Web-TV Die Zukunft des Fernsehens

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Grafik: Onlinenutzung

Zum Weihnachtsgeschäft wird auch Vodafone ein eigenes via Internet verbreitetes TV-Angebot starten. Die Kunden erhalten dabei eine Set-Top-Box, die nicht nur Zugriff auf rund 60 TV-Programme bietet, sondern auch auf beliebige Inhalte im Web. Damit werden auch solche älteren Fernseher online-tauglich, die noch keinen integrierten Web-Zugang besitzen.

Softwaregigant Microsoft hat ebenfalls jüngst angekündigt, das TV-Angebot seiner Online-Plattform MSN auszubauen. Und Apple will gerüchteweise bereits im Herbst ein Internet-Fernsehangebot für seinen Video-Computer AppleTV starten.

Online-Gigant Google hat den Schritt bereits vollzogen und seine Videoplattform YouTube mit einer optimierten Programmoberfläche für die Wohnzimmerwiedergabe aufgehübscht. Leanback heißt das Angebot, das sich weitgehend ohne Computertastatur bedienen lässt und deutlich schneller reagiert als der normale YouTube-Dienst. Zudem muss der Zuschauer nicht mehr einen Clip nach dem anderen aufrufen. Stattdessen laufen thematisch verwandte Videos nacheinander ab, bis der Zuschauer den Bilderstrom stoppt, ein anderes Thema wählt oder selbst ein Video sucht. Damit ähneltLeanback viel mehr herkömmlichem Fernsehen als Googles PC-Angebot.

Youtube fürs Wohnziemmer aufgehübscht

Welch immenses Potenzial der Online-Gigant dem Web-TV beimisst, zeigt sich auch an einer neuen Softwareplattform für den Internet-Konsum im Wohnzimmer, die Google im Frühjahr angekündigt hat: Google-TV umfasst neben dem bisher vor allem in Handys genutzten Betriebssystem Android auch Googles Internet-Software Chrome. Zum Jahresende sollen in den USA die ersten webtauglichen Fernseher des Elektronik-riesen Sony sowie Geräte des Zubehörspezialisten Logitech mit Google-TV-Software in die Läden kommen.

Für Google bringt der Sprung auf den TV-Bildschirm zwei Vorteile: Zum einen erschließt der direkte Zugang zum Wohnzimmer dem Suchkonzern eine weitere Möglichkeit, die Interessen seiner Nutzer zu analysieren. Zum anderen bietet die neue Fernsehwelt die Chance, die defizitäre Videoplattform YouTube doch noch zum profitablen Geschäft aufzuwerten. Bedingung ist, dass sich über Dienste wie Leanback ähnlich lukrativ personalisierte Werbespots verkaufen lassen wie in Googles regulärem Online-Angebot.

Vor allem die privaten Sender fürchten diese Werbekonkurrenz aus dem Netz. „In Zukunft können Internet-Anbieter einen Teil des Fernsehschirms nutzen, um die gesamte Sendezeit neben dem Fernsehbild Werbung zu zeigen, während die TV-Sender mit zwölf Minuten pro Stunde beschränkt sind“, sagt RTL-Boss Gerhard Zeiler. Die Sender, fürchtet er, locken mit ihren Programmen Zuschauer an – die dann jedoch auch bei Online-Anbietern für Werbeeinnahmen sorgen.

Um das Geschäft nicht gänzlich an die Online-Konkurrenz zu verlieren, aber auch um die Angebote der Raubkopierer zu kontern, haben die US-Medienriesen NBC, News-corp und Disney eine gigantische Online-Videothek namens Hulu aufgebaut. Rund 100 Millionen Dollar haben sie nach eigenen Angaben seit 2007 in die Plattform investiert, über die inzwischen fast alle großen US-Sender ihre Serien im Internet verbreiten. Mehr als eine Milliarde Videos rufen Zuschauer inzwischen Monat für Monat bei Hulu ab.

Finanziert wird die Online-Videothek durch Werbeclips. Rund 200 Millionen Dollar Umsatz will Hulu in diesem Jahr erzielen. Und die Chancen stehen nicht einmal schlecht: Marktforschern zufolge ist eine Werbeminute bei Hulu mittlerweile doppelt so teuer wie im normalen Fernsehen. Gerade berichtete die „New York Times“, Hulu plane einen Börsengang – und ein Emissionsvolumen von zwei Milliarden Dollar.

Und so wird Hulu nun auch zum Vorbild für deutsche Sender: Anfang August bestätigten RTL Deutschland und ProSiebenSat.1, eine deutsche Hulu-Kopie aufbauen zu wollen. In dem neuen Netzangebot sollen nach den Vorstellungen der Initiatoren neben TV-Inhalten der Privatsender auch ARD- und ZDF-Sendungen abrufbar sein. Angesichts der massiven Konkurrenz der Web-Giganten rät Goldmedia-Stratege Wiegand den zerstrittenen Sendern denn auch zum vorläufigen Schulterschluss: „In der Online-Welt sollten die Grabenkämpfe zwischen den Senderfamilien erst einmal ruhen.“

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