Störenfriede im Flugverkehr Drohnen werden immer stärker zur Gefahr am Himmel

Flugverkehr von Drohnen zunehmend gestört Quelle: dpa

Sie bieten enorme Chancen, bergen aber mitunter große Gefahren: Drohnen. So steigt etwa die Zahl der Störungen des Luftverkehrs. Abwehrtechniken halten nur schwer Schritt mit der rasanten Entwicklung der Technologie.

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Für die britischen Behörden waren erhebliche Störungen des Luftverkehrs mit Drohnen ein Weckruf. Gleich mehrere Tage lang war im Dezember der Londoner Flughafen Gatwick lahmgelegt. Zehntausende Passagiere mussten am Boden bleiben, ohne dass die Polizei die Täter fand. Mit ausgeweiteten Sperrzonen und einer Registrierungspflicht will die Regierung neue Drohnen-Zwischenfälle verhindern. London-Heathrow, Europas größter Flughafen, wird gleich mit militärischer Ausrüstung geschützt.

„Die Gefahr ist groß und wachsend“, sagt Jürgen Beyerer, der sich am Fraunhofer-Institut mit Sicherheits- und Verteidigungsforschung befasst. „Sie müssen eine Drohne gar nicht unbedingt mit Sprengstoff ausrüsten, um einen riesigen wirtschaftlichen Schaden zu erzeugen. Wir haben sehr verletzliche Infrastrukturen, zum Beispiel Flughäfen, die allein durch die Sichtung einer Drohne lahmgelegt werden können. Die muss man widerstandsfähiger machen.“ Und: „Ich glaube, die Flughäfen haben das bisher unterschätzt.“

In Deutschland haben Behinderungen des Luftverkehrs mit Drohnen im vergangenen Jahr um 80 Prozent zugenommen. Die Deutsche Flugsicherung meldet 158 Fälle, davon 125 im Großraum von Flughäfen. Insgesamt 88 Störungen hatte es im Jahr 2017 gegeben, dem bisherigen Rekordjahr.

Immer preiswerter und zugleich leistungsfähiger werden die ferngesteuerten Fluggeräte, die als Spielzeug oder Arbeitsgerät eingesetzt werden. Ganze „Drohnenschwärme“, womöglich mit einem einprogrammierten Flugauftrag, sind der nächste Technologiesprung. Eine enorme Herausforderung für das Militär, für Flughäfen und letztlich auch für Großveranstaltungen.

Experten in Militär und Behörden beobachten sehr genau, wie kleine Drohnen bereits als Waffe eingesetzt werden. Die Bundeswehr schützt sich bei Einsätzen im Ausland auch gegen solche Angriffe. In der jüngsten Ausgabe des Fachblatts „MarineForum“ wird beleuchtet, welche Gefahren von Drohnen oder ganzen Drohnenschwärmen ausgehen, die Sprengstoff oder auch Kampfstoffe tragen können.

In Syrien ist der Einsatz der Eigenbauten als Waffe bereits vollzogen. Nur eines von mehreren Beispielen: Am 8. Januar 2018 meldete das russische Militär, es seien zehn mit Sprengstoff präparierte Flugkörper mit Kurs auf den Luftwaffenstützpunkt Hamaimim geortet worden. Drei weitere Drohnen zielten auf die Marinebasis Tartus. Die Eigenbauten aus Plastik und Holz seien teils abgeschossen, teils zur Landung gebracht worden. Eine Drohne wurde öffentlich ausgestellt.

