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Foto: LiveEO/UP42/Airbus

Wirtschaft von oben #317 – Louis Vuitton Moët HennessySo droht der Luxusriese LVMH in Trumps Zollfalle zu geraten

Bernard Arnault hat mit LVMH ein Imperium für teure Mode und Weine aufgebaut. Satellitenbilder zeigen, wie der Konzern nun in den US-Zollmühlen zerrieben werden könnte. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.Katharina Kalinke 21.04.2025 - 12:15 Uhr

Nordtexas. Auf den Weiden grasen Kühe und Pferde. Sanfte Hügel und Staubpisten bestimmen die Landschaft. Und mittendrin steht ein futuristisch anmutendes Landhaus, vor dem sich an einem freundlichen Herbsttag viele Menschen versammeln, die offenbar etwas zu feiern haben. Aus Lautsprechern schallt „God bless the USA“. Dann tritt Donald Trump auf.

Der US-Präsident hält eine kleine Rede. Er hebt eine Handtasche vor die Kamera, eine Louis Vuitton Néonoé, ­rotes Futter, rotes Schnürband, feine ­Lederware made in USA. Zwei Männer strahlen um die Wette: Der damalige Louis-Vuitton-­Geschäftsführer Michael Burke und Bernard Arnault, Chef des Luxuskonzerns LVMH und einer der zehn reichsten Menschen der Welt.

Trump ist zur Eröffnung einer Fabrik gekommen, die nicht weit weg von der Rochambeau Ranch liegt, benannt nach einem französischen Offizier, der den USA 1781 im Unabhängigkeitskrieg zur Seite stand. Es ist 2019, Trump eins regiert. Seit Jahrzehnten fertigt die französische Traditionsmarke in Kalifornien. Doch jetzt gilt es, ein Zeichen zu setzen, den neuen Standort als Bekenntnis zu Trump zu inszenieren. Der schwärmt von zusätzlichen Jobs. Und klar: Die Ranch, das Handwerk, der Luxus – alles passt zu Trumps Agenda.

Satellitenbilder von LiveEO zeigen, wie das riesige Fabrikanwesen wächst. 2019 entstand die bedeutungsschwere erste Werkhalle. Asphaltierte Straßen wurden durch die Felder gezogen. Lange nach Trumps Besuch wurde 2022 noch ein zweiter Fabrikflügel gebaut. Im Oktober vergangenen Jahres wurde dann ein weiterer Weg von der Straße gen Fabrik aufgeschüttet. Womöglich ein Wohnwagen wurde am ehemaligen Weidentor an der Straße aufgestellt, Baugerät am Ende des Weges zurückgelassen. Augenscheinlich ist seitdem nicht mehr viel passiert, zumindest vor Ort.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Airbus/Pleiades-Neo, LiveEO/Google Earth/Maxar

Sechs Jahre später ist Trump erneut Präsident. Und wieder steht Arnault an seiner Seite, samt Familie: zur Amtseinführung. Die Wurzeln der Beziehung reichen weit zurück, in die 1980er-Jahre, auch die Kinder der beiden sollen befreundet sein.

Und jetzt? Trump zwingt dem Rest der Welt einen Handelskrieg auf, schickt Aktienkurse in den Keller, auch die der großen Luxuskonzerne. Das Papier von LVMH gab seit Ende Januar mehr als 30 Prozent nach. Und Satellitenbilder verdeutlichen, dass LVMH zwischen die Fronten dieses Zollkrieges zu geraten droht.

Die LVMH-Aktie
Wertvollstes Unternehmen war einmal
Luxus geht immer? Von wegen

Arnault hat auf beiden Seiten des Atlantiks investiert und lobbyiert. Mit US-Marken wie Tiffany & Co. und Sephora ist er in den USA verankert. Flaggschiffe wie Louis Vuitton, Dior und Moët stehen für die französische Seele von LVMH. 2024 hat der Konzern je ein Viertel seines Umsatzes in den USA und Europa erwirtschaftet; wichtiger ist nur Asien.

Bislang hat Arnault, 76, alle Krisen abgewendet: mit geschickten Investitionen und der Strategie, kriselnde Marken zu kaufen und zu revitalisieren. Seit 1984 hat er 75 Luxusmarken gesammelt. Ihr Wert: 260 Milliarden Euro.

