Menschen gegen Borgs, Jedis gegen Siths: Das All war schon immer ein beliebter Schauplatz für Duelle zweier Mächte – zumindest im Kino. Der jüngste Wettstreit spielt im Orbit der Erde, vor unserer Haustür also. Seine Protagonisten sind dieses Mal keine Filmfiguren, sondern zwei Milliardäre: Elon Musk, Gründer des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX und der Elektroautoschmiede Tesla Motors, gegen Richard Branson, Chef der britischen Virgin-Gruppe.
Beide sind in den vergangenen Jahren ins All aufgebrochen. Musk mit Raketen, die Fracht zur Internationalen Raumstation ISS liefern; Branson mit einem Gleiter, der Touristen und Satelliten in die Schwerelosigkeit bringen soll. Nun gehen die Weltraum-Visionäre in die Vollen: Sie wollen jeweils riesige Satellitenflotten betreiben, die den Planeten mit Drahtlos-Internet versorgen.
Drei Projekte wollen das Internet in den letzten Winkel der Welt bringen
Gründer: Elon Musk
Investoren: Google u. a.
Zahl der Satelliten: bis zu 4000 (geplant)
Flughöhe: 1.200 km
Investitionsvolumen: 10 Milliarden
Start: 2020
Gründer: Greg Wyler
Investoren: Virgin Group, Qualcom
Zahl der Satelliten: 648 (geplant)
Flughöhe: 1.200 km
Investitionsvolumen: 2 Milliarden (geplant)
Start: 2018
Gründer: Greg Wyler
Investoren: Google u. a.
Zahl der Satelliten: 12
Flughöhe: 8.000 km
Investitionsvolumen: unbekannt
Start: 2013
„Wir bauen das Internet im All nach“, verkündete Musk vor wenigen Tagen auf einer SpaceX-Veranstaltung in Seattle. Bis zu 4.000 Kommunikationssatelliten will er in den Himmel schießen. Das wären dreimal so viele, wie derzeit insgesamt in Betrieb sind. Langfristig soll sein fliegendes Netzwerk mehr als die Hälfte des interkontinentalen Datenverkehrs schultern – und jene 4,3 Milliarden Menschen ins Web bringen, die laut dem Verband International Telecommunication Union (ITU) bis heute offline sind.
Am Mittwoch stellte der Unternehmer zwei mächtige Investoren für sein Projekt vor: Google und der Finanzier Fidelity Investments stiegen mit insgesamt einer Milliarde Dollar bei SpaceX ein. Langfristig, erklärte Musk, wolle er zehn Milliarden Dollar in seine Satellitenarmada stecken und 1000 Mitarbeiter anheuern.
Nur wenige Tage zuvor hatte Branson ähnliche Pläne vorgestellt. Der Chef von Virgin Galactic investiert zusammen mit dem kalifornischen Chiphersteller Qualcom in das britische Start-up OneWeb. Das Ziel: eine Flotte von 648 Internet-Satelliten. Der Preis: zwei Milliarden Dollar.
Der Wettlauf privater Unternehmen in den Weltraum, der in den Neunzigerjahren losging, ist damit so spannend wie lange nicht mehr. Der Einstieg von Google bei SpaceX zeigt, dass die junge Branche nun auch die ganz großen privaten Investoren lockt. Vor allem aber könnte das Satelliten-Internet das erste wirklich sinnvolle Großprojekt der privaten Raumfahrer werden.
Bisher ging es den meisten Anbietern darum, Nutzlast preiswert ins All zu fliegen. Doch was die vielen Weltraumfähren überhaupt befördern sollen, blieb vage. Menschen zum Mars? Gerät zum Goldschürfen auf Asteroiden? Bisher reine Visionen. Nun aber, mit seinem Datennetzwerk im Orbit, schafft sich Musk seine eigene Nachfrage. Sein Satellitenprojekt könnte Hunderte Raketenstarts erfordern.
Kreuzfahrer als Pioniere
Branson wiederum erschließt sich mit dem Satelliteninvestment eine zweite Erlösquelle für seine Raketenflieger. Dessen Touristenfähre SpaceShipTwo war Ende Oktober bei einem Test zerschellt. Sie startete von einem Trägerflugzeug in 15 Kilometer Höhe – genauso wie es der Transporter namens LauncherOne künftig tun soll, den Bransons Ingenieure entwickeln. Er soll Kleinsatelliten ins All bringen.