Als ein Vorreiter bei der Verteidigung gegen Drohnen gilt Israel. Unternehmen dort haben verschiedene Abwehrsysteme entwickelt, wie etwa den „Drone Dome“ des Rüstungsherstellers Rafael und den „Drone Guard“ von Elta, einer Tochterfirma des Rüstungskonzerns IAI (Israeli Aerospace Industries). Ein Rafael-Sprecher, er nennt sich Meir und will seinen vollen Namen nicht nennen, sagt: „Die Bedrohung durch Drohnen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Von einem Gimmick ist es zu einer Waffe geworden, die Terrororganisationen wie der Islamische Staat (IS) einsetzen.“

Aufgabe des „Drone Dome“ sei es, Drohnen zu entdecken und notfalls auszuschalten. Dies sei bis zu einer Entfernung von 3,5 bis 5 Kilometern möglich. Komme eine Drohne einem Flughafen gefährlich nahe, könne man entweder ihre Kommunikationssysteme stören oder die Kontrolle über das Fluggerät übernehmen, um es dann in sicherer Entfernung zu landen. Beide Methoden werden als „Soft Kill“ bezeichnet. Technisch ist auch ein sogenannter „Hard Kill“ möglich - der Abschuss der Drohne mit einer zielgenauen Laserkanone. „Dies ist eine Option, wird aber in der Praxis noch nicht eingesetzt“, sagt er.

Der „Soft Kill“ gefährde Flugzeuge in der Umgebung nicht, weil Drohnen eine deutlich niedrigere Funkfrequenz hätten als Flugzeuge, sagt Meir. Der „Hard Kill“ könne in Zukunft notwendig werden, wenn Drohnen so ausgestattet seien, dass ihre Funkverbindungen nicht mehr gestört werden könnten.

Das gegenwärtig eingesetzte System werde schon alarmiert, wenn in der Umgebung eines Flughafens lediglich die Fernsteuerung einer Drohne angeschaltet werde, erklärt Meir. Eine fliegende Drohne könne auch durch optische Überwachung und sogenannte Sigint-Systeme identifiziert werden - „Signals Intelligence“, die Untersuchung von Datenströmen auf bestimmte Inhalte.

Das System kann von einem Menschen bedient werden, etwa im Kontrollturm eines Flughafens. Im vergangenen Jahr hat Rafael nach Medienberichten für umgerechnet 17,45 Millionen Euro sechs dieser Systeme an Großbritannien verkauft. Dies sei nicht der einzige ausländische Kunde, sagt Meir, will aber keine weiteren Staaten nennen.

Das Abwehrsystem des zweiten israelischen Anbieters, der „Drone Guard“, wurde zum Schutz des jüngsten G20-Gipfels in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires eingesetzt. Ein Elta-Repräsentant bestätigt, das System sei auch in der Nähe des Flughafens eingesetzt worden, während die Staatschefs dort gelandet seien.

In Deutschland sind die Flughäfen für die Eigensicherung des Geländes verantwortlich. Dies bezieht sich aber ausdrücklich auf den Boden. Für den Luftraum ist die Flugsicherung zuständig, aber nur für bekannte und ordnungsgemäße Flugbewegungen. Bei unerlaubten Drohenflügen kommt auch die Polizei ins Spiel: Nur sie ist befugt, „unmittelbaren Zwang“ auszuüben.

„Erfahrung mit Spielekonsolen ist ein Vorteil“

Neben elektronischen Mitteln ist auch ein Schrotschuss denkbar oder der Einsatz eines Wasserwerfers. Sogar Greifvögel wurden schon trainiert, jedoch mit mäßigem Erfolg in der praktischen Anwendung. In der Diskussion sind auch Sperrzonen, die durch sogenanntes Geofencing technisch durchgesetzt werden: Drohnen müssten dafür verpflichtend eine Elektronikkomponente enthalten, die verbotene Gebiete abfragt und den Einflug blockiert.

Allerdings gibt es auch Renn-Drohnen, teils als Eigenbauten, die selbst in engen Gebäuden spektakuläre Mobilität unter Beweis stellen. Beyerer: „Race-Drohnen fliegen so rasant, dass einem der Atem stockt. Da haben Abwehrsysteme auch schlicht Probleme mit der Dynamik dieser Drohnen. Wenn diese schnellen Drohnen dann auch noch mit Autonomie ausgestattet werden, ist man, würde ich sagen, heute hierfür noch nicht gewappnet.“

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