Zehn Monate ist es her, dass die USA das Flugverbot für den Problemflieger Boeing 737 Max aufgehoben haben. Europa zog kurz darauf im Januar dieses Jahres nach. Und auch andere Länder wie Indien, Singapur und Kanada haben ihren Luftraum inzwischen wieder für diesen Flugzeugtyp freigegeben.
Neueste LiveEO-Satellitenaufnahmen von Boeings Flugzeugparkplätzen zeigen jetzt aber, dass sich der US-Flugzeugbauer schwer tut, die Maschine in den Liniendienst zu bringen.
Der abgelegene Flughafen Moses Lake im US-Bundesstaat Washington hatte sich nach dem Absturz einer nagelneuen Maschine der indonesischen Lion Air und wenige Monate später dem eines Ethiopian-Airlines-Fliegers zu einem gewaltigen Lager für neu produzierte Boeing 737 Max entwickelt. Boeing durfte die Maschinen nach einem weltweiten Flugverbot für das Modell nicht mehr ausliefern. Erst im Mai dieses Jahres konnte der Konzern wieder damit beginnen.
Einer Analyse von Satellitenfotos durch die WirtschaftsWoche zeigt allerdings, dass es dem Unternehmen bisher nicht gelungen ist, den Auslieferungsstau aufzulösen. Den Aufnahmen zufolge stand im Juni 2019 kaum ein Flugzeug auf dem riesigen Flughafen von Moses Lake. Am 29. Februar 2020 waren es um die 235 Maschinen, praktisch alles fabrikneue Boeing 737 Max. Im Februar dieses Jahres lagerten dort noch immer etwa 210 Flugzeuge, vor einigen Tagen, am 11. September waren es sogar um die 215. Nach Listenpreis sind allein dies Flugzeuge im Wert von mehr als 20 Milliarden Dollar.
Boeing hatte in Moses Lake Hunderte Techniker angeheuert und Pensionäre aus dem Ruhestand geholt, um die geparkten Maschinen fit zu halten sowie hin und wieder zu bewegen. Außerdem wurde die Software der Flieger aktualisiert und es gab Veränderungen an den Kabelbaumkonstruktionen.
Moses Lake ist der mit Abstand größte 737-Max-Parkplatz. In anderen Lagern, am Boeing Field bei Seattle etwa und im texanischen San Antonio, ist die Zahl der geparkten Flieger zuletzt leicht zurückgegangen. Nur noch wenige 737 Max finden sich auf dem berühmten Flugzeugfriedhof in Victorville, Kalifornien, wo Volkswagen einst seine Schummeldiesel eingemottet hatte. Zeitweise waren auch hier ein paar Dutzend 737 Max geparkt. Dennoch lässt das kaum auf eine Entspannung schließen, da viele der Flugzeuge in Victorville bereits vor dem Flugverbot ausgeliefert waren und von der Airline Southwest dort eingemottet wurden.
Am Himmel vor allem über Europa, Amerika und Südamerika sind heute zumindest tatsächlich wieder eine Reihe Boeing 737 Max unterwegs. Das zeigen Daten des Flugüberwachungsportal Flightradar24. Die größte Zahl der Maschinen gehört dem Ferienflieger Tui, der insgesamt 72 Flugzeuge dieses Typs geordert hat.
Einer der mit Abstand größten Besteller allerdings ist die Billiglinie Ryanair. Das irische Unternehmen allein hat 210 Flugzeuge dieses Typs geordert. Im März standen mehr als ein Dutzend Ryanair-Flugzeuge in Moses Lake herum, wie hochaufgelöste Satellitenbilder zeigen. Im Juni dann lieferte Boeing die erste Maschine an Ryanair aus, jetzt im September folgten weitere. Ryanair hat erst kürzlich angekündigt, 2000 Piloten für seine neue 737-Max-Flotte einzustellen.
Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.