Schon nächstes Jahr, so der Plan, wird die schwebende Abschussbasis in Dienst gehen, die ersten Internet-Satelliten könnten dann 2018 um die Erde kreisen. Musk wiederum will 2020 die ersten fliegenden Funkstationen in den Orbit schicken. Aber gibt es überhaupt eine Nachfrage nach WLAN aus dem Weltall? Und rechnen sich die milliardenschweren Projekte am Ende?
Wer Antworten dazu sucht, sollte vielleicht eine Kreuzfahrt buchen. Auf der Oasis of the Seas etwa, einem der größten Touri-Dampfer der Welt, können die 6.000 Gäste auch auf hoher See in der Karibik per WLAN schnell und bequem im Web surfen. Betreiber Royal Caribbean verbindet das Schiff dazu via Satellit mit dem Internet.
Bits und Bytes aus dem Weltall
Die Bits und Bytes aus dem Weltall liefert der europäische Anbieter O3b. Das Kürzel steht für „Other 3 billion“ – den Plan also, den „übrigen drei Milliarden“ Menschen Zugang zum Internet zu verschaffen, für die es bisher keine Angebote gab. Zwölf Satelliten hat O3b in 8.000 Kilometer Höhe verfrachtet. Von dort versorgt jeder von ihnen eine Kreisfläche mit einem Durchmesser von 700 Kilometern auf der Erde mit Daten. Fliegt der Satellit weiter um die Erde, übernimmt sein nächster Kollege die Übertragung.
Um das Internet von O3b zu empfangen, installieren lokale Netzbetreiber eine mannshohe Satellitenschüssel. Einmal aufgebaut, lassen sich auch mitten in der Wildnis problemlos datenmächtige Netflix-Serien anschauen. Denn die ersten acht Satelliten von O3b erreichen zusammen immerhin eine Übertragungsrate von 84 Gigabit pro Sekunde – das entspricht der Datenmenge von mehr als zwei DVDs.
Neben Royal Carribean hat O3b Kunden in Entwicklungsländern. Etwa einen Mobilfunknetzbetreiber auf Palau, einer Ansammlung von 250 Inseln im Pazifik mit 21.000 Bewohnern. Auch Juba, die Hauptstadt des Südsudans, nutzt den Dienst. O3b will weitere Kunden in der Schifffahrts- und Offshore-Industrie gewinnen, die etwa Bohrinseln im Golf von Mexiko betreiben.
Die Firma wird damit zum Wettbewerber des französischen Kommunikationsunternehmens Eutelsat, des US-Anbieters Iridium oder der britischen Inmarsat. Letztere zeigt, wie lukrativ das Geschäft sein kann: In den ersten drei Quartalen 2014 hat Inmarsat 953 Millionen Dollar Umsatz gemacht – und ein operatives Ergebnis von 324 Millionen Dollar erzielt.
Solche Renditen locken neue Anbieter Zudem hat sich „die Technik für schnelle Datenverbindungen im All in den vergangenen zehn Jahren enorm weiterentwickelt“, sagt Tom Stroup, Präsident des US-Verbands Satellite Industry Association. Seit Kurzem sei Internet via Satellit eine Boom-Branche.
Vorsprung durch Erfahrung
Einer ihrer führenden Köpfe ist O3b-Gründer Greg Wyler. Der arbeitete Berichten zufolge einige Monate lang an einer Satellitenflotte für Google, einem der Geldgeber des Start-ups. Doch offenbar kam es zum Zerwürfnis. Im September verließ er O3b. Nun ist er der Mann hinter dem neuen Spieler OneWeb, das Branson finanziert.
Google-Chef Larry Page ließ sich davon nicht beirren und setzt nun auf SpaceX als weiteren Partner. Wer den neuen Markt der fliegenden Funkstationen dominieren wird – SpaceX, OneWeb oder O3b –, das ist die große Frage.
