Wie ein See aus glitzernden und schimmernden Spiegeln breitet sich das Solar-Projekt Ivanpah vor den Clark Mountains in der kalifornischen Mojave-Wüste aus. Zwei große Türme ragen wie Bohrinseln zwischen den schimmernden Flächen hervor. Vom Freeway, der nahe der Baustelle vorbei führt, wirkt es geradezu surreal, wie eine optische Täuschung, die im Wüstensand flimmert.
Das kalifornische Ivanpah liegt nur fünf Meilen von der Staatsgrenze zu Nevada entfernt. Auf dem Weg von Los Angeles in die Casino-Stadt Las Vegas kommen die meisten Reisenden über die Interstate 15 automatisch an dem spiegelnden Solar-Feld vorbei. Über 14 Quadratkilometer misst die Fläche auf der während des Baus bis zu 1.000 Mitarbeiter unterwegs sind. Wenn das Projekt fertig ist, werden 86 Menschen hier einen festen Job bekommen.
Der Bau begann im Oktober 2010 und war das erste gemeinsame Projekt mit den Energieversorgern Pacific Gas and Electric (PG&E) und Southern California Edison. Zu den großen Investoren gehören neben dem kalifornischen Solarunternehmen BrightSource der Internetkonzern Google und der Energiekonzern NRG Energy.
In drei verschiedenen Phasen sollen die Anlagen aufgebaut werden, bis Ivanpah 2013 in Vollleistung gehen soll. Im Frühjahr 2012 stehen zwei der drei geplanten Türme samt ihrer Spiegelfelder. Der dritte und östlichste Turm ist gerade im Bau. Sind die Spiegelfelder einmal fertig und in Betrieb, sollen sie eine Gesamtleistung von 370 Megawatt erbringen. Zum Vergleich: Ein Gaskraftwerk liegt in etwa in der gleichen Größenordnung.
Das Ivanpah-Projekt
Das Ivanpah Solar Project entsteht in der kalifornischen Mojave-Wüste im San Bernardino County nahe der Grenze zum US-Bundestaat Nevada, unmittelbar am Fuß der Clark Mountains und entlang der Interstate 15, die von Los Angeles bis nach Las Vegas führt.
Ivanpah hat eine Gesamtleistung von 370 Megawatt, was in etwa der Leistung eines Gaskraftwerks entspricht. In Kalifornien sollen dadurch über 140.000 Haushalte mit Strom versorgt werden.
Ivanpah bekommt Investitionen in Milliardenhöhe. Allein der Staat unterstützt das Project mit einem Darlehen von 1,6 Milliarden US-Dollar. Hinzu kommen jeweils 168 Millionen US-Dollar von BrightSource und Google, sowie 300 Millionen US-Dollar vom NRG Solar.
Derzeit gibt es nur ein derartiges Projekt in Deutschland: das solarthermische Demonstrations- und Versuchskraftwerk in Jülich (Nordrhein-Westfalen). Dieses wird allerdings nur zu Forschungszwecken genutzt. Zur Zeit kann diese Technik in Deutschland nicht rentabel genutzt werden, da die Zahl der Sonnenstunden und Einstrahlung deutlich geringer ist als beispielsweise in der kalifornischen Wüste.
Moderne Software kombiniert mit Wasserdampf
Und so soll Ivanpah funktionieren: Der Wüstenstrom wird nicht, wie in den meisten Fällen in der Bundesrepublik, durch Photovoltaik – also direkte Sonnennutzung – produziert, sondern mithilfe von hohen Temperaturen und ganz klassisch: Wasserdampf.
In der Mitte eines jeden der drei Spiegelfelder steht ein rund 140 Meter hoher Turm, der über einen Boiler mit Wasser verfügt. Die Spiegel, die ihn umkreisen, werden per Software ständig so ausgerichtet, dass sie die Sonnenstrahlen optimal auf den Boiler richten. Dort erreicht das Wasser daraufhin extrem hohe Temperaturen und verdampft.
Dieser Wasserdampf wird dann durch Rohre zu einer Turbine weitergeleitet, um elektrische Energie zu erzeugen. Die Turbine für das US-Projekt soll Siemens liefern. Bis auf die Wärmequelle handelt es sich dabei um das gleiche Verfahren wie es auch bei Gas-, Kohle und Kernkraftwerken verwendet wird. Nur umweltfreundlicher.
Bereits seit 1985 werden in Kalifornien kommerziell betriebene Solarkraftwerke benutzt, allerdings nach einem anderen System. Die so genannten Parabolrinnen-Kraftwerke, wie sie etwa das deutsche Unternehmen Solar Millenium bis zu seiner Pleite entwickelte, funktionieren nach dem gleichen System, nur dass die Spiegel Rohre oder Rinnen beheizen. Auch für Europa entwickelte Solar Millenium ein solches Kraftwerk. Das erste ging 2008 in Andalusien ans Netz. Inzwischen erzeugen drei Andasol-Blocks insgesamt 150 Megawatt.
Parabolrinnenkraftwerk durch Insolvenz auf Eis gelegt
In Blythe, ebenfalls in der kalifornischen Mojave-Wüste gelegen, hatte Solar Millenium das größte Parabolrinnenkraftwerk der Welt geplant. 1.000 Megawatt sollten hier erzeugt werden – fast drei Mal soviel, wie in Ivanpah. Doch durch die Insolvenz des Unternehmens ist dieses Vorhaben erst einmal gescheitert.
Nun gilt Ivanpah als größtes Sonnenwärmekraftwerk. Technisch ist der Solarturm eine Art Weiterentwicklung der Parabolrinnen-Kraftwerke. Mit neuester Technik und Software soll es deutlich höhere Temperaturen ermöglichen: bis zu 1.000 Grad Celsius statt bislang 500 Grad.
