
Wirtschaft von oben #283 – Nahostkrieg: Satellitenbilder zeigen: Darum droht der Welt ein Ölpreisschock
Nach dem Raketenangriff des Irans auf Israel am Dienstag schoss der Ölpreis in die Höhe. Für einen Preisschock sorgt nicht nur die Angst, dass es in Nahost zu einem offenen Krieg zwischen den beiden Ländern kommt, oder gar zu einem Flächenbrand in der Region. Auch neue oder schärfer durchgesetzte Sanktionen gegen den Iran oder ein Angriff auf Ölanlagen des Landes drohen das Angebot auf dem Markt zu verknappen. Denn der Iran hatte zuletzt so viel Öl exportiert wie seit 2018 nicht mehr. Laut dem Seefrachtanalyseunternehmen Vortexa überholte er zuletzt sogar Kuwait und Nigeria und stieg so zum viertgrößten Ölexporteur in der Opec auf.
Aktuelle LiveEO-Satellitenbilder vom wichtigsten Ölhafen des Landes zeigen jetzt, wie massiv die Ölexporte seit dem Höhepunkt der von den USA verhängten Sanktionen angestiegen waren. So machen an den Verladedocks der Insel Kharg, die mitten im Persischen Golf liegt, per Pipeline mit den Ölfeldern des Festlands verbunden ist und dutzende Großtanks beherbergt, heute sehr viel mehr Supertanker fest als noch vor ein paar Jahren.
Auch ist der sogenannte Floating Storage massiv zurückgegangen. Dabei handelt es sich um über Monate oder gar Jahre auf See geparkte und befüllte Öltanker.
Zwar sind viele Sanktionen gegen den Iran nach wie vor in Kraft. Allerdings hat das Land mithilfe einer sogenannten Schattenflotte inzwischen Wege gefunden, das kostbare Gut dennoch zu exportieren – beispielsweise in Richtung China. Die Schiffe sind mit zum Teil ausgeschaltetem Transponder unterwegs, lassen sich daher kaum orten. Ihre Ladung wird dann beispielsweise auf See auf andere Schiffe geladen, um die Herkunft zu verschleiern. Der Regierung in Teheran spülen die Geschäfte jede Menge Devisen in die Kasse. Damit kann sie immer ehrgeizigere Rüstungsprojekte vorantreiben.
Im sich jetzt zuspitzenden Konflikt werden die USA voraussichtlich stärker darauf achten, dass Sanktionen gegen den Iran durchgesetzt werden. Auch könnte der Westen neue Sanktionen verhängen und damit die Aktivitäten rund um Kharg wieder stark ausbremsen, so wie es schon zwischen 2018 und 2019 der Fall war. Binnen Monaten brachen damals die Exporte von 2,6 auf 0,3 Millionen Barrel pro Tag ein.
Das Regime in Teheran war gezwungen, dutzende Supertanker um die Insel als schwimmende Öllager einzusetzen. Als die USA die Sanktionen nach der Amtsübernahme durch Präsident Joe Biden lockerten und die Energienachfrage nach der Coronapandemie wieder anzog, setzten sich die Schiffe langsam in Bewegung und verteilten das Öl in alle Welt.
Bilder: LiveEO/Sentinel
Vortexa zufolge liegen die Exporte inzwischen wieder bei rund 1,7 Millionen Barrel pro Tag. Ein Vergleich von 2024 und 2019 aufgenommenen Satellitenbildern belegt, dass es heute nur noch wenige schwimmende Öllager gibt. Zwar sind auch in den vergangenen Wochen Tanker rund um Kharg zu erkennen, doch sie parken meist nur wenige Tage oder ein paar Stunden vor der Insel, bevor sie mutmaßlich Öl aufnehmen und dann weiterfahren.
Aufnahmen von 2019 dagegen zeigen, dass viele Schiffe über Wochen an einer Stelle im Meer ankerten und von den Meeresströmungen mal in die eine oder andere Richtung gedreht wurden.
Bilder: LiveEO/Sentinel
Tatsächlich war der Iran durch Auflösung dieses Floating Storages und anderer Lagerbestände in der Lage, in den vergangenen Monaten mehr Öl pro Monat zu exportieren als es produziert. Das Land scheint Probleme zu haben, seine Ölfördermenge hochzufahren. Das Datenunternehmen Kplar, das solche Schiffe lückenlos beobachtet, hatte Mitte des Jahres festgestellt, dass die Floating Storages mit leichtem Ölkondensat fast auf Null gesunken sind. Bei schwererem Rohöl sanken sie auf ein niedriges Niveau.
Dass der Ölexport im Iran derzeit boomt, lässt sich auch an den Verladedocks von Kharg beobachten, die es sowohl östlich als auch westlich der Insel gibt. Die Anlagen wurden in den vergangenen Wochen immer wieder von europäischen Sentinel-Satelliten fotografiert. Und an fast jedem Tag bunkerten dort gleich mehrere Schiffe Ladung.
Bilder: LiveEO/Sentinel
Auch hier macht ein Vergleich mit Bildern aus dem September 2019 klar, wie sehr sich die Exportsituation verändert hat. Zwar nahmen auch damals hin und wieder Schiffe Öl auf. Allerdings waren es sehr viel weniger. An vielen Tagen machte gar kein Schiff an den Verladedocks fest.
Bilder: LiveEO/Sentinel
Ein Abgleich der zurzeit vor Kharg liegenden mutmaßlich iranischen Supertanker mit aktuellen Transponderdaten in der Region zeigt, dass sie entweder keine oder falsche Positionsdaten aussenden - ein Indiz, dass die Schiffe zur Umgehung von Sanktionen benutzt werden. Weil sie allerdings durch die Meerenge von Hormuz müssen, um vom Persischen Golf in den indischen Ozean zu gelangen, können beispielsweise US-amerikanische oder israelische Behörden sie im Fall einer weiteren Eskalation mit relativ geringem technischen Aufwand identifizieren – und dann womöglich auch aufhalten.
Der Iran hatte am Dienstag etwa 180 Raketen auf Israel abgefeuert. Die islamischen Revolutionsgarden übernahmen die Verantwortung und erklärten, der Angriff habe israelischen Sicherheits- und Militäreinrichtungen gegolten, als Vergeltung für die Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah.
Das israelische Militär drohte daraufhin mit einer weiteren Eskalation im aktuellen Nahostkrieg. Und US-Präsident Biden hält sogar einen Angriff Israels auf die Ölinfrastruktur für möglich.
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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.












