UN-Klimakonferenz „Der menschengemachte CO2-Ausstoß stagniert“

Ein mit Kohle betriebenes Stahlwerk in Indien. In dem Land steigt seit einigen Monaten der CO2-Ausstoß wieder stark an. Quelle: dpa

Die UN-Klimakonferenz in Glasgow ist beendet. So mancher zeigt sich unzufrieden mit den Ergebnissen. Dabei gibt es einen Hoffnungsschimmer. Doch wie nachhaltig ist er? Ein Interview mit dem Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf.

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Stefan Rahmstorf gilt als einer der weltweit führenden Klimaexperten. Er gehörte zu den Autoren des 2007 veröffentlichten vierten Sachverständigenberichts des Weltklimarats IPCC. Er unterrichtet in Potsdam die Physik der Ozeane und leitet am Potsdamer Klimainstitut die Erdsystemanalyse, die den Einfluss von Ozeanen, Atmosphäre und Biosphäre auf den Klimawandel untersucht.

WirtschaftsWoche: Herr Rahmstorf, beim Klimagipfel in Glasgow steht der Kohlendioxidausstoß im Zentrum vieler Diskussionen. Sie blicken wissenschaftlich auf diese Größe. Wie hat sich der Kohlendioxidausstoß denn zuletzt entwickelt?
Stefan Rahmstorf: Über die vergangenen zehn Jahre hat es nach den neuesten Daten keinen Aufwärtstrend mehr gegeben. Der menschengemachte Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) stagniert also.

Das heißt, das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, rückt in greifbare Nähe?
Nein. Das ist, wie wenn ich eine Badewanne volllaufen lasse. Es heißt nur, dass wir den Wasserhahn nicht weiter aufdrehen. Tatsächlich nimmt der Anteil des CO2 in der Atmosphäre rasant weiter zu, solange die Emissionen auf dem heutigen Niveau bleiben. Denn wir schütten, um im Bild zu bleiben, ja weiterhin jährlich die gleiche Menge Wasser in die Wanne. Ich habe aber Hoffnung, dass wir den Höhepunkt der Emissionen möglicherweise erreicht haben. Um das Pariser Ziel zu schaffen, müssen wir die Emissionen allerdings bis 2030 halbieren.

von Cordula Tutt, Christian Ramthun, Julian Heißler, Maxim Kireev, Jörn Petring

Wer hat die Daten ermittelt – und wie verlässlich sind sie?
Die Daten kommen vom Global Carbon Project, ein von verschiedenen Klimaforschungseinrichtungen gegründetes internationales Projekt, das die weltweiten Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen ermittelt und jedes Jahr veröffentlicht. Die Daten für den fossilen Anteil des Ausstoßes sind weitgehend verlässlich. Die machen etwa 90 Prozent aus. Die Daten über die Emissionen aus der sich ändernden Landnutzung, insbesondere durch die Abholzung, sind weniger verlässlich. Da gibt es eine größere Unsicherheit.

Wie werden die Emissionen denn ermittelt?
Die fossilen Emissionen werden von der UN-Klimarahmenkonvention erfasst und sind leicht zu verifizieren. Man weiß ja, wie viel Öl, Gas und Kohle verbrannt wird. Um die verschwindenden Wälder zu erfassen, nutzt man Satellitenaufnahmen. Aber dabei weiß man nie genau, wie viel CO2 am Boden freigesetzt wird, wenn jemand einen Wald abholzt. Ein Teil der Emissionen kommt ja von den daraus folgenden Reaktionen im Untergrund.

Es gab zuletzt eine größere Korrektur der Daten nach unten. Warum?
Die Wissenschaftler haben die aus der Landnutzung abgeleiteten Daten auf Basis neuerer und besserer Satellitendaten noch einmal analysiert und kamen auf etwas niedrigere Werte. Auch ohne diese Korrektur war eine Verlangsamung der Emissionen zu beobachten. Aber die Korrektur hat jetzt dazu geführt, dass die Kurve seit zehn Jahren flach verläuft.



Welche Rolle spielt die Coronapandemie bei der Entwicklung?
Corona hat einen Zacken in der Kurve hinterlassen. 2020 gingen die Emissionen deutlich zurück, 2021 sind sie aber fast wieder auf dem Vor-Corona-Niveau.

Wo auf der Welt sind die Emissionen denn besonders stark, wo hingegen kaum gesunken?
Die Emissionen gehen in den Industriestaaten Europas und Nordamerikas seit Längerem zurück. Besonders stark gestiegen sind sie nach der Coronadelle in China und Indien. Das ist problematisch: Diese Länder haben ja eine enorme Bevölkerungszahl und damit enorme Emissionen. China ist sogar der weltgrößte Emittent mit fast 30 Prozent des CO2-Ausstoßes.

Auch die Weltmeere haben einen großen Einfluss auf das CO2 in der Atmosphäre.
Das stimmt. Durch menschliche Einflüsse wird die CO2-Aufnahmefähigkeit der Meere wahrscheinlich abnehmen. Inwieweit das bereits heute in Messdaten belegt ist, darüber gibt es seit Jahren Diskussionen. Klar ist aber: Wenn es nicht schon heute der Fall ist, dann ist es für die Zukunft zu erwarten. Die Meere absorbieren etwa ein Viertel unserer CO2-Emissionen. Sie helfen uns, dass der CO2-Anteil in der Atmosphäre nicht noch schneller ansteigt. Können sie weniger aufnehmen, ist das ein Problem.

Warum verlieren die Meere ihre regulierende Kraft?
Das hat mehrere Gründe. Einer davon: Lebewesen wie Mikroplankton, die durch Fotosynthese den Kohlenstoff aufnehmen und beim Absterben im Meeresgrund einlagert, können sich durch die Versauerung der Meere weniger gut vermehren. 

Ist die verminderte Aufnahmefähigkeit in den jetzigen CO2-Emissionsdaten schon berücksichtigt?
Nein, das ist in den Zahlen nicht enthalten, obwohl es durchaus relevant ist.

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Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen des Klimagipfels in Glasgow?
Es gab einige positive Anzeichen, diverse Initiativen von Staatengruppen. Wie sich das am Ende auswirken wird, ist aber noch schwer zu beurteilen. Klar ist aber, dass die von den Staaten angekündigten Emissionsziele für 2030 bei weitem nicht ausreichen, um die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Mehr zum Thema: So stark würde ein ungebremster Klimawandel Chinas Wirtschaft schaden.

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