Elon Musk Neuralink setzt Gehirnchip beim Menschen ein: Ist das wirklich der große Durchbruch?

Quelle: REUTERS

Elon Musks Firma Neuralink verkündet einen Erfolg: einen implantierten Gehirnchip. Über „Telepathie“ sollen Querschnittsgelähmte künftig Geräte über Gedanken steuern können. Ist Musk damit weiter als die Konkurrenz?

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Andere Unternehmen würden eine große Pressekonferenz veranstalten. Elon Musk gibt wichtige Neuigkeiten seines Gehirnimplantat-Start-ups Neuralink einfach mal kurz über seinen Kurznachrichtendienst X bekannt. Am Montagabend kalifornischer Zeit enthüllte der Multimilliardär, dass sein Unternehmen einen Chip in das Gehirn einer Person implantiert habe. „Er erholt sich gut“, sagt Musk. „Erste Ergebnisse zeigen eine vielversprechende Erkennung von Neuronenspikes.“ Damit sind Zellen gemeint, die elektrische und chemische Signale nutzen, um Informationen durch das Gehirn und den Körper zu schicken.

Im März hatte Neuralink die Genehmigung von der US-Arzneimittelbehörde FDA für klinische Studien am Menschen erhalten.

Der Versuch soll laut Musk die Basis für das erste Produkt von Neuralink namens „Telepathie“ sein. „Stellt euch vor, dass ihr euren Computer, Telefon oder jedes andere Gerät steuern könnt, indem ihr einfach nur denkt“, sagt Musk. So als ob Stephen Hawking „schneller kommunizieren könnte als eine Schnellschreiberin oder ein Auktionator.“ Der renommierte britische Physiker und Kosmologe, bekannt durch seine populärwissenschaftlichen Bücher („Eine kurze Geschichte der Zeit“), nutzte wegen seiner ALS-Krankheit einen Rollstuhl und konnte sich nur über einen Stimmcomputer verständigen.

Im Interview erklärt Techunternehmer und Science-Fiction-Autor Felix Holzapfel, warum die Zukunft meist langsamer kommt als gedacht – und unter welchen Bedingungen er sich einen Chip ins Hirn einpflanzen lassen würde.
von Matthias Hohensee

Seit Jahrhunderten beflügelt Wissenschaftler die Idee, das Hirn des Menschen zu reparieren, zu manipulieren oder Maschinen, statt über Tastaturen oder Sprachbefehle, durch Gedanken zu steuern. Der Traum, Gelähmten, Blinden, Stummen und Gehörlosen zu helfen, die Leiden von mit Schizophrenie oder Depressionen geplagten Menschen zu lindern oder sie gar zu heilen, hat nichts von seinem Reiz verloren. Auch die Silicon Valley Konzerne Alphabet und Meta arbeiten daran.

Neuralinks Rivalen

Schon früher hatte Musk angekündigt, dass die ersten Nutzer jene sein würden, die ihre Gliedmaßen nicht mehr gebrauchen könnten. Neuralink befindet sich in einem Wettbewerb um die künftige Gehirn-Maschinen-Schnittstelle, das sogenannte Brain-Computer-Interface (BCI). Dazu gehören unter das Start-up Precision Neuroscience, dessen Chefwissenschaftler ein ehemaliges Gründungsmitglied von Neuralink ist, sowie dessen Wettbewerber Synchron, der unter anderem von Jeff Bezos und Bill Gates finanziert wird.

Precision Neuroscience führte seinen ersten Versuch am Menschen bereits im Juni vergangenen Jahres durch und arbeitet derzeit via Sondergenehmigung der FDA an seinem ersten Produkt.

Neuralink wurde bereits 2016 gegründet und ließ im Frühjahr erste Informationen über seine Arbeit durchsickern, um Talente zu gewinnen. Es ist seitdem immer mal wieder in die Schlagzeilen gekommen. Auch, weil Mitarbeiter absprangen und es Kritik an Tierversuchen gab. Weil Musk allerhand utopisch klingende Versprechen machte – etwa, dass man dank des Chips Sprachen künftig über einen Download ins Hirn lernen könnte – wird Neuralink von traditionellen Wissenschaftlern kritisch gesehen.

Noch sind außer den Botschaften auf X keine Details bekannt. Es lässt sich daher nicht bewerten, ob Neuralinks Versuch ein echter Durchbruch ist. Dass Patienten Hirnimplantate eingepflanzt werden, ist an sich nicht neu. Sogenannte „Hirnschrittmacher“, die das Gehirn mit elektrischen Signalen stimulieren, helfen Parkinson-Patienten, das Zittern zu vermindern. Sie haben sich seit vielen Jahren bewährt, ebenso wie bei Menschen, die an Zwangsstörungen leiden oder an epileptischen Anfällen.

Der US-Forscher Phil Kennedy, der „Vater des Cyborgs“ genannt, erfand bereits in den Achtzigerjahren spezielle Elektroden fürs Gehirn und demonstrierte schon in den neunziger Jahren wie eine vollständig gelähmte Patientin mit ihrer Hilfe einen Computer ansteuerte.

Vor 15 Jahren verpflanzte der US-Konzern Cyberkinetics erstmal einen Chip ins menschliche Gehirn. Einem Team des Battelle Instituts in Columbus im US-Bundesstaat Ohio gelang es vor ein paar Jahren, einem querschnittsgelähmten US-Amerikaner namens Ian Burkhart mit einem Hirnimplantat und einer mit Elektroden versehenen Armbandage die Beweglichkeit seiner Finger und einen Teil des Tastsinns zurückzugeben. Das funktionierte, weil die blockierten Nervenbahnen im Oberarm umgangen wurden. Die Elektroden an der Hand und dem Unterarm sendeten und empfingen Signale aus dem Hirn des Patienten, über Elektroden in der primärmotorischen Rinde seines Frontallappens. Die Muskeln wurden elektrisch stimuliert. Die nötigen Anweisungen aus dem Hirn wurden mittels Software in Echtzeit übersetzt.

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Das Besondere an dem Durchbruch der Battelle-Forscher war, dass sie Bewegung via Gedanken und Tastsinn miteinander kombiniert haben. Burkhart, den ein Schwimmunfall lähmte, konnte dank eines bereits vorher eingepflanzten Implantats seine Hand bewegen, indem er konzentriert daran dachte. Dank des Tastsinns konnte er das nun laut der Forscher auch unbewusst tun, also ohne angestrengt darauf zu fokussieren und beim Greifen den Gegenstand zu sehen.

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