Virtual Reality Mit echten Brillen in künstlichen Welten

Avatare gehen einkaufen oder verhandeln mit Geschäftspartnern – das machen neue Cyberbrillen möglich. Jetzt wird die Technik bezahlbar.

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Die spannendsten Virtual-Reality-Brillen
Ende März verkündete Facebook-Chef Mark Zuckerberg den Kauf des kalifornischen Startups Oculus. 400 Millionen Dollar in bar und 1,6 Milliaden Dollar in Aktien zahlt Facebook für das Unternehmen, das als führender Entwickler von Cyberbrillen gilt. Für die Produktion des ersten Modells, genannt „Rift“ (im Bild eine Illustration) hatte Oculus schon 2,4 Millionen Dollar als Kickstarter-Projekt eingesammelt. Die Rift soll zum Endkundenpreis von 350 Dollar auf den Markt kommen. Quelle: Presse
Bisher allerdings verkauft Oculus nur eine Vorabversion seiner Brille an Entwickler. Sie besitzt – neben mehreren Beschleunigungs- und Drehsensoren, mit deren Hilfe die Rift die Bewegung des Trägers im Raum erkennt – ein integriertes Display mit 1280x800 Bildpunkten Auflösung. Der Bildschirm zeigt mithilfe eines Linsensystems (Bild) Teilbilder für das linke und das rechte Auge. Die finale Version wird voraussichtlich ein mindestens doppelt so hoch auflösendes HD-Display erhalten. Quelle: Sterdeus Wikipedia
Schon die Rift bedeutet einen drastischen Preisrutsch gegenüber früheren Virtual-Reality-Brillen, die mindestens fünfstellige Preise kosteten. Doch Dank der Erfindungsgabe einiger – auch deutscher – Startups klappt der visuelle Einstieg in die Cyberwelten inzwischen sogar für noch viel weniger Geld: Modelle wie die Brille Dive von Durovis oder die Stooksy-VR-Brille von Brevis gibt es schon für 57 beziehungsweise 46 Euro. Noch mal drastisch billiger … Quelle: Marcel Stahn
… ist der nur 20 Euro teure Refugio-3D-Bausatz aus Karton (Bild), den der Deutsche Claudio Panzanaro entwickelt hat. Alle drei Preisbrecher machen sich zu Nutze, dass die Display- und Sensortechnik aus Smartphones der entscheidende technologische Treiber für den Leistungssprung der Rift ist. Warum also nicht gleich das Smartphone als Bewegungssensor und Bildschirm fürs VR-Erlebnis nutzen. Die Brille dient dann nur noch als – billiger – Tragrahmen fürs Handy.
Im Fall der Durovis Dive (Bild) etwa reicht es, sein Smartphone mit einem schaumstoffgepolsterten Bügel in den Rahmen einzuspannen und die beiden beweglichen Linsen in der Brille vor den Augen zu justieren. Dabei profitiert die Bildqualität von der Auflösung des Handys. Je mehr Bildpunkte dessen Bildschirm besitzt, desto feiner aufgelöst ist auch der räumliche, visuelle Effekt beim Betrachten von 3-D-Spielen oder -Videos. Für Handys mit deutlich mehr als fünf Zoll Displaydiagonale aber ist kein Platz im Rahmen. Quelle: Marcel Stahn
Während die Dive als fertig montierte Brille vertrieben wird, fordern der Refugio-3D-Bausatz (Bild) und erst recht die Stooksy-VR-Brille (nächste Seite) den Heimwerker: Dabei ist die Montage fast selbsterklärend. Allein die Linsen muss der Monteur bei der Refugio noch an der richtigen Stelle einsetzen, der Rest lässt sich dann fast selbsterklärend in Form bringen. Das Smartphone wird an der Rückseite hineingesteckt und sitzt dann – trotz Kartonbauweise – auch bei Kopfbewegungen fest in der Brille.
Etwas anspruchsvoller und besonders für verspielte Virtual-Reality-Fans geeignet ist die Stooksy-VR-Brille, die aus Hartschaumstoff besteht. Wer die Montage des 46-Euro-Bausatzes scheut, der kann sich die Brille auch für 55 Euro fertig montiert liefern lassen. Verschieden große Einschübe fixieren Handys unterschiedlicher Baugröße in der Brille. Trotz der leichten Konstruktion macht auch die Stooksy-Brille beim Tragen einen erstaunlich stabilen Eindruck.  Quelle: Marcel Stahn

Sieht so der Einkaufsbummel der Zukunft aus? Kunden hangeln sich an Seilen durch Shoppingcenter, jagen wie Indiana Jones zwischen Geschäften hin und her. Wer am geschicktesten ist, kann Preise wie coole Outdoorjacken oder robuste Trekkingschuhe gewinnen.

