Wirtschaft von oben #191 – Skigebiete in der Schweiz: Erst die Russen, jetzt kein Schnee

Im Skigebiet Riggisalp Schwarzsee ist lediglich eine kleine bescheidene Piste zu erkennen.
In der Schweizer Gipfelstadt Davos treffen sich Wirtschaftsgrößen und Spitzenpolitiker in ein paar Tagen wieder zum jährlichen Weltwirtschaftsforum. Wollte einer der Teilnehmer des Elitetreffens vorher noch gepflegt die Pisten hinabwedeln, könnte er für umgerechnet 200 Euro einen Dreitagepass kaufen – etwa für das nahe Skigebiet Parsenn. Die Abfahrt gilt als Skiklassiker in den Alpen. Und als schneefest: Immerhin 17 von 36 Pisten sind aktuell geöffnet. Anders sieht es weiter unten aus: Die Pisten der Schatzalp sind geschlossen, Pischa auch. Auf der Rigi, zweieinhalb Stunden westlich von Davos, hatten die Skilifte diese Saison noch gar nicht geöffnet.
Aktuelle Satellitenbilder von LiveEO zeigen, wie dramatisch die Schneesituation in einigen Teilen der Schweiz aktuell ist. Und dass der Saisonstart 2022/2023 der schneeärmste seit Jahren ist. Vor allem in niedriger gelegenen Gebieten wie der Riggisalp, die ungefähr auf halber Strecke zwischen Thunersee und Genfer See liegt. Aber auch in höher gelegenen Wintersportorten sehen Ski- und Snowboardfahrer jede Menge Grün. Das Gebiet um Davos galt früher etwa bei jenen, die rund um den Bodensee lebten, als schneesicherer Zufluchtsort, wenn auf den näher gelegenen Pisten der Schnee knapp wurde. Nun fehlt er auch in Davos.
Wer dennoch Ski fährt, sollte es genießen. Denn selbst in Davos – der Wintersportort liegt auf 1200 Metern Höhe – könnte die Anzahl der Neuschneetage im Jahr 2060 von bisher im Schnitt 49 auf nur noch 27 sinken. Das prognostizieren Klimaforscher im Bericht „Klimaszenarien für die Schweiz“. Und nicht nur in Davos wird fehlender Schnee zum Problem. Die Schweizer Klimaszenarien sind pessimistisch, was Skifahren angeht.
Die schneereichen Gebiete schmelzen, die Mitteltemperaturen steigen, prognostizieren Klimaforscher. Unterhalb von 1000 Metern könnte die Schneebedeckung bis 2050 um etwa die Hälfte, bis Ende des Jahrhunderts sogar um mehr als 80 Prozent schwinden. In höheren Lagen werden die Schneemengen stärker schwanken. Und die große Mehrheit der Alpenorte muss mit weniger Schnee rechnen – vor allem im Frühjahr. Am Neujahrstag knackten mehrere Orte Temperaturrekorde für den Januar: 20 Grad in Delémont und Vaduz am Nachmittag beispielsweise.
Fast zwei Dutzend Skigebiete hatten der Schweizer Tageszeitung „NZZ“ zufolge ihren Betrieb am 4. Januar wegen Schneemangels komplett eingestellt. Am vergangenen Donnerstag waren im Skigebiet Davos Klosters von 279 Pistenkilometern nur rund 100 befahrbar. Am Freitag hieß es vom Betreiber, es seien 150 Kilometer.
Die Satellitenfotos zeigen ein eher armseliges Bild. Während in den vergangenen vier Jahren bis ins Tal Schnee lag, sind die Hänge direkt neben den Orten nun komplett oder weitgehend schneefrei. In Klosters ist mitten im Grün eine einsame Talabfahrt zu erkennen.
