Wirtschaft von oben #201 – Lithium Hier will der Iran Lithium fördern und eine Lücke füllen, die Chile und Bolivien hinterlassen

Der Ort Qahavand und die Ebene, in der der Iran Lithium gefunden haben will. China hat sich einen Großteil des Metalls bereits gesichert. Quelle: LiveEO/Sentinel-2

Der Iran hat Millionen Tonnen Lithium entdeckt. Satellitenbilder zeigen aber noch keine Arbeiten, um den Schatz zu heben. In großen Teilen des südamerikanischen Lithiumdreiecks stagniert derweil der Abbau. Kann das Mullah-Regime in die so entstehende Lücke springen? Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Lithium ist einer der begehrtesten Rohstoffe der Welt. Als weißes Gold bekannt, ist Lithium längst wichtiger Bestandteil der Energiewende – und eines Wettrennens um die Vorkommen. Weltweit gibt es laut der US-Geologiebehörde USGS 89 Millionen Tonnen bestätigte Lithium-Reserven.

Seit vielen Jahren schon sucht der Iran im eigenen Land nach Lithium. Vor wenigen Tagen nun konnte er erstmals einen Erfolg vermelden: In der Qahavand-Ebene, etwa 50 Kilometer östlich der Provinzhauptstadt Hamedan gelegen, will das Mullah-Regime zwei gewaltige Vorkommen entdeckt haben. Neueste Satellitenaufnahmen von LiveEO lassen allerdings noch keine neuen Arbeiten erkennen, die auf einen unmittelbar bevorstehenden Abbau hindeuten. 

Auf einer Fläche von elf Quadratkilometern befänden sich 8,5 Millionen Tonnen des Batterierohstoffs, berichteten vor ein paar Tagen iranische Medien. Diese Zahl, die den Iran auf den zweiten Rang der weltweiten Vorkommen befördern würde, darf aber nur mit einer gewissen Vorsicht genossen werden, warnt Michael Schmidt, Rohstoffexperte bei der dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellten Deutschen Rohstoffagentur. „Ich gehe davon aus, dass es sich bei der Zahl lediglich um Ressourcen handelt, nicht jedoch um Reserven“, kommentiert er. Reserven sind bereits bestätigte Vorkommen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit wirtschaftlich abbaubar sind.

Außerdem spricht Irans Industrieminister Ebrahim Ali Molabeigi von 8,5 Millionen Tonnen LCE, also Lithiumcarbonatequivalent, was nur ca. 1,6 Millionen Tonnen reinem Lithium entsprechen würde. Zum Vergleich: Chile führt mit Reserven in Höhe von 9,3 Millionen Tonnen reinem Lithium. Das würde den Iran daher nur auf den fünften Platz in der Rangliste bringen, wenn es denn Reserven wären. Sollten es nur Ressourcen sein, würde der Iran global auf Rang 11 rangieren.



Besonders China hat sich in den vergangenen Jahren strategisch im Lithiumgeschäft aufgestellt und quer über den Globus in Projekte investiert. Im Iran sicherten sich die Chinesen nun bereits ihren Anteil und schlossen eine 25-jährige Rohstoffkooperation. Auch im südamerikanischen Lithiumdreieck hat China seine Finger im Spiel: Erst kürzlich hat sich die Volksrepublik einen Anteil von 24 Prozent am chilenischen Unternehmen SQM einverleibt, einem der weltgrößten Lithiumproduzenten. 



In Argentinien sicherte sich das chinesische Unternehmen Ganfeng jüngst für 962 Millionen US-Dollar das argentinische Unternehmen Lithea, das die Lizenzen für zwei lithiumreiche Salzseen besitzt. Und Ende Januar unterzeichnete Boliviens Regierung ein Abkommen über eine Milliarde US-Dollar mit dem chinesischen Konsortium CBC (CATL, BRUNP und CMOC) sowie dem bolivianischen Staatsunternehmen Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB), um neue Lithiumvorkommen zu erschließen.

Bis 2025 könnte China einem Bericht der Schweizer Großbank UBS zufolge für rund ein Drittel der Lithiumextraktion weltweit verantwortlich sein. Auf Satellitenbildern ist in der Qahavand-Ebene bisher nicht viel zu erkennen, dass auf die bevorstehende Ausbeutung der Vorkommen hindeutet. Nur im Nordosten gibt es einige Steinbrüche. Geologen zufolge handelt es sich hier anders als im südamerikanischen Lithiumdreieck oder im deutschen Oberrheingraben nicht um Lithium, das im salzigen Tiefenwasser gelöst ist und einfach hochgepumpt werden kann. Es stecke zu einem winzigen Prozentsatz im Gestein.


Das macht die Förderung aufwendiger und teuer, vor allem im Vergleich zu der Förderung aus Salzseen, wie in Südamerika. Die Qahavand-Ebene ist allerdings nicht der einzige Ort im Iran, an dem sich größere Mengen Lithium befinden. 400 Kilometer nordwestlich liegt der Salzsee Urmia. Wissenschaftler haben hier in den vergangenen Jahren immer wieder untersucht, ob man das Lithium etwa aus dem Wasser des Sees gewinnen kann.

Die Konzentration des Metalls dürfte in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben, weil das Gewässer wie viele andere Salzseen der Welt rasant austrocknet. Ob sich die Extraktion am Ende aber wirtschaftlich lohnt, ist nach wie vor offen.