Einkaufen als actiongeladenes Abenteuer – Maximilian Volkenborn und Bastian Wolff machen es möglich. Zwar nur virtuell, aber dafür in einer ebenso faszinierenden wie fesselnden Qualität. Für den Trip durch ihr im Rechner entstandenes Shoppingcenter nutzen die Studenten des Studiengangs Retail Design an der Fachhochschule Düsseldorf eine neue Generation von Virtual-Reality-Brillen. Die liefern erstmals schnell genug brillante Bilder, die einen realitätsnahen, fast perfekten Rundumblick im Cyberspace erlauben.

Damit geht endlich in Erfüllung, was die Protagonisten der Virtual Reality (VR) seit mehr als zwei Jahrzehnten versprochen haben – bisher aber nicht massenmarkttauglich einlösen konnten: Wer die Brillen aufsetzt, hat das Gefühl, regelrecht in die künstlichen Welten einzutauchen. Immersion nennen Forscher den Effekt. Der virtuelle Sprung aus einem Flugzeug etwa kann dann ganz real für einen mächtigen Adrenalinkick sorgen – selbst wenn der Nutzer sich gar nicht von seiner Couch bewegt.

Wie Oculus Rift funktioniert
Die Brille „Oculus Rift“ lässt die Anwender in virtuelle Welten eintauchen. Das Gerät sieht aus wie eine übergroße Ski-Brille, vor den Augen steckt ein 7 Zoll (17,8 cm) großer Bildschirm. Das reicht aus, um dem Menschen recht wirksam vorzugaukeln, dass er sich mitten im Geschehen zum Beispiel in einem Spiel befindet. Quelle: AP
Das Display ist eine Spezialentwicklung mit erhöhter Helligkeit und einer besonders hohen Bildwiederholungsrate für schnelle Reaktionszeiten. Ein entscheidendes Element ist eine Menge Sensoren, die Bewegungen verfolgen, damit sich das Geschehen exakt anpasst, wenn man zum Beispiel den Kopf dreht. Die 3D-Effekte sollen besonders gut an menschliche Sehgewohnheiten angepasst werden. Quelle: AP
In der aktuellen Entwicklerversion hängt die fast 400 Gramm schwere „Oculus Rift“ noch an diversen Kabeln für die Stromversorgung und den Anschluss an das Steuergerät. Wann die Brille für Verbraucher auf den Markt kommt, ist nach fast zwei Jahren Entwicklungszeit immer noch offen. Quelle: AP
Spiele und andere Programme müssen speziell angepasst werden, um mit „Oculus Rift“ zu funktionieren. Den Softwareentwicklern werden dafür Programmiercode-Bausteine zur Verfügung gestellt. Quelle: AP
Der Ansatz von Oculus unterscheidet sich fundamental von dem Konzept für die Datenbrille Google Glass. Die „Oculus Rift“ soll den Anwender für eine begrenzte Zeit - etwa für ein Spiel - komplett von der Außenwelt abschirmen. Quelle: AP
Das Konzept von Google Glass dagegen sieht vor, dass die Brille den ganzen Tag lang getragen werden kann. Sie soll ausdrücklich keine Barriere zur Außenwelt bilden. Quelle: dpa

Wichtigster Treiber der Entwicklung ist das US-Start-up Oculus VR, das mit seiner Brille Oculus Rift den längst abgeschriebenen Virtual-Reality-Traum wieder belebt hat. Sein Gründer Palmer Luckey, ein 21-jähriger Student am Institute for Creative Technologies der University of Southern California, hat mit seinem Team gleich zweierlei vollbracht: einerseits der Technik einen enormen Leistungsschub verpasst und anderseits die Geräte drastisch verbilligt. Wer will, kann sich eine der Brillen für gerade mal 350 Dollar vorbestellen.

Dabei ist das Realitätsgefühl, das die Rift vermittelt, gewaltig. Auf dem Festival der digitalen Avantgarde South by Southwest im texanischen Austin soll eine Testerin sogar eine Panikattacke bekommen haben. In der Simulation einer Szene aus der TV-Serie „Game of Thrones“ wurde sie Hunderte Meter hochkatapultiert. Die Frau litt aber unter Höhenangst.

Es ist die Neuerfindung des digitalen Raums – mit kaum absehbaren Folgen: Das faszinierende Eintauchen in die Cyberwelten wird verändern, wie wir spielen, Filme konsumieren oder reisen. Auch wie wir künftig mit Geschäftspartnern kommunizieren, wird sich wandeln.

Statt herkömmlicher Videokonferenzen können Avatare, also Abbilder unserer Körper, im virtuellen Raum zusammensitzen – möglicherweise vernetzt via Facebook. Daneben können Cybervorlesungen das Lernen revolutionieren, die lebensechte Visualisierung von Bauten die Konstruktion von Häusern und virtuelle Malls unsere Art zu konsumieren.

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