Eigentlich wollte er noch bis September regieren, als Chef von Europas mächtigster Wissenschaftsorganisation, der Fraunhofer Gesellschaft. Doch nun ist Reimund Neugebauer vorzeitig abgetreten. Einvernehmlich, wie es heißt.
Die Nachfolge tritt Holger Hanselka an, der bisher Präsident des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist. Das entschied jetzt der Fraunhofer Senat.
Der Druck auf Neugebauer war offenbar zu groß geworden. Immer wieder hatte er für negative Schlagzeilen gesorgt, sei es durch das Vermischen privater und dienstlicher Angelegenheiten oder dadurch, dass er in die fragwürdige Vergabe von akademischen Titeln an Volkswagen-Vorstände involviert war. Die WirtschaftsWoche hatte mehrere solcher Vorkommnisse aufgedeckt.
Zuletzt hatte ein Bundesrechnungshofbericht für Wirbel gesorgt, der detailliert Luxushotel-Aufenthalte und Besuche in Nobelrestaurants durch den Fraunhofer-Vorstand kritisierte.
Holger Hanselka neuer Päsident
Schon Anfang des Monats soll es gut informierten Kreisen zufolge eine außerordentliche Senatssitzung gegeben haben, in der mehrere Kandidaten besprochen wurden. Darunter neben Hanselka auch der frühere nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart.
„Hanselka ist der Richtige. Er ist gut im Wissenschaftssystem vernetzt und kann die Fraunhofer Gesellschaft befrieden“, kommentiert ein ehemaliger Vorstand der Organisation die Nachricht. Der neue Präsident kennt Fraunhofer gut, war selbst mehrere Jahre Leiter des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF in Darmstadt. Zudem war er von 2006 bis 2012 Präsidiumsmitglied der Fraunhofer-Gesellschaft.
Schon 2012 hatte er sich offenbar um die Fraunhofer-Präsidentschaft bemüht, damals aber gegen Neugebauer den Kürzeren gezogen. Darauf wechselte er, wie ein Insider berichtet auch nach Unstimmigkeiten mit Neugebauer, ans KIT.
Laut war die Kritik an Neugebauer auch beim Umgang mit Ausgründungen. Die Fraunhofer Gesellschaft hatte den Start-ups ihrer Mitarbeiter immer wieder hohe Lizenzgebühren für Patente abverlangt. Das schreckte Wagniskapital-Investoren ab, viele der Unternehmungen scheiterten. Mehr als ein Dutzend Fraunhofer-Ausgründer hatten sich 2020 nach einem Bericht an die WirtschaftsWoche gewendet und ihr Leid geklagt.
Die Hoffnung ist nun groß, dass Hanselka neue Spielregeln ausgibt. Zwar sei der kein Experte, was Ausgründungen angeht, heißt es. Allerdings habe er beim KIT Leute um sich geschart, die davon Ahnung haben.
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