Albert Speer "Die Ökobilanz unserer Gebäude ist verheerend"

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Katar setzt auf grünes Gewissen

Herr Speer, das ist Augenauswischerei. Demnach spielt es überhaupt keine Rolle, was die Bürger wollen.

Wenn wir das so sehen würden, hätten wir Schauspieler werden müssen. Natürlich müssen wir die Wünsche der Bürger ernst nehmen. Über ein konkretes Projekt können Sie die Bürger abstimmen lassen, aber nicht über ein Konzept, wie den Masterplan für eine Stadt. Das ist zu abstrakt. In München haben wir zum Beispiel die Leute über den Bau der Allianz-Arena abstimmen lassen. Das war richtig gut organisiert, es gab einen eigenen Wahlkampf. Schlussendlich waren 60 Prozent dafür und wir haben das Stadion gebaut.

Weil wir schon beim Thema Fußball sind: Sie haben acht Stadien für die Bewerbung von Katar zur Fußball-WM 2022 entworfen. Wie passt ihr Engagement in Katar oder Auto-Städte, die Sie in China gebaut haben, eigentlich zu ihrem Image als grünes Gewissen der Architekturszene?

Das passt gut zusammen, wenn man’s richtig macht. In Katar wie in China haben wir Konzepte entwickelt, bei denen die Nachhaltigkeit im Vordergrund steht. Wir haben kein Stadion entworfen, das nicht entweder komplett rückbaubar oder teilweise rückbaubar wäre. Wir haben Systeme entwickelt, die die Stadien energieeffizient herunterkühlen. Und zwar ausschließlich mit Solarenergie. Und die Katarer haben versprochen, den Transport der Sporteinrichtungen nach der WM in ärmere Länder zu finanzieren, wo diese Stadien weitergenutzt werden können.

Wann ist die energetische Sanierung eines Gebäudes wirtschaftlich? Präzise Prognosen sind kaum möglich. Womit Hauseigentümer rechnen und worauf sie bei der Planung achten müssen.
von Andreas Toller

Katar steht wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Würden Sie angesichts dessen  nochmal für das Emirat tätig werden?

Natürlich. Wir sind nach wie vor in Katar, in Saudi-Arabien, in Ägypten oder in Nigeria tätig. Ich finde es aber gut, dass die Medien die Problematik der Gastarbeiter im arabischen Raum im Rahmen der Berichterstattung über die Weltmeisterschaft in Katar beleuchten.

Was entgegnen Sie Ihren Kritikern, die Ihnen vorhalten, dass Sie sich zum Steigbügelhalter von autoritären Machthabern machen lassen?

Ich wehre mich heftig gegen solche Vorwürfe. Erstens wird unser Einfluss maßlos überschätzt. Mit der politischen Ebene in diesen Ländern habe ich als Planer wenig Kontakt. Zweitens bauen wir weder Militärbasen noch überflüssige Paläste. Wir bauen für die Menschen vor Ort. Also habe ich auch überhaupt kein schlechtes Gewissen, mich da zu engagieren. Das was wir da machen, ist nachhaltige Planung und die hilft den Leuten. Ich finde es überheblich und anmaßend, wenn wir  aus deutscher Sicht, den Katarern, den Saudis oder den Chinesen vorschreiben wollen, wie sie ihre gesellschaftlichen Strukturen zu organisieren haben.

Sind denn die Projekte im arabischen Raum lukrativer als jene in Deutschland?

Nein, beides trägt sich geradeso. Reich ist noch keiner von uns geworden.

Sie sind im Sommer 80 geworden, haben ihr 50-jähriges Firmenjubiläum gefeiert: Haben Sie keine Lust, die Arbeit einmal hinter sich zu lassen?

Nein, solange ich gesund, auf den Beinen und engagiert bei der Sache bin, sehe ich da keinen Grund. Und  wenn auch die nächste Generation noch nicht sagt: „Von dem alten Kerl können wir sowieso nix mehr lernen und den wollen wir hier nicht mehr sehen“, sehe ich auch keinen Hinderungsgrund, mich weiter einzubringen. Das macht mir Spaß.

Ihr Vater war sozusagen Hitlers persönlicher Architekt, später auch Rüstungsminister. Denken Sie, Ihre Karriere wäre anders verlaufen, wenn sie beschlossen hätten, Ihren Namen zu ändern?

Also auf den Gedanken bin ich überhaupt nie gekommen.

Wirklich? Anfangs haben Sie doch nur bei anonymen Architektur-Wettbewerben teilgenommen.

Ja, das waren aber auch damals die einzigen Chancen für junge Leute, um den Start in die Selbstständigkeit hinzukriegen. Das hatte mit dem Namen Speer überhaupt nix zu tun. Mit einer Namensänderung erreichen Sie auch nix. Geschichte können Sie nicht vergessen machen.

Herr Speer, vielen Dank für das Gespräch.

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