Enerkite Das deutsche Drachen-Start-up rüstet gegen Google auf

Winddrachen haben ein geniales Konzept - aber zu wenig Leistung. Das soll sich ändern, denn Google drängt auf den Markt.

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„Doppelter Ertrag, halbierte Kosten, ressourceneffizient und weltweit wirtschaftlich.“ Das Startup Enerkite haut werbetechnisch ganz schön auf die Pauke. Die fliegenden Windenergieanlagen, die das Brandenburger Unternehmen herstellt, sehen zwar auf den ersten Blick aus wie Drachen, die Kinder an windigen Tagen steigen lassen. Dahinter verbirgt sich aber eine ausgeklügelte Technik.

Nun ist es dem zehnköpfigen Team um Firmenchef Dr. Alexander Bormann gelungen, per Crowdfunding 350.000 Euro von Investoren einzusammeln. Damit soll die Entwicklung von ausfallsicheren Seilen und Flügeln sowie eines automatischen Start- und Landevorgangs finanziert werden. Bislang braucht es zur Landung noch ein komplettes Team. Vor allem ist das Geld aber notwendig, um sich Gegenüber Google aufzustellen.

Denn die Zeit drängt. Google ist ebenfalls in das Geschäft mit den Winddrachen eingestiegen und steckt etwa 100 Millionen US-Dollar in die Entwicklung. Bormann sieht es sportlich. Zu laut, zu unsicher – so sieht der Ingenieur das Produkt des Internet-Giganten.

Enerkite sei sicherer, stabiler, man setze auf Erfahrungen aus dem deutschen Maschinenbau. Auch wenn es bei Enerkite mit Gesamtinvestitionen von rund zehn Millionen Euro bis zur Marktreife viel bescheidener zugeht.

Die Brandenburger haben den Vorteil, schon länger an ihrer Anlage zu arbeiten: „Es ist eine Technologie, die sich weltweit nirgendwo als Produkt findet, wo wir aber in der Entwicklung sehr weit fortgeschritten sind“, so Bormann. Wenn alles läuft wie geplant, will Enerkite die ersten Flugwindkraftanlagen 2017 auf den Markt bringen.

Vom Startmast in 300 Meter HöheDiese Anlagen bestehen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff. Sie hängen an einem rotierenden und hochkomplexen Mastsystem. Durch die Drehung des Mastes wird der Flügel auf eine Bahngeschwindigkeit gebracht, bis er genügend Auftrieb hat und sich vom Mastende löst. 30 Quadratmeter misst der Flügel, der später lediglich 80 Kilogramm wiegen soll – das reicht, um in der Luft zu bleiben.

Der Start des Drachen sieht dann so aus:

Der Teleskopmast wird wieder eingefahren und wartet auf seinen Einsatz bei der Landung. Selbst bei geringen Windgeschwindigkeit kann der Flugdrachen so in die Lüfte steigen – ohne Unterstützung von unten.

Der Flügel segelt dabei quer zum Wind, genau wie der Drache aus Kindheitstagen. Allerdings werden die auftretenden Flügelkräfte durch das Halteseil zum Boden auf eine Generatorwinde übertragen. Der Generator wandelt das Drehmoment des Seils kontrolliert in elektrische Energie um. Deswegen fliegt der Drache möglichst viele Schleifen, damit das Seil auch immer in Bewegung bleibt.

Auf seinem Flug durch den Himmel gelangt der Drache dorthin, wo die konventionellen Windmüller auch gerne hinkommen würden. In 300 Meter Höhe bläst der Wind nicht nur beständiger, sondern auch mit höherer Geschwindigkeit. Und das lohnt sich. Nach den Gesetzen der Physik ergibt eine doppelte Windgeschwindigkeit die achtfache Energieausbeute.

Google hingegen entwickelt ein System, das wie Modellflugzeug aussieht. Der Strom wird dabei direkt am Flügel produziert und mit einem stromführenden Kabel zur Erde geleitet. Die Blattspitzen drehen doppelt so schnell wie ein heutiges Windrad.

Ob die damit verbundene Geräuschkulisse in Deutschland toleriert wird, bezweifelt Bormann. Der Ingenieur aus Kleinmachnow ist davon überzeugt, den Amerikanern mit seiner Technologie die Stirn bieten zu können.

 Größtes Problem: Kleine LeistungFlugwindkraftanlagen haben im Vergleich zu herkömmlichen Windenergieanlagen einige Vorteile: sie brauchen keine aufwendigen Fundamente, Türme oder Zuwegungen. Das spart Stahl und Beton. In die Luft gelangt nur, was unbedingt mitfliegen muss. Im Ressourcenverbrauch stehen Flugkraftwerke laut Enerkite damit zehnmal besser da als die Windgiganten an Land.

Nach Berechnungen der EWC Weather Consult GmbH in Karlsruhe schafft das System zudem bis zu 6000 Volllaststunden und stellt damit herkömmliche Windenergieanlagen völlig in den Schatten, die lediglich auf etwa 3600 Volllaststunden kommen. Allerdings gibt es einen Nachteil. „Bei der installierten Leistung haben wir noch einen langen Weg vor uns“, räumt Bormann ein. Bisher liegt diese bei 30 Kilowatt – das erste Produkt soll 100 Kilowatt haben. Für den Enerkite-Gründer erst der Anfang. Er rechnet mit einer Aufholjagd hin zur Megawatt-Klasse in fünf bis zehn Jahren.

Die Kleinwindanlagen von Enerkite sind vor allem im Binnenland interessant, wo keine zuverlässige Brise weht. „Flugwind funktioniert nicht nur, weil in der Höhe der Wind stärker weht, sondern wir die Möglichkeit haben, die Anlage so auszurichten, dass wir schon bei geringen Windgeschwindigkeiten hohe Leistungen haben.“ Mindestens zwei Meter pro Sekunde benötigt der Flügel, um in der Luft zu bleiben. „ Ab drei Meter pro Sekunde produziert er nennenswerten Strom“, erklärt Bormann. Dies sei rentabel, da die Stromenstehungskosten unter der der Einspeisevergütung liegen.

Der nächste Schritt ist der Export in Regionen mit einem weniger stabilen Netz als in Deutschland. Mit einem integrierten Speicher von 100 Kilowattstunden kann der Flügel dabei auch zur Netzstabilisierung dienen. Oder zur dezentralen Stromversorgung in Regionen ohne Stromleitungsnetz eingesetzt werden. Bormann: „Hierbei können etwa gezielt Diesel-Aggregate durch Flugwindkraftanlagen und damit regenerative Energieerzeugung ersetzt werden.“

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