Sein jüngster und größter Einkauf war 2021 der US-Juwelier Tiffany. Arnault zahlte 14,5 Milliarden Euro. Auch hier wendet LVMH die bewährte Strategie an: Gut ein Drittel der Geschäfte in den USA wurden seitdem modernisiert, wie aus dem Jahresabschluss 2024 hervorgeht. Der Juwelier bezieht seine Edelsteine weltweit, auch die Verarbeitung findet an verschiedenen Standorten statt. Der Schmuck der Luxusikone wird meist in den USA gefertigt. So eröffnete Tiffany zuletzt 2018 seinen „Jewelry Design and Innovation Workshop“ in New York City.

Tiffany-Werkstätten in den USA

Oben: In Manhattan, New York City, werden die neuen Designs für Tiffany konzipiert.
Unten links: Durch Fabrik und Labor in Pelham, New York, gehen Tiffany zufolge mehr als 16 Millionen Edelsteine im Jahr.
Unten rechts: In dem unauffälligen Gebäude in Cumberland, Rhode Island, fertigen Silberschmiede feinste Ware.

Bild: LiveEO/Airbus(2), LiveEO/Google Earth

Nach der Übernahme aber sollten Tiffany-Produktionsjobs auch in Frankreich entstehen. Aufnahmen zeigen, dass LVMH dafür eine Fabrik in Saint-Dié-des-Vosges bei Straßburg bauen ließ. Die Gruppe erwarb dafür 2023 eigens eine Mehrheitsbeteiligung an der Platinum Invest Group, zu der die französischen Schmuckhersteller Orest und Abysse gehören.

Orest hatte bereits 2022 mit dem Bau eines Gebäudes begonnen, unter LVMH folgte das zweite. Medienberichten zufolge soll künftig die Hälfte aller in den Vogesen gefertigten Schmuckstücke in den USA verkauft werden.

Orest-Fabrik, Saint-Dié-des-Vosges, Frankreich

18.05.2020 (linkes Bild): Die Region ist für die ansässigen Schmuckhersteller bekannt. Noch ist hier lediglich ein Parkplatz.
03.03.2025 (rechtes Bild): Dort, wo vorher vereinzelt landwirtschaftliche Flächen zu erkennen waren, sind nun riesige Flächen gerodet.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Airbus/Spot

LVMH profitierte lange von einer Boomzeit. Luxus hat sich demokratisiert, sagt Achim Berg, Gründer des Branchenbeobachters FashionSights; auch die Mittelschicht leiste sich zuweilen Luxus.

Als Corona die Weltwirtschaft in eine lange Krise katapultierte, profitierte der Luxusmarkt sogar. Menschen konnten für Dinge wie Reisen weniger Geld ausgeben, sodass sie teurere Marken kauften. „Während Corona sind die Menschen wieder materialistischer geworden“, urteilt Felicitas Morhart, Marketingprofessorin an der Universität Lausanne und Gründerin des Swiss Center for Luxury Research. Ihnen fehlten neue Erfahrungen, „das Bedürfnis nach Luxus bleibt aber“.

Die Kehrseite des Trends: In unsicheren Zeiten spart die neue Zielgruppe als erste. Für den Konzern ein Risiko.

Morhart war Anfang April, als Trump die Börsen auf Talfahrt schickte, auf der Uhrenmesse in Genf. „Einige wurden hektisch, haben ihre Termine für interne Beratungen umgeschmissen“, erinnert sich die Expertin, andere „blieben entspannt“. Die Zölle werden die großen Konglomerate nicht „in die Knie zwingen“, meint Berg. Dennoch geht Angst um: vor einer globalen Rezession.

