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Foto: LiveEO/SPOT

Wirtschaft von oben #291 – UngarnWarum Batterie- und Autobauer Ungarn als Produktionsland vorziehen

Ungarn wird zum E-Autoland. BMW, Mercedes und BYD nutzen die günstigen Bedingungen der Orban-Regierung. Exklusive Satellitenbilder zeigen, wie sich Autokonzerne und Batteriehersteller ausbreiten. Wirtschaft von oben ist eine Kooperation mit LiveEO.Jannik Deters 11.11.2024 - 08:42 Uhr

Die EU mag mit der Regierung um Ministerpräsident Viktor Orban im Clinch liegen. Autokonzerne aber verstehen sich bestens mit ihr. Ungarn ist zum EU-Elektrozentrum geworden, es lockt mit Subventionen und günstigen Arbeitskräften. Mercedes, BYD und BMW investieren massiv, wie exklusive Satellitenbilder von LiveEO belegen.

Beispiel Debrecen: Etwa zwei Milliarden Euro kostet BMW das neue Werk, knapp 100 Kilometer von der ukrainischen Grenze. In ein paar Monaten will der Münchener Autokonzern den Elektro-SUV vorstellen, der ab Ende 2025 dort gebaut werden soll.

150.000 E-Autos sollen dann pro Jahr die Hallen verlassen. Dazu bauen die chinesischen Batteriehersteller CATL und EVE große Fabriken, um BMW beliefern zu können.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/SPOT

Zur aktuellen Lage der Autoindustrie passt das nicht so recht. Die steckt, allen voran Volkswagen, in einer heftigen Krise. Der Wolfsburger Autokonzern will wegen der schwachen Verkaufszahlen einen Sparkurs durchsetzen und unter anderem die Tariflöhne um zehn Prozent senken. Das Management sieht die eigene Wettbewerbsfähigkeit gefährdet. Im September hatte es die seit mehr als 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung gekündigt. Von Mitte kommenden Jahres an wären betriebsbedingte Kündigungen möglich.

Die Nachfrage nach E-Autos dümpelt europaweit dahin. Frankreichs Industrieminister forderte vor wenigen Tagen eine abgestimmte EU-Kaufprämie für Stromer, um die Fahrzeuge attraktiver zu machen.

Die Absatzflaute wirkt sich auch auf die Produktion in Ungarn aus. Wenn weniger Menschen die Wagen kaufen, haben die Arbeiter in den Fabriken weniger zu tun. Weiterer Wermutstropfen: Die Inflation in Ungarn liegt mit voraussichtlich 3,8 Prozent in diesem Jahr deutlich über dem EU-Durchschnitt. Doch all das hält Deutsche und Chinesen nicht ab.

Auch Orbans Nähe zum russischen Diktator Wladimir Putin scheint die Investoren nicht abzuschrecken. Das von der EU angestrengte Rechtsstaatsverfahren wegen Korruption und eingeschränkter Medienfreiheit in Ungarn ebenso wenig.

Förderungen: Ungarn bietet günstige Konditionen

Das Land bietet günstige Konditionen fernab von EU-Töpfen. BMW und andere erhalten Förderungen vom ungarischen Staat. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) würdigt Ungarn als „interessanten Produktionsstandort“ wegen seines dichten Zulieferernetzes und gut ausgebildeter Arbeitskräfte.

Chinesische Unternehmen wie BYD wiederum können mit einer Produktion in Europa die EU-Zölle umgehen, die am 1. November auf Elektroautos aus China in Kraft traten. Der weltgrößte Hersteller von Elektroautos baut seine erste Autofabrik in Szeged. Die aktuellen Satellitenbilder zeigen den Baufortschritt. Die ersten Fundamente sind gut zu erkennen.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Pleiades, LiveEO/Sentinel-2

BYD investiert auch in eine Batteriemontage nördlich von Budapest. Die chinesischen Batteriehersteller CATL und EVE, Zulieferer für BMW, investieren in Fabriken im Raum Debrecen. Ein weiterer Beleg dafür, dass Ungarn inzwischen einer der größten Batterieproduzenten weltweit ist.

Bilder: LiveEO/SPOT, LiveEO/Sentinel-2

Im Vergleich zum Produktionsstandort Deutschland hat Ungarn eine ähnlich gute Lage innerhalb des Kontinents. Das Land bietet neben günstigen Arbeitsplätzen aber noch einen anderen wichtigen Vorteil gegenüber Deutschland: einen relativ CO2-armen Strommix. Ungarn stößt dank Atomkraft bei der Stromgewinnung nur halb so viel CO2 aus wie Deutschland. Das ist ein wichtiges Kriterium dafür, dass eine Autobatterie als grün gilt. In der EU-Batterieverordnung, die bald verabschiedet werden soll, womöglich das Entscheidende.

