1. Startseite
  2. Technologie
  3. Umwelt
  4. Elementarschäden: Versicherer erwarten Prämienverdoppelung

Elementarschäden wie HochwasserVersicherer erwarten Prämienverdoppelung

Der Klimawandel treibt die Schadenssummen hoch, rechnen die Versicherer vor. Ohne umfassende, rasche Präventionsmaßnahmen gegen Naturgefahren könnten Policen mittelfristig extrem viel teuer zu werden.Thomas Kuhn 17.06.2024 - 19:18 Uhr

Hochwasser, wie die Sommerflut 2021 unter anderem im Ahrtal, führen in Deutschland zu steigenden Schadenszahlen und -summen. Dazu kommen klimabedingte Schäden wie Sturm, Hagel, Erdrutsche, Trockenheit, Brände und mehr.

Foto: Boris Roessler/dpa

Der GDV rechnet für die kommenden Jahre mit einem massiven Anstieg der Prämien für Wohngebäude- und Elementarschadensversicherungen. Sofern die Politik die Präventionsmaßnahmen gegen klimabedingte Risiken wie Hochwasser, Starkregen, Stürme, Dürren und andere Schäden rasch und erheblich ausbaue, „müssen wir davon ausgehen, dass sich die Prämien für diese Versicherungen allein aufgrund der Schäden bis 2035/2040 verdoppeln“, prognostiziert Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin beim Gesamtverband der Versicherer (GDV) am Montag. Ein zusätzlicher Prämienanstieg als Folge der Inflation sei dabei noch gar nicht einberechnet.

Bedingt durch die immer deutlicheren Auswirkungen des Klimawandels verzeichnen die Versicherer schon jetzt eine starken Zunahme von Schadenszahl und Schadenssummen in beiden Versicherungen. „Egal ob Hochwasser, Stürme oder andere Ursachen, schwere Schadensereignisse, von denen wir in der Vergangenheit davon ausgehen konnten, dass sie statistisch alle hundert Jahre auftreten, treffen die Menschen im Land inzwischen stellenweise schon häufiger als einmal im Jahrzehnt“, sagt die Branchenexpertin. 

Naturkatastrophen

Wir brauchen endlich die Pflichtversicherung gegen Elementargefahren

Kommentar von Thomas Kuhn

„Allein seit Jahresbeginn hatten wir in manchen Regionen eine Häufung von Ausnahmeereignissen mit erheblichen Schäden, wie sie nach bisherigen Berechnungen eigentlich nur viel seltener auftreten dürften“, so Käfer-Rohrbach. In einer ersten Kalkulation rechnet der GDV etwa für die jüngsten Hochwasser in Bayern und Baden-Württemberg mit rund zwei Milliarden Euro Schäden.

Regionen wie Nord- und Mitteldeutschland seien teils wochenlang betroffen gewesen; die Mittelgebirge im Westen und Zentrum der Republik sowie Teile des Schwarzwaldes und der bayrische Alpen- und Voralpenraum in kurzer Folge gleich mehrfach. „Die Versicherungswirtschaft sieht die Auswirkungen des Klimawandels mittlerweile in allen Statistiken“, sagt Branchenexpertin Käfer-Rohrbach. Sie betont, dass die Risiken durch Elementargefahren weit über Schäden durch Hochwasser hinausgingen. Aktuell sind jedoch bundesweit nur rund 54 Prozent der Gebäude gegen Elementarschäden versichert.

Viel mehr Elementarschäden als nur Hochwasser

Die gegenwärtige Diskussion in Politik und Gesellschaft, die sich vor allem auf Überflutungen konzentriere, lasse außer Acht, dass klimabedingte Risiken weit über Hochwasserszenarien hinausgingen. So träfen beispielsweise immer größeren Hagelschäden genauso Regionen im Land, in denen Hochwasser keine primäre Gefahr sind, gleiches gelte für Waldbrände fernab überflutungsbedrohter Gebiete. Das Phänomen zunehmender Naturgefahren sei ein flächendeckendes Risiko, das sich in unterschiedlichen Landesteilen in unterschiedlicher Ausprägung zeige.