Und selbst wenn es nicht so weit kommen sollte, hat Trump viel Vertrauen verspielt. „Auch wenn es sich bei den Zöllen um ein temporäres Phänomen handeln würde“, sagt Berg, „bringt das noch nicht die Investitionssicherheit in Nordamerika zurück.“

Zölle wären vor allem für das MH in LVMH bitter: Moët Hennessy erwirtschaftet 34 Prozent seines Wein- und Spirituosenumsatzes in den USA. Die Sparte schwächelt seit Längerem, deshalb investiert LVMH gerade in das Einkaufserlebnis. Dafür hat LVMH unter anderem seine Weingüter zu luxuriösen Weinprobe-Oasen umgebaut, und auch hier zeigen Satellitenbilder, wie der internationale Konzern zwischen die Fronten im Handelskrieg zu geraten droht.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Airbus

In der französischen Champagne hat der Champagner-Großproduzent Ruinart einen Besucherpavillon gebaut. Etwa drei Jahre wurde auf dem Gelände gearbeitet, nun fügt sich der Pavillon mit seinem begrünten Dach von oben betrachtet nahtlos in die Umgebung ein. Auch die Gartenanlage wurde mit einem Zickzack-Weg, der vom Eingang zu dem futuristischen Gebäude führt, umgebaut.

Jenseits des Atlantiks feierte Chandon ein Jahr davor die Neueröffnung seines Gutes im kalifornischen Napa Valley: Solarpanels wurden installiert, Gärten zur Weinverkostung mit Weitblick gestaltet. Aus dem All lassen sich im Süden des Geländes sogar weiße Sonnensegel erkennen, die zum Verweilen einladen sollen.

Domaine Chandon, Yountville, USA

04.01.2020 (linkes Bild):Seit 1973 baut Chandon Wein im Napa Valley an. Neben den Verarbeitungshallen gehört ein Restaurant und Verkaufsladen zum Gut.
25.02.2025 (rechtes Bild): Das Weingut wurde renoviert, Solaranlagen auf den Dächern und zwischen Hallen und Restaurant gebaut. Das Besuchererlebnis steht im Zentrum: Der Garten wurde aufwändig umgestaltet.

Bilder: LiveEO/Google Earth

LVMH war 2024 mit Kooperationen mit der Formel 1, den Olympischen Spielen oder dem America's Cup 2024 immer wieder präsent in der öffentlichen Wahrnehmung. Während von einer Konzerntochter gefertigte Medaillen anliefen oder rosteten, feiert LVMH Erfolge mit Prominenten als Markenbotschaftern, entwickelt mit einigen gar eigene Marken. So auch in Houston, Texas, mit Popsängerin Beyoncé die Whisky-Marke SirDavis.

200-Prozent-Zölle auf Wein und Champagner aus Europa würden wohl einen guten Teil des US-Spirituosen-Geschäfts verhageln.

Schon 2019 hatte Trump Zölle auf europäische Luxuswaren verhängt. Damals noch so, dass es Arnault nicht traf – wohl als Gegenleistung für 1000 versprochene Jobs in Texas. Dafür hatte der Franzose zusätzlich Steuererleichterungen in zweistelliger Millionenhöhe erhalten.

Auch wenn es laut der Nachrichtenagentur Reuters am Ende in Texas viel weniger Beschäftigte wurden, Louis Vuitton mit schlechter Qualität der Produkte wie auch schlechten Arbeitsbedingungen zu kämpfen hat, beschwor ­Arnault noch im Januar eine Aufbruchstimmung in den USA. Nach der Amtseinführung schwärmte der Luxustitan über den „Wind von Optimismus“ jenseits des Atlantiks, teilte gegen die eigene Regierung aus.

„Die Branche hatte große Erwartungen“, so Berg: Steuersenkungen, Bürokratieabbau, Deregulierung – „es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass US-Kunden die Weltwirtschaft nach oben konsumieren“.

Für Konkurrenz Kering, der Konzern hinter Gucci, Saint Laurent und Balenciaga ergebe dies „keinen Sinn“, kommentierte CEO François-Henri Pinault Anfang Februar. Produktion in die USA zu verlagern, hält auch Berg allenfalls für „symbolische Maßnahmen“. Dass eine relevante Textilproduktion in die USA zurückkehren könnte, sei eher unrealistisch. Das würde nur funktionieren, wenn man „hochgradig automatisiert“, solche Versuche scheiterten in der Vergangenheit.

Stattdessen ist jetzt Handelskrieg. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron fordert „Patriotismus“ von französischen Firmen: Sie sollen von Investitionen in den USA absehen. Arnault bringt das in die Zwickmühle. Er ziehe „ernsthaft in Erwägung“, die Produktionskapazität Louis Vuittons in den USA aufzustocken, sagte er Ende Januar. Bleibt es dabei? LVMH reagierte auf eine Anfrage unserer Redaktion nicht.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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