Wirtschaft von oben #217 – El Nino und der Welthandel Hier geht dem Panamakanal das Wasser aus

Der Panamakanal in der Nähe von Gamboa (ganz rechts), wo der Rio Chagres ihn normalerweise mit genügend Wasser speist. Quelle: LiveEO/Sentinel

Ärger für den Welthandel: Jener Stausee, der den Pegel in der wichtigen Verbindung zwischen Pazifik und Atlantik reguliert, hat kaum noch Wasser. Das zeigen Satellitenbilder. Nun müssen Schiffe einen Teil ihrer Container abladen, um im Kanal nicht auf Grund zu laufen. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Wie neuralgisch Wasserstraßen für den Welthandel sind, ist spätestens seit der Blockade des Suezkanals durch den Containerfrachter Evergiven klar. In den kommenden Wochen könnte eine andere wichtige Seeverbindung der Erde nun für ähnliche Schwierigkeiten sorgen. Neueste Satellitenbilder von LiveEO zeigen: Dem Panamakanal geht das Wasser aus. Regenmangel hat die Pegel auf historische Tiefststände fallen lassen. Das wirkt sich inzwischen international auf Preise und Warenströme aus.

Seit Mai musste die Kanalbehörde den maximalen Tiefgang für Frachter immer weiter reduzieren, zuletzt auf 13,40 Meter. Der normalerweise erlaubte Tiefgang liegt bei 15,24 Metern. Hinzu kommt ein beunruhigender Trend. Steigt der im Frühjahr traditionell niedrige Pegel normalerweise ab Juni wieder deutlich an, scheint das diesmal nicht der Fall zu sein. Die Kanalbehörde erwartet gar, dass das Wasser weiter zurückgeht.



Einschränkungen gibt es schon jetzt: Schiffe, die in den Kanal einfahren wollen, müssen bis zu einem Viertel ihrer Ladung löschen, damit sie nicht auf Grund laufen. „Würde im Extremfall der Panamakanal dichtgemacht, wäre das ein Riesenproblem für die globale Schifffahrt“, sagt Torsten Hartmann, der bei Hapag-Lloyd die Schiffslinien im Transpazifikverkehr verantwortet.

Der Panamakanal ist besonders für die Versorgung Nord- und Südamerikas sowie die Verbindung nach Europa wichtig. Seit mehr als 100 Jahren erspart er Schiffen, die etwa vom Atlantik in den Pazifik wollen, den Umweg um das Kap Hoorn an der Spitze Südamerikas. Wein aus Chile, Fleisch aus Brasilien, Bananen aus Ecuador – etwa sechs Prozent des jährlichen Welthandels werden über den Kanal abgewickelt.


Wie dramatisch die Lage ist, zeigen Satellitenbilder von der Barbacoa-Kurve im Gatunsee, der Teil des Kanals ist. Die kleinen dicht bewachsenen Inseln und Halbinseln hier, auf deren Bäumen unter anderem Affen und Faultiere leben, haben in den vergangenen Monaten breite Strände bekommen. In einer Aufnahme vom Juli vergangenen Jahres reicht das Wasser dagegen bis an die Vegetation. Strände gab es keine.

Panama ist ein tropisches Land mit dichtem Regenwald. Zwischen Mai und November regnet es in Sturzbächen, fast jeden Tag und über Stunden. So kann sich das Wasser in den Binnengewässern und Flüssen sammeln. Das macht den Panamakanal erst möglich. 1914 fertiggestellt und vor sieben Jahren für Frachter mit bis zu 15.000 Containern erweitert, ist der Kanal heute die wichtigste Einnahmequelle des Landes. Pro Jahr erwirtschaftet er rund drei Milliarden Dollar.



Um den Kanal zu passieren, werden die Frachter über ein treppenartiges Schleusensystem auf das Niveau des künstlichen Gatunsees angehoben. An dessen Ende senken Schleusen sie wieder ab. Der See liegt dabei ungefähr 26 Meter über dem Meeresspiegel. Gespeist wird er vor allem durch den Fluss Chagres, der ungefähr auf halber Strecke zwischen Atlantik und Stillem Ozean am Dorf Gamboa in den Kanal fließt. Ein Damm auf der Atlantikseite, nahe der Stadt Colon, staut das Wasser an.

