Rüstung: Der Flugzeugträger wird zum Statussymbol
Der neue türkische Flugzeugträger Anadolu.
Foto: LiveEO/Maxar/GoogleEarthEinst war der Club der Nationen klein, deren Regierungen über einen Flugzeugträger verfügen konnten. Seit einigen Jahren aber wagen sich mehr und mehr Staaten daran, solche Superkriegsschiffe zu entwickeln. Seit die TCG Anadolu in dieser Woche ihren Dienst aufgenommen hat, ist der Club um ein Mitglied reicher: die Türkei.
Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat sich das Schiff viel Geld kosten lassen. Umgerechnet mehr eine Milliarde Euro soll der Bau verschlungen haben. Dabei spielen Flugzeugträger in der modernen Kriegsführung eine immer kleinere Rolle. Das zeigt nicht zuletzt der Ukrainekrieg, in dem bisher kein einziger zum Einsatz gekommen ist. Stattdessen dominieren kleine, billige Kamikazedrohnen die Luft.
Dass dennoch so viele Länder nach den Spezialschiffen streben, dürfte unter anderem einen allzu menschlichen Grund haben: Den Hang zur Machtdemonstration über Statussymbole.
Zuletzt hatte der Untergang des russischen Lenkwaffenkreuzers Moskwa Zweifel an der Zukunftsfähigkeit der riesigen Kriegsschiffe geschürt. Experten glauben, dass moderne Hyperschallraketen beispielsweise aus China selbst die besten und größten Schiffe dieser Art versenken könnten. Der Verlust wäre enorm. Auf einem heutigen US-Träger sind bis zu 5000 Soldaten stationiert.
Doch auch wenn die Ära der Flugzeugträger scheinbar langsam zu Ende geht, sind sie immer noch eines der eindrücklichsten Werkzeug, um die militärische Stärke eines Landes weltweit zur Schau zu stellen. Sie können damit unter anderem diplomatischen Missionen Nachdruck verleihen oder andere Länder einschüchtern. Zuletzt hatte China dies am Osterwochenende getan, als es den Träger Shandong vor Taiwan hat vorfahren lassen, um zusammen mit weiteren Kriegsschiffen eine Invasion der Insel zu proben.
China baut zurzeit seinen dritten Flugzeugträger. Der erste Träger, die Liaoning ist ein modernisiertes russisches Schiff, die Shandong der Nachbau eines russischen Schiffes. Der neueste Träger, die Fujian, wurde dagegen als erster komplett in China entworfen und produziert. Und das Schiff, dass zurzeit von einer Werft bei Shanghai gebaut wird, wird auch der erste Träger des Landes sein, der über ein Katapult verfügt.
Es ist eine Technologie, die bisher nur amerikanische Flugzeugträger und die französische Charles de Gaulle besaßen. Sie sorgt dafür, das von den Schiffen startende Flugzeuge deutlich mehr Waffen und Treibstoff mitnehmen können. Dies erhöht die Kampfkraft und Reichweite eines Trägers enorm. Die Schiffe anderer Nationen nutzen vor allem senkrecht startende Jets wie die britischen Harrier oder eine Art Sprungschanze.
China und die Türkei sind nicht die einzigen Länder, die ihre Seemacht mithilfe dieser Superschiffe nun ausbauen wollen. Indien hat im vergangenen Jahr seinen ersten selbst gebauten Flugzeugträger in Dienst gestellt, die INS Vikrant. Seit 2013 hatte die indische Marine schon einen umgerüsteten russischen Flugzeugträger im Einsatz.
Von der Vikrant sollen zunächst in Russland gebaute MIG-29K-Kampfjets starten. Die sind bereits auf dem bisherigen indischen Flaggschiff INS Vikramaditya im Einsatz. Künftig will das Land den Träger jedoch mit mehr als zwei Dutzend neuen Kampfflugzeugen ausrüsten. Dabei zieht es Medienberichten zufolge französische Rafale-M und amerikanische Boeing F/A-18 Block III Super Hornet in Betracht.
Doch Flugzeugträger kosten wie jedes Statusobjekt sehr viel Geld. Indien ringt so gerade damit, ob es einen weiteren Superträger bauen soll. Der Regierung um Premier Narendra Modi scheint das Geld dafür zu fehlen, heißt es etwa bei der australische Denkfabrik Lowy Institute. Die Regierung denkt nun offenbar darüber nach, einen kleineren Träger anzuschaffen.