Batterieherstellung: Wie die EU Emissionen senken will

Elektroautos stoßen über den gesamten Lebenszyklus deutlich weniger CO2 aus als Pkw mit Diesel- oder Benzinmotor. Allerdings entsteht bei der sehr energieintensiven Herstellung der Batterie noch immer viel CO2. Mit einer neuen Regel versucht die EU, die Emissionen in drei Schritten zu senken: Zwölf Monate nach Inkrafttreten der Methodik, die aktuell noch nicht final beschlossen ist, müssen die Hersteller für alle in der EU verkauften Elektroautobatterien die Produktionsemissionen angeben. Auf Basis dieser Daten wird die Kommission bis August 2026 eine Obergrenze für CO2-Emissionen definieren, die bei der Batterieherstellung anfallen dürfen. Ab 2028 dürfen dann keine Batterien mehr in der EU verkauft werden, die über diesem Grenzwert liegen.

Streit herrscht jedoch noch über die Berechnungsgrundlage für den CO2-Abdruck: Die EU-Kommission hat diese im Sommer verändert. Anders als in bisherigen Entwürfen geplant, soll nicht mehr der tatsächlich zur Batterieherstellung verwendete Strom in einer Fabrik, sondern der jeweilige Strommix des Landes zur CO2-Berechnung herangezogen werden. So sieht es der jüngste Entwurf vor, der zu einem großen Ungleichgewicht zwischen Ländern wie Frankreich mit einem niedrigen Kohleanteil im Energiemix und Ländern wie Deutschland oder Polen führen würde, fürchtet der VDA.

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Vor allem diese drei Länder diskutieren aktuell über einen Kompromiss. Gerade Polen setzt stark auf Kohleenergie. Wann genau eine Einigung präsentiert wird, ist offen. Eigentlich sollte die Regulierung noch in diesem Jahr endgültig verabschiedet werden. Ein Sprecher von BMW geht von Januar 2025 aus. Innerhalb der EU werde voraussichtlich ein EU-Durchschnittswert gelten oder die Staaten einigten sich doch auf „marktbasierte Instrumente wie Power Purchase Agreements“, also Direktlieferverträge zwischen Energieerzeuger und Batterieproduzent, die den Einsatz erneuerbarer Energien sicherstellen. „Das Gefälle zwischen einzelnen EU-Ländern wäre sonst zu hoch, und viele Länder würden maximal unattraktiv für weitere Investitionen“, so der BMW-Sprecher.

Ungarische CO2-Emissionen unter EU-Schnitt

In Ungarn liegen die CO2-Emissionen jedenfalls unter dem EU-Schnitt. Die BMW-Pläne für Debrecen gehen schon ein paar Jahre zurück, mussten zwischendurch überarbeitet werden: 2018 entschied sich BMW für die Stadt. Doch kurz darauf stoppte der Konzern wegen der Coronapandemie den Bau. Ein weiterer Grund, die Milliardeninvestition zu überdenken: Debrecen war ursprünglich für Benziner und Dieselfahrzeuge gedacht gewesen. Das schnelle Wachstum von Tesla zwang das Management zu einer Planänderung. An dem Standort hielt es fest. Heute schwärmt Werkleiter Hans-Peter Kemser im „Handelsblatt“, sie hätten in Debrecen „Bedingungen wie an keinem anderen Standort“.

Bilder: LiveEO/Google Earth, LiveEO/Airbus/Pleiades

Neben den Münchenern hält auch Mercedes viel vom Standort Ungarn. Das Werk in Kecskemét wurde bereits 2012 eröffnet. Mercedes kann es flexibel für alle drei Antriebsarten nutzen.

Der Ausbau der zurückliegenden Monate ist auf den Satellitenbildern gut zu erkennen.

Im Juni empfing Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius den ungarischen Ministerpräsidenten in Stuttgart. In Kecskemét entstehe „Ungarns größtes Automobilwerk“, kommentierte Außenwirtschaftsminister Péter Szijjártó das Treffen. Der Minister bezifferte die laufenden Investitionen von Mercedes in Kecskemét auf rund 1,5 Milliarden Euro. Die Kapazitäten für Elektroautos würden enorm zunehmen, bis zu 9000 Beschäftigte könnten in wenigen Jahren für Mercedes arbeiten, behauptete Szijjártó.

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Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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