Noch dramatischer ist es im Skigebiet Riggisalp im Kanton Freiburg. Ein Satellitenbild vom Silvesterwochenende zeigt eine mehrere Kilometer lange künstlich beschneite Piste, die sich durch die grüne Landschaft zieht. Zwar ist das auf maximal 1496 Metern liegende Skigebiet ohnehin nicht das schneesicherste. Doch auch hier zeigt ein Vergleich mit Aufnahmen aus den Vorjahren, dass außerordentlich wenig Schnee liegt.
Mit Kunstschnee präparieren können die Pistenbetreiber nur, wenn es trocken und kalt ist. Letztmals ging das vor Weihnachten, erfährt man von Schweiz Tourismus. Die Pisten würden aktuell mit Schnee präpariert, der im November und Dezember vorproduziert wurde. 53 Prozent aller Pisten im Land würden inzwischen künstlich beschneit, in den vergangenen Jahren wurden es immer mehr.
Das belastet freilich die Finanzen der Skigebiete. „In einem Hochpreisland wie der Schweiz können die Kosten nicht beliebig auf die Gäste abgewälzt werden, dafür besteht praktisch kein Spielraum“, erklärt ein Sprecher von Schweiz Tourismus. Immerhin hätten sich die Energiekosten etwas stabilisiert. Außerdem ist die Inflation in der Schweiz deutlich niedriger als in Deutschland.
Im noblen Skigebiet St. Moritz Engadin ist zwar die Schneesituation etwas besser. Hier waren zuletzt immerhin 192 von 350 Pistenkilometern befahrbar. Dafür fehlt im aktuellen Winter mit den Russen aber eine wichtige und vor allem zahlungskräftige Gruppe Gäste. Im Winter vor der Pandemie machten Russen landesweit zwar nur ein gutes Prozent der Gäste aus und sind für den Schweizer Winter ein eher kleiner Markt. Doch gerade in den bei ihnen beliebten Bergregionen St. Moritz und Zermatt fehlen sie.
Dramatisch sieht es auf den Pisten in der Gegend von Andermatt aus. Von 180 Kilometern waren am Donnerstag Pistendaten zufolge nur 73 Kilometer geöffnet. Auch hier zeigen Satellitenbilder, dass die Situation keineswegs normal ist. Selbst die Täler waren in den vergangenen Jahren zu jener Zeit immer reichlich mit Schnee bedeckt. Nun sind sie und viele Hänge grün.
In das Gebiet hatte der ägyptische Investor Samih Sawiris in den vergangenen Jahren massiv investiert. Nun hat er es an den US-Betreiber Vail Resorts verkauft, der weitere 149 Millionen Franken ausgeben will. Zwar glauben Schweizer Wissenschaftler, dass es trotz Klimawandel mindestens bis zum Jahr 2100 zum Skifahren taugen wird.
Doch braucht es dafür auch hier zunehmend künstliche Beschneiung und dafür Wasser. Der Bedarf an Wasser, so die Forscher, werde im Skigebiet Andermatt Sedrun Disentis bis Ende des Jahrhunderts um 80 Prozent ansteigen – von 300 Millionen Liter auf 540 Millionen.
Der Schweizer Meteorologe Jörg Kachelmann warnt gegenüber der WirtschaftsWoche davor, den aktuellen Schneemangel überzubewerten. Er hält es etwa für möglich, dass die Schweiz dafür im April Schneerekorde bekommen wird. Es gebe ein groteskes Anspruchsdenken bei den Menschen, so Kachelmann, bei dem „vorhergesehene Dinge gefälligst dann zu passieren haben, wenn sie erwünscht sind“.
Langfristig rechnet aber auch er mit einer deutlichen Verschlechterung der Lage in den Alpen, ausgelöst durch eine steigende Schneefallgrenze und den Schwund der Gletscher. Schlechte Talabfahrten seien dann das kleinere Problem. Viel mehr Niederschläge werden künftig direkt ins Tal abfließen, was Hochwasserkatastrophen wahrscheinlicher macht.
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.