Die 300.000 Spiegel in der Mojave-Wüste sollen die Sonne während des Tagesverlaufs verfolgen und damit eine möglichst hohe Effizienz erreichen. Zu Spitzenzeiten sollen alle drei Kraftwerksanlagen über 140.000 Haushalte in Kalifornien versorgen können.
Kaliforniens Traum von der „sauberen Energie“
Sprechen die Verantwortlichen von den Vorteilen ihres Projekts, so ist es vor allem die „saubere Energie“, die sie loben. „Gemeinsam mit unseren Partnern können wir in Ivanpah ein kostengünstiges, umweltfreundliches und zuverlässiges Solarkraftwerk aufbauen“, sagt etwa Jack Jenkins-Stark, Geschäftsführer bei BrightSource.
Und auch der Präsident der NRG Energy, David Crane, spricht von Ivanpah als einem „glänzenden Beispiel für nachhaltige Energie“. Für die Kalifornier sei es vor allem ein Symbol dafür, dass mit neuster Technologie „sauberer“ Strom produziert werden kann.
Der politische Wegweiser
Die US-amerikanische Umweltpolitik der vergangenen zehn Jahre ist ein Grund, warum ein Projekt mit solchen Dimensionen und enormen Kosten überhaupt möglich wurde.
Bereits 2005 entwickelte die Bush-Regierung ein Konzept, wonach großzügige Projekte, die die Entwicklung erneuerbaren Energien voran bringen, finanziell honoriert werden sollten. Obama vergrößerte den Anreiz und warf insgesamt 45 Milliarden US-Dollar an Krediten, Anleihen und Beihilfen in den Topf, um die Entwicklung erneuerbarer Energien weiterzubringen.
Für Kalifornien ging der damalige Gouverneur Arnold Schwarzenegger noch einen Schritt weiter: Er befreite große Solaranlagen von der Grundsteuer und stellte derartigen Projekten 90 Millionen US-Dollar aus den Einnahmen der kalifornischen Umsatz- und Gebrauchssteuer zur Verfügung.
Auch der neue Gouverneur Jerry Brown hält diesen Kurs und investierte etwa 2011 mehr als 70 Millionen US-Dollar in die Erforschung alternativer Energien.
Mit diesen Subventionen können Solaranlagenbauer bis zu 80 Prozent der Kosten für ihre Milliarden-Dollar-schweren Projekte abdecken. Gründe genug für Energiekonzerne die von der Regierung angebotenen Unterstützungen zu nutzen und in Solar zu investieren.
Milliardenbeträge für Ivanpah
Als eine der ersten Firmen griff BrightSource zu und bekam schließlich neben den riesigen Millionensummen von Partnerinvestitionen insgesamt 1,6 Milliarden US-Dollar an Staatsdarlehen.
BrightSource und Google investierten jeweils 168 Millionen US-Dollar und NRG Solar gab 300 Millionen für das Ivanpah-Projekt. „Wir sind aufgeregt, denn wir investieren damit jetzt die größte Summe jemals in ein Projekt für saubere Energie und damit helfen wir auch erstmals ein kommerzielles Kraftwerk für Solarenergie in dieser Größe zu etablieren“, betont Rick Needham, Director of Green Business bei Google, die Besonderheit des Projekts.
Ivanpah soll allein dem Land Kalifornien, das den Grund, auf dem Ivanpah errichtet wird, zur Verfügung stellte, in den ersten 30 Jahren rund 300 Millionen US-Dollar Steuereinnahmen bringen. Allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Wüstensand, bedenkt man wie hoch die staatlichen Investitionen gewesen sind.
Europa spricht von Desertec
Wer in Deutschland auf die Suche nach einem vergleichbaren Projekt geht, kann durchaus fündig werden. Allerdings nur im Kleinformat: Ein Versuchskraftwerk mit derselben Grundidee, sprich einem ähnlichen Stromturm umringt von Spiegeln, steht im nordrhein-westfälischen Jülich. Die 23 Millionen Euro teure Testanlage besitzt allerdings nur rund 2000 Spiegel und hat eine Spitzenleistung von 1,5 Megawatt.
Sie dient damit in erster Linie Forschungszwecken. Insbesondere für das Super-Projekt Desertec. Wie in der kalifornischen Mojave-Wüste soll ein derartiges Solarkraftwerk in der Wüste Sahara entstehen. Erfahrungswerte dafür sollten aus Jülich kommen.
Dieses Wüstenstromprojekt selbst steckt derzeit jedoch in einer Krise. Erst erschwerten die Revolutionen in Nordafrika die Planungen. Es folgten verschiedene Investitionsschwierigkeiten und die Insolvenz des beteiligten Unternehmens Solar Millenium.
Der Riese unter den Projekten
Insgesamt neun Solaranlagen mit dem gleichen System wie Ivanpah bekamen 2011 die Genehmigung zum Bau. Insgesamt 17 Projekte waren von der kalifornischen Energiekommission geprüft worden. Ivanpah ist mit Abstand das größte Projekt, das jetzt Realität wird.
Zunächst ist es für 30 Jahre angelegt. Inwiefern sich das Großprojekt für die Investoren und Energieversorger rechnen wird, bleibt abzuwarten.
Ab nächstem Jahr sollen die Garagen-Tor großen Spiegel die Sonnenstrahlen auf den Turm lenken, aber bis dahin werden die Mitarbeiter in hunderten von Autos tagtäglich zunächst über den Freeway und dann über die für kalifornische Verhältnisse schmale Straße brausen, um am Fuße der Clark Mountains den Wüstensee aus Spiegeln zu vervollständigen.