Ob Schiffe reibungslos den Kanal durchfahren können, liegt daher auch am Wasserstand im Gatunsee. Und der sinkt seit Monaten. Aktuelle Daten der Kanalbehörde zeigen, dass er zurzeit mit 79,5 Fuß (24,23 Meter) deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen Jahre liegt.



Der Chagres-Fluss bekommt sein Wasser wiederum vom östlich gelegenen Alajuelasee, der durch den Maddendamm aufgestaut wir. Durch ihn lässt sich die Wasserzufuhr zum Kanal regulieren. Doch der Wasserstand in diesem See liefert wegen fehlender Regenfälle in den Hügeln am Oberlauf des Chagres ein noch dramatischeres Bild, wie neueste Satellitenbilder zeigen. Demnach hat er in den vergangenen Wochen schon einen riesigen Teil seines Wassers an den Kanal und den Gatunsee abgegeben, damit die gut beschiffbar bleiben. Nun hat der Alajuelasee nicht mehr viel zuzusetzen. 

Erschwerend kommt hinzu, dass der Alajuelasee die wichtigste Trinkwasserquelle für Panama-Stadt ist. Entsprechend können die Behörden das Wasser nicht komplett für den Kanal verbrauchen. 


Dass die Gewässer im Juli neue Rekordtiefstände erreichen werden, daran zweifeln Meteorologen kaum noch. Zu der bisherigen Dürreperiode kommt dieses Jahr das Klimaphänomen El Nino. Erfahrungsgemäß sorgt das an der Küste Südamerikas zusätzlich für höhere Temperaturen und weniger Regen. 

Bislang gab es das Phänomen alle fünf Jahre, wie Wetteraufzeichnungen seit den 1950er-Jahren zeigen. „Doch mit dem Klimawandel nimmt die Frequenz der Phänomene zu“, vermutet auch der Schifffahrtsexperte Mirko Woitzik vom Branchendienst Everstream. Das habe Auswirkungen auf die globalen Lieferketten.


2019, das letzte Mal, als El Nino Panama aufsuchte, sank der Wasserpegel des Gatunsees so tief, dass die Kanalaufsicht fünfmal die Durchfahrtbeschränkung verschärfte. Auch damals mussten Schiffe Fracht abladen. Wer das nicht wollte, musste den Umweg ums Kap Hoorn nehmen. 

Um den Tiefgang zu verringern, verladen Containerlogistiker wie Moller-Maersk oder Hapag-Lloyd einen Teil ihrer Ladung entweder vorher auf andere Schiffe oder wählen die Schiene. Für die Panama Canal Railway ist die Situation daher ein Segen. 20 Prozent mehr Container seien dort in den vergangenen Wochen mit dem Zug transportiert worden, berichtet das „Wall Street Journal“.


Ein Satellitenbild von Mitte April zeigt, wie im Hafen von Colon reihenweise Container auf zwei Güterzüge verladen werden. Von hier, dem atlantischen Ende des Kanals, werden sie per Eisenbahn zur Pazifikseite gebracht. Die 1855 eröffnete Bahnstrecke, die heute zu einer Hälfte der Kansas City Southern Railway und zur anderen dem US-Kranhersteller Mi-Jack gehört, ist deutlich älter als der Kanal.

Trotz aller Widrigkeiten wollen die Containerschiffer am Transit durch den Panamakanal vorerst festhalten. Für sie sind Alternativen zeitaufwendig und teuer. Ein Umweg durch den Suezkanal von Asien an die Ostküste der USA dauert im Schnitt sieben bis zehn Tage länger. „Das könnte eine Option sein, wenn es weitere Einschränkungen für den Panamakanal geben würde“, sagt Hapag-Manager Torsten Hartmann. Kleinere Schiffe einzusetzen sei hingegen „keine Option. Dann wären wir nicht mehr konkurrenzfähig.“

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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