarten 80, bei Zwiebeln 63 Prozent. Und diese Hybridsorten hätten längst auch im Öko-Landbau Einzug gehalten.