Dass diese im Konfliktfall einem großen Träger unterlegen wären, kann das Land nur mit speziellen Kampfjets der fünften Generation ausgleichen. Die können auch auf einem kleinen Träger ohne größere Einschränkung beim Startgewicht abheben. Dafür kommt zurzeit wohl nur die amerikanische F35B infrage.
Mit diesem Flugzeugtyp will auch die italienische Marine ihren einzigen Flugzeugträger, die Cavour, ausstatten. Die ersten zwei F35B hat das italienische Kriegsschiff im vergangenen Jahr erhalten. Mehr Exemplare sollen in diesem Jahr folgen. Die Cavour ist mit 244 Metern Länge der kleinste unter den europäischen Trägern. Bisher sind auf ihr vor allem britische Harrier im Einsatz. Das Flugzeug gilt jedoch als maßlos veraltet. Seinen Erstflug hatte es 1967. Die F35B gilt dagegen als fortschrittlichstes Mehrzweck-Kampfflugzeug der Welt.
Die britische Marine setzt ebenfalls ganz auf den US-Jet. Und auch Großbritannien betrachtet seine zwei neuen Flugzeugträger Queen Elizabeth und Prince of Wales als Zeichen von Stärke. 2021 etwa hatte die britische Regierung die HMS Queen Elizabeth samt Flottenverband zu einer sieben Monate dauernden Reise durch Südostasien und den westlichen Pazifik geschickt. China hatte darauf der britischen Regierung vorgeworfen, „noch immer in Kolonialzeiten zu leben“.
Beobachter glauben, dass Großbritannien so tatsächlich wieder seine Seemacht und seinen Einfluss „östlich von Suez“ geltend machen will. Zudem wurde die Fahrt als Zeichen gedeutet, dass das Land bei einem chinesischen Überfall auf Taiwan an der Seite der USA stehen würde.
Während Länder in Asien erstmals eigene Flugzeugträger bauen, erneuern die USA gerade ihre in die Jahre gekommene Flotte. Die USS Gerald Ford ist bereits im Einsatz, die John F. Kennedy kurz vor Fertigstellung und die neue USS Enterprise gerade in Bau. Gegen die amerikanischen Träger ist der türkische ein wahres Schnäppchen: 13 Milliarden Dollar hat allein der Bau des ersten Schiffes gekostet.
Die neuen Träger sind erstmals mit einem elektromagnetischen Katapult ausgerüstet, das vom Prinzip her wie eine Magnetschwebebahn Vortrieb generiert. Nicht nur braucht das Schiff dadurch keine Behälter mehr, in denen Dampf für das Dampfkatapult aufbewahrt wird. Das schafft jede Menge Platz. Auch kann das Schiff mit dem neuen Katapult 25 Prozent mehr Flugzeuge starten.
Den kleinsten Flugzeugträger besitzt zurzeit Thailand mit der Chakri Naruebet. Das 1996 in Spanien vom Stapel gelaufene Schiff ist heute offenbar kaum noch auf See unterwegs und steht an manchen Tagen sogar Touristen offen.
Eine Aufnahme vom vergangenen Dezember zeigt, dass die Farbe auf dem Flugdeck komplett entfernt wurde. Wahrscheinlich bekam das Schiff gerade einen neuen Anstrich. Auf neueren Aufnahmen erscheint es wieder in Grau.
Die thailändische Armee wollte frühere spanische und britische Harrier-Jets auf dem Schiff stationieren. Doch heute verfügt sie über keine funktionsfähigen Flieger mehr, die von ihm starten könnten, lediglich über Hubschrauber.
Russland verfügt heute nur noch über einen einzigen halbwegs funktionsfähigen Flugzeugträger. Allerdings soll das Regime im Präsident Putin unter dem Codenamen Project 23000E eine neue russische Flugzeugträgergeneration planen. Bis ein solches Schiff in See sticht, dürften noch Jahre vergehen. Wenn es überhaupt kommt.
Spanien verfügt seit 2010 über das Mehrzweckkriegsschiff Juan Carlos I, dass auch als Flugzeugträger eingesetzt werden kann. Es kann immerhin bis zu 20 Flugzeuge aufnehmen. Allerdings sind auch die hierauf verwendeten Harrier ein Auslaufmodell. Wie Spanien diese in den nächsten Jahren ersetzen will, ist aktuell noch unklar.
Lesen Sie auch: Renk gehört zu Deutschlands bedeutenden Rüstungsherstellern. Chefin Susanne Wiegand rechnet vor allem in den USA und in Indien mit Wachstum – der neuen deutschen Rüstungslust zum Trotz.