Wyler hat in OneWeb offenbar wertvolle Lizenzen für bestimmte Funkfrequenzen eingebracht. SpaceX darf diese Frequenzen nicht nutzen. Darum will Musk nun Berichten zufolge zumindest teilweise auf Laser als Übertragungsmittel setzen.
Vor allem aber dürften die Kosten für Bau und Transport der Satelliten darüber entscheiden, wer das Rennen für sich entscheidet. Manches spricht für SpaceX-Chef Musk. Seine Ingenieure haben bereits Erfahrung mit Solarzellen für die Energieversorgung im All und mit Systemen für die Navigation im Weltraum.
Kaffeefahrten ins All
Zudem haben sie jahrelang daran gearbeitet, die preiswerteste Rakete ihrer Klasse zu fertigen. Pro Flug ihrer Falcon-9 kassieren die Kalifornier derzeit 56 Millionen Dollar. Aber auch das ist Musk noch viel zu teuer. Darum entwickelt er eine wiederverwendbare Raketenstufe: Nach dem Flug ins All soll sie zum Startplatz zurückkehren. Die Mehrweg-Rakete könne die Kosten pro Start auf unter sieben Millionen Dollar drücken. Doch ähnlich wie Branson musste auch Musk zuletzt einen Rückschlag hinnehmen. Bei einem Test der Rückkehrtechnik stürzte die Raketenstufe vor Kurzem ins Meer.
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Lyndon und Peter Rive verleasen und installieren mit ihrem Start-up Fotovoltaikanlagen; Musk kofinanziert die Firma seiner beiden Cousins
Schon heute entstehen im SpaceX-Werk in Hawthorne bei Los Angeles die 68 Meter hohen Falcon-9-Geschosse gewissermaßen in Fließbandfertigung. Diese kostengünstige Massenproduktion will Musk nun auf den Bau von Erdtrabanten übertragen und zieht dafür in Seattle eine neue Fabrik hoch. „Manche Satelliten kosten mehr als Raketen“, sagte er bei Bekanntgabe seiner Pläne in der Westküstenstadt. „Wenn wir die Nutzung des Alls revolutionieren wollen, müssen wir sie neu erfinden.“
Gedränge im Orbit
Wichtiges Know-how dazu hat sich SpaceX-Partner Google erst im Sommer gesichert. Da kaufte der Internet-Riese für 500 Millionen Dollar Skybox Imaging, das derzeit zwei Erdbeobachtungssatelliten im All betreibt. Das Start-up will mit billigen Standardbauteilen die Kosten für einen Satelliten auf unter 50 Millionen Dollar senken.
Dass es noch viel billiger geht, beweist das Start-up Planet Labs aus San Francisco. Das hatte Mitte 2014 schon 71 Minisatelliten im All und plant, die Flotte bis Mitte des Jahres auf 131 Stück zu vergrößern. Es will dabei mit rund 160 Millionen Dollar Wagniskapital auskommen. Die nur gut 30 Zentimeter langen Minitrabanten sollen, ausgestattet mit hochauflösenden Kameras, täglich nahezu die gesamte Erde fotografieren. Die Bilder, auf denen noch drei Meter große Details zu erkennen sind, verkauft Planet Labs an Logistikfirmen, Landwirte, Städteplaner oder Minenbetreiber.
Gelingt es Musk und Branson, ihre fliegenden Relaystationen zumindest annähernd so preiswert zu fertigen, dann dürften nur wenige Jahre vergehen, bis es lebhaft wird im Erdorbit. Beide wollen im Gegensatz zu Eutelsat und Inmarsat nicht auf gut 36.000 Kilometer Höhe operieren, sondern auf einem 1.200 Kilometer hohen Orbit – nah genug, um überall auf der Erde blitzschnelle Internet-Zugänge zu ermöglichen. Die Empfangsantenne, verspricht Musk, solle nur 100 bis 300 Dollar kosten.
Der denkt längst weiter. Das Satellitennetz ist für ihn nur eine Geldquelle und ein Testprojekt für ein viel größeres Vorhaben: die Besiedlung des Mars. Noch zu Lebzeiten will er auf dem Nachbarplaneten eine Kolonie gründen, natürlich mit einem eigenen Satelliten-Internet. Dagegen wären Bransons Touristenflüge im Raumgleiter allenfalls Kaffeefahrten ins All.