Lehren aus dem Hochwasser

„So eine Katastrophe könnte jederzeit wieder passieren“

von Thomas Kuhn

Deutschland brauche deshalb endlich ein schlüssiges Gesamtkonzept von Bund, Ländern und Kommunen für die Prävention, das über die Forderung nach einer Pflichtversicherung für Elementarschäden hinausgehe, so Käfer-Rohrbach. Versicherungen könnten helfen, Schadensfolgen für die Betroffenen zu lindern. Sie seien aber völlig ungeeignet, wenn es darum gehe, die Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen, oder ihre Auswirkungen zumindest zu begrenzen. „Wenn wir bei der Prävention nicht voran kommen, werden die klimabedingten Schäden in den kommenden Jahren so ansteigen, dass die Versicherer Gebäude- und Elementarschadensversicherungen künftig kaum mehr zu ökonomisch tragbaren Konditionen anbieten können.“

Die Erkenntnis sei alles andere als neu und dennoch unverändert drängend, betont Holger Schüttrumpf, Professor für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der RWTH Aachen, der seit vielen Jahren zu Hochwassergefahren, -schäden und -prävention forscht. „Bald drei Jahre nach den verheerenden Fluten, die das Ahrtal und viele andere Gebiete verwüstet und rund 180 Menschenleben gekostet haben, sind wir leider weder bundesweit noch bei vielen lokalen oder regionalen Präventionsmaßnahmen noch nicht entscheidend weiter gekommen.“

„Schutzmaßnahmen brauchen bis zu 40 Jahre“

Es sei seit Jahren bekannt, dass es mehr unversiegelte Flächen für die Versickerung braucht, dass wir unbebaute Überflutungsräume brauchten, dass wir mehr und größere Regenrückhaltebecken benötigten, so der Forscher. Und doch dauere es viel zu lange, bis notwendige Maßnahmen umgesetzt würden, moniert Wasserbauexperte Schüttrumpf. „Ich habe Projekte begleitet, die brauchten 40 Jahre von der Idee bis zur Fertigstellung, das können wir uns angesichts der rasch fortscheitenden Klimawandels und seiner Folgen nicht länger leisten.“

Hochwasserschäden

Wer soll das bezahlen?

von Max Haerder, Sonja Álvarez, Thomas Kuhn und weiteren

Deutlich raschere Genehmigungs- und Vergabeprozesse für Hochwasserschutz aber auch andere Schutzmaßnahmen gegen klimabedingte Risiken fordert auch Cornelia Weigand, während der Flutkatastrophe 2021 Bürgermeisterin des bis zu zehn Meter überfluteten Ahr-Örtchens Altenahr und seit zwei Jahren Landrätin des Landkreises Ahrweiler in Rheinland-Pfalz. Es mangele zudem nicht nur bei der großen Linie in der Prävention, sondern es klemme auch an vielen kleinen Details, so Weigand.

Wohin retten vor den Fluten?

So schreibe die Bauordnung etwa für Neubauten vor, dass die Feuerwehren Menschen bei Bränden über Leitern aus Fenstern retten können müsse. Aber dass es in Überflutungsgebieten auch Fluchtmöglichkeiten aufs Dach brauche, finde sich in keiner Vorschrift. „Im Fall der Flut hat sich gezeigt, dass es zur Todesfalle werden kann, wenn die Menschen nicht aus dem Dach steigen konnten, um sich dort in Sicherheit zu bringen oder vom Helikopter retten zu lassen.“

GDV-Vizegeschäftsführerin Käfer-Rohrbach verweist in Sachen Gefahrenabwehr und Versicherungsschutz auf das Vorbild Schweiz. Dort setzten Bund, Kantone, Wasserwirtschaft, Planungsbehörden und Versicherer seit Jahren gemeinsam ein ganzheitliches Konzept zur Prävention gegen Naturgefahren um. Es reiche von strengen Bauvorgaben über -verbotszonen, bis zur Option von Umsiedelungsverpflichtungen und der Nachweispflicht für Bauherren, den Schutz ihrer Gebäude gegen Naturgefahren nachzuweisen. 

„All das ermöglicht es in der Schweiz seit Jahren, den Menschen eine solidarische und für alle bezahlbare Absicherung gegen Elementarschäden anzubieten“, so Käfer-Rohrbach. So ein Gesamtpaket brauche es auch in Deutschland. „Dann bleibt Versicherungsschutz für Wohngebäude und gegen Elementarrisiken auch bei uns bezahlbar.“

Lesen Sie auch: Neue Katastrophe, alte Debatte: Der Staat als Retter in der Not? Oder doch die Eigentümer der Immobilien beziehungsweise deren Versicherungen?

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
Stellenmarkt
Die besten Jobs auf Handelsblatt.com
Anzeige
Homeday
Homeday ermittelt Ihren Immobilienwert
Anzeige
IT BOLTWISE
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Remind.me
Jedes Jahr mehrere hundert Euro Stromkosten sparen – so geht’s
Anzeige
Presseportal
Lesen Sie die News führender Unternehmen!
Anzeige
Bellevue Ferienhaus
Exklusive Urlaubsdomizile zu Top-Preisen
Anzeige
Übersicht
Ratgeber, Rechner, Empfehlungen, Angebotsvergleiche
Anzeige
Finanzvergleich
Die besten Produkte im Überblick
Anzeige
Gutscheine
Mit unseren Gutscheincodes bares Geld sparen
Anzeige
Weiterbildung
Jetzt informieren! Alles rund um das Thema Bildung auf einen Blick