Lutz Fügener ist einer von ihnen. „Die Autobauer wollen jetzt das Bild der Zukunft festlegen, um dies nicht den großen Technologiekonzernen wie Google zu überlassen“, sagt der Designprofessor an der Hochschule Pforzheim. Heute hätten viele Menschen noch das putzig-unprätentiöse Google-Car im Kopf, wenn sie an fahrerlose Autos dächten. Dieses Bild müssten die Hersteller durch neue, buchstäblich einladendere Bilder ersetzen.
Bei diesen Bildern wird das Interieur der Fahrzeuge eine wichtige Rolle spielen. Denn wenn Fahrzeuge miteinander kommunizieren und sich auf Autobahnen in einem konstanten Tempo von etwa 130 Kilometern pro Stunde fortbewegen, werden Dinge, die heute noch maßgeblich den Wert eines Autos bestimmen – Beschleunigung, PS-Zahl, Motorengeräusch – belanglos.
„Heute sind die Hersteller noch sehr aufs Lenkrad fixiert und performancegetrieben“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. „Wenn das keine Rolle mehr spielt, müssen sie den Premiumbegriff anders definieren.“ Die Innenausstattung, so Dudenhöffer, werde das sein, woran sich Hersteller künftig messen lassen müssen: „Das Interieur und künstliche Intelligenz machen das Auto von morgen aus.“
Lutz Fügener wiederum prognostiziert, dass „Autos auch von außen anders aussehen werden“. Ohne Verbrennungsmotor, Lenkrad und feste Plätze für Fahrer und Mitfahrer ergeben sich auch bei der Gestaltung des Äußeren eines Autos größere Spielräume. Und auch diese, so glaubt der Designer, werden Hersteller nutzen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. So seien beispielsweise Autos ohne Frontscheibe denkbar oder Autos mit extrem hohen Motorhauben – je nachdem, was die Reisenden im Inneren als komfortabel empfinden.
Für den Audi Aicon, in dem Pia assistiert, wurde erst das Interieur entwickelt, dann das dazu passende Exterieur. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen Fahrzeug gibt es im Aicon deutlich mehr Beinfreiheit als in einem normalen Pkw.
Wie das selbstfahrende Auto die Wirtschaft jenseits der Fahrzeugbauer verändert
... verbringen zwei von drei deutschen Autofahrern pro Tag in ihrem Wagen. Viel Zeit, um im Internet zu surfen, wenn sie nicht mehr auf den Verkehr achten müssen. Für Boutiquen und Museen, Kinos und Fitnessstudios bedeutet dies: Sie müssen auch online präsent sein, weil sie kaum noch einer zufällig entdeckt, während er aus dem Fenster blickt.
... zusätzlichen Umsatz im Jahr könnte das selbstfahrende Auto Bars, Discos und Kneipen weltweit bringen. Denn Alkohol und Autofahren schließen sich nicht mehr aus. Derzeit trinken die Menschen weltweit Alkohol im Wert von 1,5 Billionen Dollar.
... haben deutsche Unternehmen im vergangenen Jahr für Geschäftsreisen ausgegeben. In Zukunft lässt sich das selbstfahrende Auto als rollendes Bett nutzen. Man fährt abends los und ist am nächsten Morgen am Ziel. Hotels könnten dann allenfalls noch mit einem Angebot zur Morgentoilette punkten.
... des Münchner Stadtgebiets sind durch parkende Autos blockiert. Selbstfahrende Autos werden den Passagier am Ziel absetzen, zum nächsten Einsatz fahren – und so den Verkehr besser steuern. Parkplätze werden also kaum noch gebraucht. Schlecht für die Betreiber von Parkhäusern, die heute in Westeuropa jährlich 50 Milliarden Euro umsetzen.
... Verkehrsschilder und 1,5 Millionen Ampeln gibt es in Deutschland. Die verschwinden. Selbstfahrende Autos fahren auch bei hohem Tempo Stoßstange an Stoßstange, kreuzen und biegen ab – ohne zu stoppen. Selbst den Weg kennen sie.
... nimmt allein Hamburg jedes Jahr mit Knöllchen ein. Selbstfahrende Autos achten aufs Tempolimit und parken nur dort, wo sie auch parken dürfen. Städten gehen also Einnahmen verloren.
... unserer Lebensmittel werden wir in 30 Jahren geliefert bekommen – unabhängig von den Großbritannien und Japan sind die sich selbst steuernden Essenslieferanten testweise schon unterwegs.
... aller Versuche in Deutschland, ein Paket zuzustellen, sind vergeblich. Selbstfahrende Paketautos liefern eine Sendung, wenn der Empfänger sie zu sich ruft – auch nachts und am Wochenende.
... ihres US-Umsatzes macht die Fast-Food-Kette McDonald’s schon heute am Drive-in-Schalter. Im selbstfahrenden Auto können alle Passagiere essen – und nicht nur die auf der Rückbank. Und die Wagen können Fritten und Burger auch ganz allein am Drive-in-Schalter abholen und ausliefern.
Und ins Innere der autonomen Gefährte ziehen neue Angebote ein. Die Windschutzscheibe könnte sich in eine Art Leinwand für Filme und Nachrichten verwandeln. Auf dem Weg zur Arbeit könnte man ein paar Fitnessübungen absolvieren oder sich die Haare schneiden lassen. Designprofessor Fügener hält solche Dienstleistungen auf Rädern für denkbar. Welche davon es einmal geben werde, hänge stark von den Angeboten anderer Branchen ab – und von den Kunden. Was den Menschen nicht wirklich gefällt, wird sich ebenso wenig durchsetzen wie das, was ihnen zu teuer scheint.
Und weil nicht alle Menschen die gleichen Gewohnheiten und nicht den gleich prallen Geldbeutel haben, glaubt Tobias Phleps, Geschäftsführer der Designagentur Brand Union Germany, dass es Autos für verschiedene Zwecke geben wird, die sich je nach Preis in ihrer Ausstattung unterscheiden. Phleps berät Autobauer in Innovationsfragen und geht davon aus, dass sowohl kleine Schlafkapseln über den Asphalt rollen werden als auch große, wohnzimmerartige Luxusautos, in denen jede Fahrt zu einer Businessclass-Reise auf der Straße wird.