Internationale Medien hatten erst vor einem viertel Jahr spekuliert, dass der Iran den unter Naturschutz stehenden See absichtlich vernachlässigt, um einen möglichen Lithium-Abbau zu vereinfachen. Iranische Politiker bestritten das vehement. Lithium ist für das Regime in Teheran auch von strategischer Bedeutung. Das Metall steckt heute nicht nur in E-Autos, sondern auch als Batterierohstoff in unzähligen Waffensystemen. Und die Rüstungsindustrie gilt für den Iran als wichtiger Exportmotor. So stattet das Land zurzeit etwa russische Truppen in der Ukraine mit Kamikazedrohnen aus.

13.000 Kilometer westlich finden sich knapp 57 Prozent der weltweit bekannten Lithiumressourcen – im sogenannten Lithiumdreieck, wo Argentinien, Bolivien und Chile aneinandergrenzen. Auf Satellitenbildern ist erkennbar, dass die Erschließung der Salzwüsten in Bolivien und Chile seit Jahren stagnieren. Das liegt aber nicht an dem sich zum Ende neigenden Vorkommen, sondern an der Politik der Länder, sagen Branchenkenner.

Trotzdem stelle der iranische Fund laut Experte Michael Schmidt momentan keine Konkurrenz für das Lithiumdreieck dar. „Außer China oder Russland wird aufgrund der bestehenden Sanktionen niemand zeitnah in den Iran investieren“, so Schmidt, „der Iran ist geopolitisch alles andere als eine stabile Region". Kein westliches Unternehmen wird sich dort engagieren können. Bis zur Förderung können außerdem gut fünf bis zehn Jahre vergehen. Denkbar sei jedoch, dass das Lithium am Ende in verarbeiteter Form doch wieder bei uns ankommt, wenn es von China aufgekauft wird.

Chile hat mit 9,2 Millionen Tonnen zurzeit die größten Lithium-Reserven der Welt. Die Produktion im Land wird von zwei Unternehmen dominiert: dem chilenischen Konzern SQM und dem multinationalen Unternehmen Albemarle.


Satellitenaufnahmen zeigen, dass nur Albemarle seine Anlagen in der Atacama-Wüste in den vergangenen zehn Jahren nennenswert erweitert hat. Zwischen 2015 und 2020 hat sich hier die Verdunstungskapazität ungefähr verdoppelt. Auf den ein paar Kilometer nördlich gelegenen Förderfelder von SQM stagnierte dagegen die sichtbare Produktionskapazität – auch wenn das Unternehmen mitteilt, durch Effizienzsteigerung die Produktion erhöht zu haben. Die drei riesigen Anlagen gelten als die größte Lithiumförderung der Welt. Zwischen 1997 und 2017 vervierfachte sich die Extraktionsfläche hier in der Wüste.

Salzlauge wird hier aus Tiefen zwischen 15 und 150 Metern an die Oberfläche gepumpt und in riesigen Verdunstungsbecken aufgefangen. Das Wasser verdunstet, eine trockene Mischung aus Salz und verschiedenen Mineralien, darunter gebundenes Lithium, bleibt übrig. Diese wird in einer Raffinerie weiterverarbeitet.

In Chile wird der Lithiumabbau von der Regierung kontrolliert. Abbauen darf nur, wer eine spezielle Lizenz dafür besitzt, zusätzlich ist die Förder- bzw. Produktionsmenge begrenzt. Die strengen Regeln hindern Unternehmen daran, weitere Vorkommen zu erschließen. Die chilenische Regierung hat darüber hinaus erklärt, dass neue Verdunstungsbecken nicht mehr genehmigt werden soll, erklärt Lithium-Experte Schmidt. Das kann auf die Umweltauswirkungen am Salar de Atacama zurückgeführt werden, denn der Abbau von Lithium entzieht dem Boden viel Wasser – in einer der trockensten Regionen der Welt.

Auch in Bolivien zeigen Satellitenfotos, dass der Ausbau der Fördermenge zurzeit stockt. Seit 2018 sind hier, in der Salar de Uyuni, keine neuen Verdunstungspools dazugekommen. Hier ist jeglicher Abbau dem Staat vorbehalten: Die staatliche bolivianische Gesellschaft Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB) verwaltet das Lithiumvorkommen im Land. 


Politische Unruhen, Putschvorwürfe und innenpolitische Machtkämpfe haben die Lithiumprojekte immer wieder unterbrochen und verschoben. Im Vergleich zu den anderen Ländern des Dreiecks wird in Bolivien deswegen bisher nur ein Bruchteil an Lithium gewonnen. Dabei steckt im Salzsee von Uyuni der weltweit größte Vorrat: Expertinnen schätzen die Vorkommen in Bolivien auf 21 Millionen Tonnen.

Mit den neuen Investitionen aus China könnten aber bald schon neue Vorkommen erschlossen, der Abbau ausgeweitet werden.

Ganz anders ist die Lage in Argentinien, wie Satellitenfotos zeigen. Das Unternehmen Sales de Jujuy hat in den vergangenen Jahren in der Salar de Olaroz massiv expandiert. Die Verdunstungsfläche hat es seit 2017 mehr als vervierfacht, wie eine Analyse der Aufnahmen zeigt.


In Argentinien dürfen anders als in Bolivien und Chile private Unternehmen Bodenschätze erschließen. Neben chilenischen und australischen Firmen haben auch deutsche Unternehmen wie Deutsche E-Metalle einen Fuß in der Tür. So sind viele Projekte in Entwicklung.

Hinweis: In einer früheren Version des Beitrags stand, dass die Produktionskapazität von SQM in Chile stagniert. Das Unternehmen teilte inzwischen mit, dass es auf Satellitenbildern nicht sichtbar durch technischen Fortschritt die Produktion erhöht habe. 

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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