Künstliche Intelligenz Computer mit Gefühlen

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Baupläne für die digitale Seele bestehen Quelle: Stefan Kröger für WirtschaftsWoche

So wie Menschen Stimmungen ihres Gegenübers aus Mimik, Stimmlage und Aussagen ableiten, trainieren die Entwickler nun auch Rechnern ein empfindsames Gehör an. So wollen Entwickler der T-Labs, dem Forschungszentrum der Deutschen Telekom, und des US-Spezialisten für Sprachsoftware Nuance aus dem Redefluss eines Sprechers dessen Gemütslage destillieren. Geschlecht und Altersgruppe können die Spezialisten bereits per Computer bestimmen. In Ansätzen gilt das auch für die Laune: „Männlich, 30 bis 50 und sauer“, sagt Joachim Stegmann, Projektfeldleiter für Sprachanwendungen bei den T-Labs, „erkennt die Analyse schon sehr sauber.“

Auf dem Weg zum Computerwesen, das uns wirklich versteht, sind Seh- und Hörvermögen aber nur Zwischenschritte. Entscheidend ist, die Rechner so zu programmieren, dass sie aus den Informationen aus Sprach-, Text- und Bildanalyse eigene Handlungen ableiten. „Dabei ist vorerst zweitrangig, ob die Maschinen tatsächlich Gefühle empfinden“, sagt Patrick Gebhard vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. Es gehe vielmehr darum, „dass ihr Handeln für menschliche Betrachter plausibel ist und realistisch wirkt“, sagt der Physiker und Informatiker Gebhard.

Erste Ansätze gibt es bereits. So hat etwa der Bamberger Psychologe Dietrich Dörner in seinem gleichnamigen Buch einen „Bauplan für eine Seele“ entwickelt – und darauf basierend eine Software für digitale Charaktere programmiert. Die nennt er, nach dem griechi-schen Anfangsbuchstaben des Wortes Psyche, „Psi“. In verschiedenen Szenarien, hat Dörner seither untersucht, wie realitätsnah die Software soziales Handeln von Individuen im Computer nachbildet. Als Nächstes will Dörner die Software Selbstreflexion lehren. Er glaubt, dass das machbar ist.

Emotionen selbst erlernen als Roboter

DFKI-Forscher Gebhard nähert sich dem Problem von einer anderen Seite. Er bildet mit seiner Software Alma das komplexe Geflecht jener Faktoren nach, die nach Auffassung vieler Psychologen menschliche Regungen steuern: kurzfristige Emotionen, längerfristig wirkende Stimmungen und jene Kernmerkmale der Persönlichkeit, die Menschen prägen. Noch fehle Alma das automatische Erlernen individueller Auffassungen, räumt Gebhard ein. Bisher muss der Forscher das digitale Wertesystem des Programms manuell justieren. „Beim Menschen geschieht das durch Sozialisation, Umwelt und Erziehung“, sagt er. Den Job könnten bei Computern in Zukunft möglicherweise sogenannte selbstlernende Systeme übernehmen, hofft Gebhard.

An solch einem System arbeitet Peter Fankhänel, der Gründer und Geschäftsführer des Software-Startups Advanced Magic. Angelehnt an Dörners Thesen will er eine Art intelligente Software erzeugen. „Ähnlich wie ein Kind, das Informationen und deren Beziehungen zueinander erfasst und sich so die Welt erschließt.“ Quasi ein Roboter-Baby, das ausgehend von einen Basiswortschatz mit der Zeit immer komplexere Texte verstehen lernt. Im Sommer, hofft Fankhänel, soll das Programm das Wortverständnis eines zwei- bis dreijährigen Kindes haben, „und sich zügig neues Wissen aneignen“. Mit der neuen Software könnten beispielsweise digitale Online-Berater im Internet deutlich interaktiver und flexibler reagieren.

Zum Beispiel die Computer-Kreaturen von Alexander Reinecke, dem Gründer und technischen Direktor von Charamel. Das Kölner Softwarehaus entwickelt digitale Avatare – computergenerierte Cyber-Wesen. Autohersteller wie Volkswagen setzen die interaktiven -Ratgeber ein, um Käufern von Oberklassewagen die integrierten High-End--Unterhaltungssysteme im Dialog zu erläutern. „Reaktion, Animation und Mimik der Computerwesen kann die Software in Echtzeit, abhängig von Frage und Themengebiet, berechnen“, sagt der Charamel-Cheftechniker. Noch greife der Fahrzeug-Computer auf Sprach- und Grafikmodule zurück. In Zukunft aber, hofft Reinecke, sollen die Avatare dank Spracherkennung noch deutlich flexibler und freier mit den Nutzern interagieren.

Mit einer solchen hochgradig autonom agierenden Software faszinieren schon jetzt Andreas Gerber und sein Team die Programmierer von Computerspielen weltweit. Gerbers Unternehmen Xaitment entwickelt Programmmodule, mit denen Spieledesigner virtuellen Charakteren selbstbestimmt wirkende und hochkomplexe Charaktere implantieren.

„Das sind zwar noch immer keine über ihr Handeln reflektierenden Computer“, sagt Entwickler Gerber. „Doch die Maschinenwesen so menschenähnlich und überraschend zu machen, dass der Spieler ihr Verhalten nicht mehr vorhersehen kann, „das ist gegenüber heutigen Spielen ein immenser Fortschritt“.

Stünde er gerade unter Strom, auch Flobi würde vermutlich eifrig nicken.

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